„Angriff aufs Zimmertheater: AfD legt nach“, so titelte die NRWZ. Ein Text, in dem der AfD-Landtagsabgeordnete Emil Sänze ankündigte, dem Rottweiler Theater weiterhin seine öffentlichen Gelder streitig machen zu wollen. Viele Seiten unterstützen das Zimmertheater in diesem Streit. Hier melden sich die Vorsitzenden dessen Trägervereins zu Wort. Wir veröffentlichen deren Stellungnahme im Wortlaut:
Die Rede der AfD Baden-Württemberg gegen das Zimmertheater Rottweil, formuliert vom Landtagsabgeordneten Emil Sänze, versteht sich nicht nur als Frontalangriff auf die künstlerische Arbeit der Intendanten, Bettina Schültke und Peter Staatsmann. Sie attackiert die Arbeit eines bürgerlichen Trägervereins, der die Arbeit des Zimmertheaters erst ermöglicht. Aber sie will mehr: Sie holt aus zum Angriff auf die Demokratie, diese Rede ist ein Angriff auf die Freiheit der Meinung und die Freiheit der Kunst, auf die Grundpfeiler unseres Gemeinwohls, auf eine Verfassung, die uns seit über 70 Jahren ein Leben in Frieden beschert.
Herr Sänze spricht von Rachfeldfeldzügen, Hörigkeit, Umerziehung Andersdenkender und dem Schatten der eigenen Unfähigkeit – ein Vokabular aus der Kriegspropaganda. Das Zimmertheater wird aber von einem Verein getragen, der ehrenamtlich fernab der großen Staatstheater auch in Rottweil Kunst und Theater hochhält. Führt die AfD nun Krieg gegen Bürgervereine?
Einen solchen Angriff kann man nur entschieden zurückweisen. Wenn Sänze fordert, Kunst möge sich selber tragen, dann verabschiedet er sich von dem Gedanken, dass Kunst und Theater nicht nur den Wohlhabenden zugänglich sein darf und nicht nur dem Vergnügen gilt. Eine lebens- und liebenswerte Gesellschaft lebt von ihrer Kultur, ihrem Theater, ihrer Kunst. Daher hat sich der Staat – also die Bürgerinnen und Bürger der Gesellschaft – darauf verständigt, keinesfalls nur den Konsumtempeln zu huldigen, sondern Theatern, Museen, Konzertsälen, Kunst im öffentlichen Raum und den künstlerischen Nachwuchs zu fördern, der in einem strengen Auswahlverfahren auf wenige Studienplätze hoffen darf. Ebenso wird auch der Sport unterstützt.
Die Sprache der AfD, die auf Herabwürdigung und Diffamierung der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes abzielt, ist inakzeptabel und in ihrem Niveau deutlich unter dem derjenigen, die die AfD pauschal ablehnen. Ach, hätte Herr Landtagsabgeordnete Sänze doch das Theaterstück, gegen das er so wütet, selber gesehen, dann wäre uns der ganze Schall und Rauch erspart geblieben. Am Ende des Stückes saßen Publikum und Theaterleute an einem Tisch beim Essen zusammen und ‚schwätzten miteinander‘. Immer noch die beste Form der Verständigung im Ländle.
Demokratie bedeutet Diskurs, Vielfalt, das Zulassen des Andersdenkens – ohne Kriegspolemik. Daher sollten alle Demokraten, vor allem aber alle Landtagsabgeordnete unabhängig von welcher Partei gegen diese antidemokratische Haltung Stellung beziehen, damit nicht der Eindruck entsteht, eine schweigende Mehrheit stimme diesen absurden und beleidigenden Äußerungen zu. Wir haben etwas zu verlieren! Vor allem die Spitze der Stadtverwaltung und des Kulturamtes müssen öffentlich und entschieden für die Freiheit der Kunst auch und vor allem in Rottweil eintreten. Die älteste Stadt Baden-Württembergs lebt vom ehrenamtlichen Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger, die Arbeit des Zimmertheaters gilt es zu verteidigen. Ein Zeichen der Solidarität könnte darin bestehen, die Vorstellungen des Theaters zu besuchen. Lessings Nathan, der am kommenden Freitag Premiere hat, erweist sich als ideales Stück dafür, weil es den Vorrang der Vernunft thematisiert.
Die AfD spricht von einem Skandal um das Zimmertheater. Ja, es ist ein Skandal, aber anders als Sänze behauptet. Der wahre Skandal besteht darin, dass eine Partei, die in deutschen Parlamenten sitzt, grundlegende demokratische Rechte in Frage stellt. Umso wichtiger ist jetzt die Arbeit des Theaters, so wie unsere Intendanten sie verstehen: Theater als Ort kritischer Auseinandersetzung mit unserer Geschichte, der Gegenwart und dem Ausblick auf unsere Zukunft. Damit dies möglich ist, macht der Verein Zimmertheater 2002 e.V. seine Arbeit.
Prof. Elisabeth Gutjahr, Georg Fröhlich,
Vorsitzende des Vereins Zimmertheater Rottweil