Aufgesetztes Parken und Anwohner-Ärger: So möchte die Stadt Rottweil vorgehen

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Platz auf dem Gehweg: Anwohner können verlangen, dass ein städtisches Ordnungsamt gegen Gehwegparker vorgeht. Voraussetzung sei „eine erhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Gehwegbenutzung.“ Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig jüngst entschieden. Rottweil reagiert abwartend. Hier muss niemand befürchten, abgeschleppt zu werden.

Rottweil – „Natürlich gibt es auch in Rottweil Straßenzüge, die von Gehwegparken betroffen sind.“ Ein Sprecher der Stadtverwaltung Rottweil bestätigt ein bundesweites Problem. Eines, über das jüngst das Bundesverwaltungsgericht urteilte. Es ging um die Frage, ob Anwohner von der Stadtverwaltung verlangen können, dass sie gegen aufgesetzt auf Gehwegen parkende Fahrzeuge vorgeht. Ja, kann sie, so das Urteil. Unter bestimmten Voraussetzungen, jedenfalls.

Darum geht es, und viele Hausbesitzer und -bewohner werden sich wiedererkennen: Die Kläger, in diesem Fall drei Bremer Bürger, hatten von der Beklagten, der Freien Hansestadt Bremen, ein straßenverkehrsbehördliches Einschreiten gegen Fahrzeuge, gefordert, die aufgesetzt auf den Gehwegen in drei Bremer Straßen geparkt werden. Die Kläger sind Eigentümer von Häusern in den betreffenden Straßen, drei Einbahnstraßen. Die Fahrbahnen sind zwischen 5 und 5,50 Metern breit, auf beiden Seiten verlaufen Gehwege mit einer Breite zwischen 1,75 und 2 Metern. Verkehrszeichen mit Regelungen zum Halten und Parken sind nicht angeordnet. Seit Jahren wird unter anderem in den drei Straßen auf beiden Seiten nahezu durchgehend verbotswidrig aufgesetzt auf den Gehwegen geparkt.

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Eineinhalb Meter Platz sollten eigentlich verbleiben. Tun sie auch in diesem Fall nicht. Foto: gg

Uns das ist ein Problem. Den obwohl es ungezählte Fahrerinnen und Fahrer täglich tun: Parken ist auf dem Gehweg nicht erlaubt. Die Straßenverkehrsordnung ist in § 12 Absatz 4 und 4a eindeutig: Ohne ein entsprechendes Schild (Verkehrszeichen Nr. 315) ist das aufgesetzte Parken verboten. Punkt. Es geht darum, dass Fußgänger und Rollstuhlfahrer sich dort ungehindert bewegen können, auch Menschen mit Koffern und Kinderwagen.

Nach dem Urteil nun haben Anwohner „einen räumlich begrenzten Anspruch gegen die Straßenverkehrsbehörde auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Einschreiten gegen das verbotswidrige Gehwegparken“, wie das juristisch heißt. Das bedeutet nicht, dass man von der Stadt verlangen kann, dass sie einen Gehwegparker sofort abschleppt. Aber die Ordnungsbehörden können auch nicht mehr, wie bislang bundesweit, die Augen vor dem Problem verschließen.

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Kaum mehr Platz für Fußgänger, eineinhalb Meter müssten eigentlich frei bleiben. Gesehen in der Rottweiler Mittelstadt. Foto: gg

Und bei einer „erheblichen Beeinträchtigung“ sind die Behörden aufgefordert, einzuschreiten. Um ein Gefühl für die Erheblichkeit zu bekommen: Im konkreten Bremer Fall war durch die rechtswidrig abgestellten Fahrzeuge eine freie Gehwegfläche von teils deutlich unter 1,5 Metern verblieben. Zu schmal. Schon eine Vorinstanz hatte hier eine „unzumutbare Funktionsbeeinträchtigung“ angenommen, vor allem, weil unter solchen Umständen ein „Begegnungsverkehr nicht mehr möglich“ sei.

Eineinhalb Meter – messen Sie das mal nach, liebe Leserinnen und Leser. Wie oft lassen geparkte Autos diesen Platz schon nicht mehr auf Gehwegen?

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Die Stadt stellt Schilder auf, wenn die Autofahrerinnen und Autofahrer nicht selbst drauf kommen. Foto: gg

Die Stadt Rottweil sieht aber andererseits auch die Nöte der Autofahrerinnen und -fahrer. Das illegale Parken auf Gehwegen „ist sehr oft dem nicht vorhandenen oder nicht ausreichenden Parkraum geschuldet“, stellt die Verwaltung fest – und das klingt, als würde sie hier selbst ein Versäumnis anerkennen. „Häufig sind es aber die Anwohner selbst, die diese Möglichkeit nutzen“, hat die Stadt beobachtet. In der Regel funktioniere dies im Sinne eines „modus vivendi“, in Form also einer stillen Übereinkunft. Man duldet das von seinem Nächsten.

Doch: „Wenn Beschwerden vorliegen, reagieren wir bereits jetzt, versuchen Kompromisslösungen zu vermitteln oder verwarnen entsprechend über unseren Vollzugsdienst“, heißt es seitens der Stadt. An manchen Stellen stehen dann gleichsam über Nacht Schilder, die das Überparken der Fußgänger-Abtrennungen, wie sie im Rottweiler Stadtgebiet anstelle von hochgesetzten Gehwegen häufig zu finden sind, verbieten.

Gut möglich, dass die Stadtverwaltung jetzt öfter von genervten Anwohnern angerufen wird, die den „modus vivendi“ beenden wollen. Die endlich wieder ungestört nebeneinander über einen Gehweg gehen wollen, ohne auf die Fahrbahn und dort nahenden Autos ausweichen zu müssen. Die Straßenverkehrsordnung gibt das in letzter Konsequenz vor und die Stadtverwaltung soll sich nach dem Urteil aus Leipzig nun darum kümmern, dass das vor Ort umgesetzt wird.

Dazu, dass hier Falschparker abgeschleppt werden, wird es aber auch wieder nicht so rasch kommen. „Beim Abschleppen gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und eine konsequente Prüfung des Einzelfalls“, heißt es seitens der Stadt. „Deshalb kann es nach unserem Erachten kein generelles Abschleppgebot bei Gehwegparken geben.“ Allenfalls im Einzelfall.

„Das Urteil verlangt von den Kommunen kein sofortiges Handeln“, erklärt ein Sprecher der Stadt. „Vielmehr wird den Kommunen ein bedachtes Vorgehen empfohlen.“ Die Stadt Rottweil wolle sich deshalb mit übergeordneten Behörden abstimmen und auch auf Empfehlungen der Dachverbände warten. „Mit Blick auf die Akzeptanz in der Bürgerschaft ist es uns wichtig, hier möglichst gemeindeübergreifend zu  einem einheitlichen Vorgehen zu kommen.“

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Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.

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