Kreis Rottweil. „Anrufsammelbus“. Unter diesem Namen firmierte früher ein Angebot des Landkreises Rottweil, das sich an die armen Tröpfe ohne Auto wandte, die in einem abgeschiedenen Eck im Landkreis wohnten. Das ist heute, unter dem verkürzten Namen „Anrufbus“ nicht viel anders – wenngleich das Angebot richtig gut angenommen wird. An der Fasnet sogar zu gut, wie ein Tourist herausgefunden hat.
Verkürzte Nacht oder Taxi
Er habe in diesem Jahr erstmals den Narrensprung besucht und sich dazu für die Nacht von Fastnachtssonntag auf -montag im Hotel Krone in Lauffen einquartiert. Das berichtet ein Leser, der sich jetzt an die örtlichen Redaktionen gewandt hat. Jetzt erst, weil er zwischenzeitlich ein Problem mit dem Nahverkehrsamt zu klären hatte. Dieses lautet in Kürze: Am Fasnetssonntagabend wollte er den Anrufbus um 23.05 Uhr ab dem neuen Postamt buchen, um nach Lauffen zu kommen. Doch als er gegen 22 Uhr in der Zentrale anrief (also über eine Stunde vor der gewünschten Abfahrtszeit), war der Anrufbus bereits vollständig belegt, sodass ihm die Zentrale nur noch eine Fahrt um 0.05 Uhr anbieten konnte. Für den Touristen deutlich zu spät. Er wollte noch eine Mütze Schlaf nehmen, bevor’s für ihn früh am nächsten Morgen wieder Richtung Innenstadt, zum Narrensprung gehen sollte.
Also nahm er ein Taxi. Kosten: 21,80 Euro. Einen Beleg darüber mit der Bitte um Kostenerstattung reichte er nach eigenen Angaben beim Rottweiler Verkehrverbund Move ein. Leider habe das Nahverkehrsamt im Landratsamt Rottweil die Zahlung abgelehnt – mit der Begründung, dass „gerade an Veranstaltungen wie Fasnacht die Fahrzeuge frühzeitig belegt“ seien.
Das ließ den Touristen stutzen: Müsste man nicht „an solchen Tagen“ gleich mehr Fahrzeuge einsetzen, wenn man doch aus Erfahrung schon um die starke Nachfrage weiß? Oder, Alternative: Warum lässt man die vorhandenen Fahrzeuge nicht zumindest mit höherer Frequenz verkehren, etwa alle halbe Stunde, sodass bei ausgebuchtem Rufbus wenigstens nicht gleich eine volle Stunde (zusätzliche) Wartezeit anfällt?
Ein Missstand, so der Tourist, der wirklich gerne die Taxikosten zurückhätte. Doch das Nahverkehrsamt sagt klar: „Es ist seitens des Landkreises nicht vorgesehen, in dem Fall die Taxigebühren zu erstatten.“ Man bedanke sich für das Verständnis, so die Behördenvertreterin in ihrer Mail, die der Tourist den Redaktionen vorgelegt hat. Verständnis? Hat er nicht. Eine Fastnacht-Hochburg solle sich an ihren tollen Tagen nicht so mangelhaft mit ÖPNV-Plätzen rüsten, sagt er.
Wobei man da unterscheiden muss: Zuständig für die örtlichen Fastnachten sind die Zünfte in den Städten und Gemeinden. Das Landratsamt nicht. Dennoch bleibt natürlich unter anderem die Frage: Warum wird die Kapazität des Anrufbusses an solchen Tagen nicht angepasst?
Deckel auf den Anrufbus-Kosten
Eine Sprecherin des Landratsamts antwortet ausführlich: „Als 2009 der Anrufbusverkehr im gesamten Landkreis neu organisiert wurde (übrigens im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung), hatte sich der damalige Kreistag darauf geeinigt, zehn Fahrzeuge zu finanzieren, um den finanziellen Aufwand für den Anrufbus zu deckeln“, schreibt sie. Diese Fahrzeuge seien auf drei sogenannte „Lose“ aufgeteilt, also auf Gebiete, in denen sie unterwegs sind: drei Fahrzeuge im Los Rottweil, drei Fahrzeuge im Los Oberndorf und vier Fahrzeuge im Los Schramberg. Diesem Beschluss des Kreistags war eine Beratung durch Verkehrsexperten der nbsw nahverkehrsberatung vorausgegangen. „Es stehen also tatsächlich nicht mehr als diese zehn Fahrzeuge zur Verfügung“, so die Landratsamtssprecherin. Das würde die Frage nach einer Anpassung der Kapazität beantworten: schlicht nicht möglich.
Und weiter: Da der Anrufbus als Linienverkehr im Stundentakt nach Fahrplan fährt, sei es auch nicht machbar, einfach die Taktzeiten zu ändern, zumal diese Taktung auf andere Fahrpläne abgestimmt ist, erklärt die Behördensprecherin weiter.
Ein dank seiner Vorgaben also starres System, das eben an der Fasnet an seine Grenzen stößt. „Selbstverständlich bedauern wir es, wenn Fahrgäste wegen hoher Auslastung nicht befördert werden können, gerade an Abenden wie an der Fasnet“, so die Sprecherin der Behörde. Klar – der Landkreis wirbt bekanntlich auch selbst mit den tollen Tagen, mit der fünften Jahreszeit um Touristen. Etwa auf der Stuttgarter Messe CMT. Für die Höhepunkte der „schwäbisch-alemannischen Fasnet“ gibt es eigens einen Fasnetflyer. Für den Transport vor Ort im Zweifel dann eben zu wenig Kapazität.
Immer mehr Leute fahren mit
Wie ist denn nun aber die Auslastung des Anrufbusses zurzeit? Also an normalen Tagen und Wochenenden? In Prozent? Die Fahrgastzahlen haben sich nach den Angaben des Landratsamts vom Jahr 2021 (17.877) bis zum Jahr 2022 (40.046) mehr als verdoppelt. „Aufgrund dieser Entwicklung hat der Verwaltungsausschuss in öffentlicher Sitzung am 11.07.2022 beschlossen, ausschließlich Kleinbusse mit acht Sitzplätzen anstelle von PKWs einzusetzen“, teilt das Landratsamt mit. Das bedeute: gleiche Fahrzeuganzahl, gestiegene Transportkapazitäten für die erhöhte Nachfrage. Dazu noch eine aktuelle Zahl: Derzeit werden rund 4.000 Fahrgäste pro Monat befördert.
Die Kosten, die fahren auch davon. Im Haushaltsjahr 2022 hat das Landratsamt im Etat ursprünglich 380.000 Euro für den Anrufbus eingeplant. Am Ende lag der Landkreiszuschuss dann bei 660.000 Euro, berichtet die Sprecherin der Behörde weiter. Im neuen Haushaltsjahr sieht die Planung – vorbehaltlich der Genehmigung des Regierungspräsidiums – einen Landkreiszuschuss in Höhe von 600.000 Euro vor.
Info: Der Anrufbus soll lexible und bedarfsorientierte Fahrten auf Bestellung anbieten. Er verkehrt abends und am Wochenende ganztags im Landkreis Rottweil von A nach B im Anschluss an den regulären Linienverkehr. Er fährt nach Fahrplan zwischen den einzelnen Haltestellen und nur nach telefonischer oder elektronischer Bestellung. Die Anrufbus-Fahrten werden zwischenzeitlich mit Kleinbussen durchgeführt.
Set 11. Dezember 2022 gilt ein Fahrplan, der hier zu finden ist. Weitere Infos auf der Website des Landratsamts.