Apostel im Kofferraum

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Ungewohnter Besuch ist am Donnerstag in der Lorenzkapelle angekommen: Der Fridinger Bildhauer Willi Bucher brachte ein Dutzend steinerne Masken. Auge in Auge mit Skulpturen vom Kapellenturm wurden sie im alten Wehrgang postiert – für eine kurzfristig entstandene Kunstaktion „Apostel im Dialog“.

Staunend, grinsend, schmunzelnd scheinen Buchers Larven nun Blickkontakt aufzunehmen mit den in feinen Posen verharrenden Original-Bildwerken der „Rottweiler Gotik“. Den in den 1330er Jahren geschaffenen zwölf Aposteln hat Bucher ein Dutzend seiner knapp lebensgroßen Masken in Renfritzhausener Sandstein gegenübergestellt.

Probeweise wurde auch eine Jesus-Maske eingefügt – etwas größer, wie beim Jesus der Kapellenkirche, der die Apostel überragt. Foto: al

Keine zwei Meter liegen zwischen den Bildwerken aus Gotik und Gegenwart, fast 700 Jahre – und doch sieht man neben Unterschieden der gestalterischen Ideen gleich auch Verbindendes: Zum Beispiel, dass da Steinen Gesichter eingeschrieben wurden. Mit Gefühlslagen, Lebensspuren, teils sogar ähnlich frisierten Zwirbellocken. Und dass da Künstler totem Material eine umwerfende Vitalität eingehaucht haben.

Nur bei einer einzigen Larve will Bucher einen Namen zuordnen: bei Judas, den er einäugig angelegt hat. Foto: al

Die Idee zur kreativen Gegenüberstellung von Gotik und Gegenwart hatte – inspiriert von der Ausstellung mit Werken von Siegfried Haas im Vorjahr – Michael Grimm. Er stieß damit bei Martina Meyr, der Leiterin der Städtischen Museen, auf offene Ohren. Die Präsentation der Kunstsammlung Lorenzkapelle wurde gerade überarbeitet, frischer und zeitgemäßer gemacht. „Nun wollen wir mehr Aufmerksamkeit auf die Lorenzkapelle zu lenken – da passt diese Ausstellung ganz hervorragend“, freute sich Meyr im Gespräch mit der NRWZ.

Den Reiz noch gesteigert hat der Umstand, dass die kleine, aber feine Sonderaktion kostenneutral organisiert werden konnte. Und so das karge Budget für die Lorenzkapelle, deren Öffnung nur dank ehrenamtlicher Helfer möglich ist, nicht belastet. Sogar der schmale, hohe Tisch, auf dem die Bucher-Masken auf Augenhöhe präsentiert werden, schlägt nirgends zu Buche: Zimmermeister Georg Albrecht hat ihn maßgefertigt – und für die Kunstaktion einfach gespendet.

Willi Bucher am Donnerstag im Gespräch mit Martina Meyr, der Leiterin der Städtischen Museen, sowie Initiator Michael Grimm. Foto: al

So war die Stimmung freudig gelöst, als die Masken am Donnerstag ankamen. Eigentlich sollten sie erst zur Sonderöffnung am Denkmaltag, der auf den Stadtfest-Sonntag fällt, zu sehen sein. Nun aber kann man die epochenüberspannende Zwiesprache der Bildwerke bereits diesen Sonntag bestaunen.

Ein Kofferraum voller Masken. Foto: al

Einzelne Bucher-Masken waren bereits beim legendären „Larven-Turm“ zum Viererbund-Treffen 2017 im Forum Kunst zu sehen, andere jedoch machen Rottweil erstmals ihre Aufwartung. Bei der Aufstellung rief Willi Bucher in Erinnerung, dass er als Steinbildhauer 19 Jahre die Münsterbauhütte an Heilig-Kreuz geleitet hat und als Gutachter unter anderem bereits am Kapellenturm, am Schwarzen Tor sowie am Hochturm tätig war. Zu Rottweils Steinbildwerken hat er also eine ganz besondere Beziehung – und sichtlich Freude daran, sich mit seiner eigenwilligen, ebenso herben wie subtilen Kunst zu dieser reichen Tradition in Beziehung zu setzen.

Bleiben wird der ungewohnte Besuch nun mindestens bis zum Abschluss der Lorenzkapellen-Saison Ende Oktober.

Info: Diesen Sonntag ist die Lorenzkapelle regulär von 14 bis 16 Uhr geöffnet und am Stadtfest-Sonntag, dem 9. September, außer der Reihe nochmals von 14 bis 16 Uhr. Um 15 Uhr gibt es zusätzlich eine Führung mit Cornelia Votteler zur Geschichte der Lorenzkapelle.

