Es sollte ein Weckruf sein. „Ein Hallo, wach?“, wie es der Vorsitzende des Rottweiler Gewerbe- und Handelsvereins, Detlev Maier, formulierte. Auf Einladung seines Verbands fand die IHK-Veranstaltung „Umsatz steigern – Workshop für StandortHelden“ am Dienstagabend im Rottweiler Kapuziner statt. Ziel: die Entwicklung konkreter Lösungsansätze für mehr Umsatz im Einzelhandel. Mit Touristen.
In diesen Minuten hirnen sie bei kleinen Häppchen und etwas Alkohol über ihrer Aufgabe. Die lautet: „Der Touristenmagnet ‚Testturm‘ ist da – wie kann man das für den Umsatz nutzen?“ Die NRWZ hat die Einzelhändler und Unternehmer etwa aus den Branchen Accessoires, Automobil, Bekleidung, Beratung, Bettwaren, Bücher, Feinkost, Fotografie, Lebensmittel, Taschen und Koffer, Raumausstattung, Schmuck, Schuhwerk und Sportartikel mal alleine und unbeobachtet gelassen. Sie sollen möglicherweise sogar spinnerte Ideen entwickeln, so die freche Vorgabe eines Marketing-Mannes. Da stört doch die Lokalpresse nur.
Der Marketing-Mann, das war Elias Henrich, Geschäftsfeldleiter Strategische Kommunalentwicklung und Markenstrategien bei der „imakomm AKADEMIE“, einem Institut für Marketing und Kommunalentwicklung. Ein junger Kerl, der mit Witz und Charme an die Sache heran ging. Und mit dem Blick des Außenstehenden – der etwa ein Schild vermisst, wo es vom Testturm denn nun mit dem Auto in die Innenstadt geht („dazu musste ich mein Navi anmachen“). Und der sich über zwei Schilder wunderte, hundert Meter nach seiner Aussage voneinander entfernt, das eine habe freies Parken versprochen für zwei Stunden, das andere maximal eine halbe Stunde. Als verwirrend habe er das empfunden.
„Bilder! Emotionen! Wegweiser! Bieten Sie ein Erlebnis!“
(Elias Henrich)
Tatsächlich habe Rottweil viel zu bieten – vielleicht schon ein bisschen zu viel? Und was ist die Stadt nun – älteste in Baden-Württemberg? Die der Türme? Die mit dem Hund? Natürlich schon auch die mit dem Testturm, dem großen Besuchermagnet, der viele zehntausend neue Touristen anlockt – doch wie diese vom Berner Feld, seinem Standort, in die Innenstadt bringen? Und auch noch dazu animieren, ein, zwei Stündchen zu bleiben und Geld da zu lassen?
Andererseits habe Rottweil bereits viel erreicht – biete eine Menge. Ob da nicht die Gefahr bestehe, sich auszuruhen und alles zu belassen, wie es ist?
Natürlich gebe es Potenzial zu heben. Von den 350.000 Tagestouristen jährlich sollte doch jeder Dritte den Weg in die Innenstadt finden. Das wäre ein gutes Ziel. Bloß wie und vor allem warum? So fehlt noch immer die Hängebrücke, das Turm und Stadt Verbindende. Das stellte etwa auch der Triberger Unternehmer und Vorsitzende des IHK-Handelsausschusses, Thomas Weisser, fest, der launig und motivierend unter dem Titel „Erlebnis.Raum.Stadt – Tourismus als Plan B“ sprach.
Weisser hob hervor, dass Rottweil ja alles habe: historische Innenstadt, hervorragende Verkehrsanbindung, Natur und Neckartal. Und als Magnet den Testturm. Jetzt gehe es darum, „mit dem etwas zu machen, was man hat und nicht von dem zu träumen, was man alles haben kann.“
Die Stadt ist die Bühne. Und ihr seid die Akteure, die diese Bühne bespielen.“
(Thomas Weisser)
Der IHK-Mann und Unternehmer forschte etwas in die Runde: Sind Helden da? Mutige, einsatzbereite Menschen, die anpacken können? Er selbst ist offenbar so einer, kann darauf verweisen, gegen anfängliche Widerstände den inzwischen sensationell erfolgreichen Triberger Weihnachtszauber „aus einer Laune heraus“ mit einem guten Kumpel zusammen aus der Taufe gehoben zu haben.
Ob es so Leute auch in Rottweil gibt? Im Prinzip drehte sich der Abend darum. Auch die Stadtverwaltung mit ihren Akteuren Bürgermeister Dr. Christian Ruf, der mit seiner Rede „Einblick in die Potenziale von Rottweil“ gab, und Wirtschaftsförderer André Lomsky waren da. Zusammenarbeit zwischen Einzelhandel, Dienstleistern und Verwaltung, lautet die Parole. Alle gemeinsam bestreiten so einen Abend, alle gemeinsam müssen die Stadt nach vorne bringen, nur nicht zu viel vom anderen erwarten, und dass der schon alles macht.
Denn das sei die „Gretchenfrage“, sagte wiederum der Marketer Henrich: „Wer macht’s?“ Und er hatte gleich einen Vorschlag: „Jeder Einzelne sollte das Potenzial für sich erkennen. Was kann ich tun, um ein Stück vom Kuchen zu bekommen“, müsse die Frage lauten.
Die Antworten gab er durchaus auch vor. So fehle Rottweil der thematische Zusammenhalt, das eine große Motto, die Strategie. Und die Einzelhändler könnten heraus bekommen, welchen Alters die Touristen sind, die herkommen, und was diese wollten. Es sei überraschend, aber reiselustig und in Kauflaune griffen diese durchaus in allen Bereichen zu, kauften leichter mal eine neue Jeans, ein Buch, Accessoires und so weiter.
Und würden die Touristen dann einerseits noch mit Events in die (gut ausgeschilderte) Innenstadt gelockt und fänden dort (verständlich ausgeschilderte, günstige) Parkplätze, und würden sie dann andererseits zudem mit Mikroevents in die Geschäfte gezogen, vielleicht mit einem Gläschen Sekt begrüßt oder einem Kinderschminken – dann rolle der Rubel. Oder eben der Euro.
Aber wie gesagt: Die Einzelhändler selbst sind ja jetzt am Zug. Sollen Ideen entwickeln, wie sie selbst und wie die Innenstadt (noch?) attraktiver werden könnte. Vielleicht entwickeln sie ja sogar spinnerte Ideen, wie der Marketing-Mann forsch aufforderte?