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    AfD-Sänze: „JVA Rottweil ist Baden-Württembergs BER“

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    Rottweil/Stuttgart. Mehr als doppelt so teuer wie ursprünglich veranschlagt soll der Bau der neuen Justizvollzugsanstalt Rottweil werden. „Mindestens 560.000 je Haftplatz gönnt sich das Land“, hat der Rottweiler Abgeordnete Emil Sänze (AfD) ausgerechnet. Der Mann schäumt.

    „Die Gesamtbaukosten haben sich von 120 auf inzwischen 280 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Ergänzend dazu ist eine Vorsorge für Genehmigungs- und Baugrundrisiken sowie für Baupreisrisiken von 97 Millionen Euro ausgewiesen. Wenn das keine Verschwendung ist – was dann?“, fragt Sänze laut einer Mitteilung seines Büros. Die Zahlen hat er aus einer Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage Sänzes und seines Parteikollegen Rüdiger Klos. Der Landtag habe dem Neubau der JVA Rottweil mit Gesamtbaukosten in Höhe von 280 Millionen Euro zugestimmt, heißt es darin.

    Im Wesentlichen sieht das Land zwei Kostentreiber – neben der Tatsache, dass das Projekt an ein neues Architekturbüro hatte vergeben werden müssen: die sogenannte Fortschreibung des Baupreisindex mit einer rund 16-prozentigen Steigerung vom zweiten Quartal 2019 bis zum vierten Quartal 2021 – was rund 36 Millionen Euro ausmachte. Sowie die Überarbeitung und Fortschreibung des Energiekonzepts für das Projekt mit Mehrkosten von rund 7 Millionen Euro. Zum Hintergrund: Der Vertrag mit dem ursprünglich beauftragten Architekturbüro ist im Februar 2021 gekündigt worden. Die Entwurfsplanung inklusive der Kostenberechnung sei mehrfach nicht abnahmefähig gewesen, erklärte die Landesregierung seinerzeit. Die Kostenschätzung für die Vorentwurfsplanung – auf Basis der Baupreise Mitte 2019 – lag damals bei 240 Millionen Euro.

    Bereits 2018 hatte der Landesrechnungshof berichtet, dass der JVA-Neubau um viele Millionen Euro teurer werde als anfangs angenommen. Begründung: „Ursächlich hierfür ist insbesondere das ausgewählte Baugrundstück Esch mit einem wenig geeigneten Baugrund, welliger Topografie sowie langen Anbindungswegen zur öffentlichen Erschließung. Zudem kann von erheblichen wasser- und naturschutzrechtlichen Auflagen ausgegangen werden. Auch Vorschläge aus dem Bürgerbeteiligungsverfahren, wie eine verringerte Geschossigkeit der Gebäude oder die landschaftsplanerische Einbindung der Außensicherung, führen zu einem Mehraufwand.“ Eine Kostenermittlung des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg vom Oktober 2017 sah Gesamtkosten von 182 Millionen Euro kommen. Er begründete mehr als 38 Millionen Euro allein mit standortbezogenem Mehraufwand.

    Wohin die Reise geht, war also klar. Sänze bezieht sich in seiner Einlassung nun auf ursprünglich angegebene Kosten von 120 Millionen Euro, die über die Jahre extrem gewachsen sind.

    Allein ein neues Energiekonzept entsprechend dem Landesklimaschutzgesetz wird die Steuerzahler zusätzliche 7 Mio. Euro kosten, befindet Sänze. „Bei einer Bürgerbeteiligung waren daneben gewünscht worden: Naherholungsmöglichkeiten, 20 Wanderparkplätze an der JVA, Dachbegrünung, Beachtung der Wirkung des Blicks vom Testturm, ein zugängliches Bistro, Nutzung der Drei-Feld-Sporthalle durch Rottweiler Vereine und anderes mehr“, erinnert der Abgeordnete. Und wettert: „Hier wird nicht nur ein Zweckbau mit Bürger-Wohlfühl-Wunschkonzert und fanatischem Klimafetischismus überfrachtet.“ Immerhin: Mit dem neuen, teuren Energiekonzept werde eine weitgehend klimaneutrale Wärmeversorgung der JVA Rottweil erreicht, erklärte das Land das Vorhaben.

    Sänze aber schäumt: „Hier herrscht leider auch die übliche neudeutsche Verantwortungsdiffusion: Niemand fühlt sich für das Fiasko verantwortlich und nimmt endlich seinen Hut!“ Er sieht die neue JVA schon als Baden-Württembergs BER, wie Sänze schreibt. Also jenen Flughafen, der sich finanziell nahezu als Fass ohne Boden erwiesen hat.

    Übrigens: Der Rechnungshof erklärte 2018, dass er die Notwendigkeit eines Neubaus im Raum Rottweil keineswegs in Abrede stelle. Auch werde nicht verkannt, dass die Bürgerinnen und Bürger umfassend beteiligt wurden und vor der Standort-Entscheidung eine engagierte zehnjährige Suche der Landesverwaltung vorangegangen gewesen sei. „Gleichwohl darf der jetzige Planungsstand mit der Standortentscheidung für
    das Grundstück Esch nicht zu einem unkontrollierbaren Kostenrisiko für den Landeshaushalt werden“, so die Behörde. Erhebliche Kosten hätten sich etwa einsparen, wenn „ein geeigneteres Grundstück gewählt“ worden wäre, „gegebenenfalls auch außerhalb der Gemarkung Rottweil“, so der Rechnungshof. Beispielsweise sei der Standort Zimmern-Süd bereits im Januar 2012 wegen einer fehlenden Mehrheit im Gemeinderat von
    Zimmern ob Rottweil nicht weiter verfolgt worden. Auch der Standort Rottweil-Esch sei zunächst vom Gemeinderat der Stadt Rottweil abgelehnt worden. Ergebnis: „Unbeachtet der ablehnenden Haltung von Zimmern ob Rottweil liegt der Standort Rottweil-Esch in ähnlicher Entfernung zum Ortskern der Gemeinde Zimmern ob Rottweil wie der Standort Zimmern-Süd.“

    Einerlei, der Neubau kommt aufs Esch. Denn: „Die Bürgerbeteiligung beim Neubau der JVA Rottweil spielte eine entscheidende Rolle bei der Standortsuche und führte zu der großen Akzeptanz der Bürgerschaft vor Ort für die Maßnahme“, so das Urteil der Landesregierung.

    Und so sieht aktuell der Zeitplan aus: Derzeit werden die ersten Bauleistungen ausgeschrieben und vergeben. Im 2. Quartal 2023 soll mit den Bauarbeiten begonnen werden. Noch in diesem Jahr sollen die vorbereitenden Maßnahmen auf dem Baufeld, der Erdbau sowie die Tiefbauarbeiten ausgeführt werden. Die Ausführung der Hochbauarbeiten ist ab dem Jahr 2024 geplant. Ausgehend von einer Gesamtbauzeit von etwa vier Jahren wird die Fertigstellung und Übergabe des Neubaus der Justizvollzugsanstalt Rottweil an den Nutzer Stand heute im Jahr 2027 angestrebt. 

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    Peter Arnegger (gg)
    Peter Arnegger (gg)
    … ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.