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Ungewohnter Besuch ist am Donnerstag in der Lorenzkapelle angekommen: Der Fridinger Bildhauer Willi Bucher brachte ein Dutzend steinerne Masken. Auge in Auge mit Skulpturen vom Kapellenturm wurden sie im alten Wehrgang postiert – für eine kurzfristig entstandene Kunstaktion „Apostel im Dialog“.

Staunend, grinsend, schmunzelnd scheinen Buchers Larven nun Blickkontakt aufzunehmen mit den in feinen Posen verharrenden Original-Bildwerken der „Rottweiler Gotik“. Den in den 1330er Jahren geschaffenen zwölf Aposteln hat Bucher ein Dutzend seiner knapp lebensgroßen Masken in Renfritzhausener Sandstein gegenübergestellt.

Probeweise wurde auch eine Jesus-Maske eingefügt – etwas größer, wie beim Jesus der Kapellenkirche, der die Apostel überragt. Foto: al

Keine zwei Meter liegen zwischen den Bildwerken aus Gotik und Gegenwart, fast 700 Jahre – und doch sieht man neben Unterschieden der gestalterischen Ideen gleich auch Verbindendes: Zum Beispiel, dass da Steinen Gesichter eingeschrieben wurden. Mit Gefühlslagen, Lebensspuren, teils sogar ähnlich frisierten Zwirbellocken. Und dass da Künstler totem Material eine umwerfende Vitalität eingehaucht haben.

Nur bei einer einzigen Larve will Bucher einen Namen zuordnen: bei Judas, den er einäugig angelegt hat. Foto: al

Die Idee zur kreativen Gegenüberstellung von Gotik und Gegenwart hatte – inspiriert von der Ausstellung mit Werken von Siegfried Haas im Vorjahr – Michael Grimm. Er stieß damit bei Martina Meyr, der Leiterin der Städtischen Museen, auf offene Ohren. Die Präsentation der Kunstsammlung Lorenzkapelle wurde gerade überarbeitet, frischer und zeitgemäßer gemacht. „Nun wollen wir mehr Aufmerksamkeit auf die Lorenzkapelle zu lenken – da passt diese Ausstellung ganz hervorragend“, freute sich Meyr im Gespräch mit der NRWZ.

Den Reiz noch gesteigert hat der Umstand, dass die kleine, aber feine Sonderaktion kostenneutral organisiert werden konnte. Und so das karge Budget für die Lorenzkapelle, deren Öffnung nur dank ehrenamtlicher Helfer möglich ist, nicht belastet. Sogar der schmale, hohe Tisch, auf dem die Bucher-Masken auf Augenhöhe präsentiert werden, schlägt nirgends zu Buche: Zimmermeister Georg Albrecht hat ihn maßgefertigt – und für die Kunstaktion einfach gespendet.

Willi Bucher am Donnerstag im Gespräch mit Martina Meyr, der Leiterin der Städtischen Museen, sowie Initiator Michael Grimm. Foto: al

So war die Stimmung freudig gelöst, als die Masken am Donnerstag ankamen. Eigentlich sollten sie erst zur Sonderöffnung am Denkmaltag, der auf den Stadtfest-Sonntag fällt, zu sehen sein. Nun aber kann man die epochenüberspannende Zwiesprache der Bildwerke bereits diesen Sonntag bestaunen.

Ein Kofferraum voller Masken. Foto: al

Einzelne Bucher-Masken waren bereits beim legendären „Larven-Turm“ zum Viererbund-Treffen 2017 im Forum Kunst zu sehen, andere jedoch machen Rottweil erstmals ihre Aufwartung. Bei der Aufstellung rief Willi Bucher in Erinnerung, dass er als Steinbildhauer 19 Jahre die Münsterbauhütte an Heilig-Kreuz geleitet hat und als Gutachter unter anderem bereits am Kapellenturm, am Schwarzen Tor sowie am Hochturm tätig war. Zu Rottweils Steinbildwerken hat er also eine ganz besondere Beziehung – und sichtlich Freude daran, sich mit seiner eigenwilligen, ebenso herben wie subtilen Kunst zu dieser reichen Tradition in Beziehung zu setzen.

Bleiben wird der ungewohnte Besuch nun mindestens bis zum Abschluss der Lorenzkapellen-Saison Ende Oktober.

Info: Diesen Sonntag ist die Lorenzkapelle regulär von 14 bis 16 Uhr geöffnet und am Stadtfest-Sonntag, dem 9. September, außer der Reihe nochmals von 14 bis 16 Uhr. Um 15 Uhr gibt es zusätzlich eine Führung mit Cornelia Votteler zur Geschichte der Lorenzkapelle.

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