93 Millionen Euro und eine Gegenstimme

Städtischer Haushalt ist beschlossen

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Der Haushalt der Stadt Rottweil für das laufende Jahr ist fix. Bei einer Gegenstimme wurde das 93 Millionen Euro schwere Werk am Mittwochnachmittag beschlossen.

Rottweil – Natürlich gab es Unzufriedenheiten, bei den einen mehr, den anderen weniger. Doch, so zitierte Pascal Schneider (CDU) den ehemaligen amerikanischen Außenminister Henry Kissinger: „Ein Kompromiss, ist nur dann wirklich ausgewogen, wenn alle irgendwie unzufrieden sind.“

Die Haushaltsreden; CDU: Pascal Schneider

Schneider begann den Reigen der Haushaltsreden. Zwar sei es gelungen, einen ausgeglichenen Ergebnishaushalt zu erstellen. Aber in diesem Jahr würden die städtischen Rücklagen restlos aufgebraucht, „um das Geld in die städtische Infrastruktur investieren zu können.“ Künftig müssten Infrastruktur-Projekte mit Krediten finanziert werden, wodurch der Haushalt mit Zinsausgaben belastet würde. Die Haushalts-Konsolidierung könne nur auf der Ausgabenseite beginnen. Er erwähnte die Personalkosten, die in den letzten Jahren verdoppelt worden seien. Neue Stellen müsste kritisch hinterfragt und betrachtet werden. Auch Zuschüsse für Vereine müssten hinterfragt werden – er nannte 100.000 Euro an den Taubenschutzverein und 10.000 Euro „für einen augenscheinlich gut laufenden Ferienzauber.“ Und: „Mittelfristig müssen wir uns durch eine restriktive Zuschuss- und Finanzpolitik in allen Bereichen, auch im Bereich Sport, die Möglichkeiten erhalten, einen Ersatz-Neubau für das Aquasol finanziell darstellen zu können.“

SPD+FFR: Elke Reichenbach

Als „Märchentante“ gerierte sich Elke Reichenbach – sie übernahm Motive der Gebrüder Grimm. So erinnere sie die Bautätigkeit der Stadt an das Tapfere Schneiderlein („Sieben auf einen Streich“). Sie sprach sich für „Sparen mit Augenmaß“ aus. Auf der einen Seite sah sie Sparmöglichkeiten oder zusätzliche Einnahmen – beispielsweise „Kostenloses Parken auf Straße und Parkflächen halten wir für nicht mehr zeitgemäß.“ Denn: „Höhere Gebühren fördern den Umstieg auf Bus und Bahn und ermöglichen die Quersubventionierung eines verbesserten ÖPNV-Angebotes“. Und „um die Erhöhung der Grundsteuer B werden wir in Zukunft nicht herumkommen.“ Andererseits aber fand sie Ausgaben wie den Zuschuss für die AWo für die Spittelmühle oder den Klimaschutz-Manager notwendig. Und schloss: „Auf dass auch wir zum guten Schluss das halbe Königreich und die Königstochter erlangen werden.Bündnis 90/Die Grünen“

Bündnis 90/Die Grünen: Ingeborg Gekle-Maier

Keine Einigkeit bei der Zustimmung zum Haushalt – das kündigte Ingeborg Gekle-Maier, Fraktionsvorsitzende der Grünen, an – und so kam es auch. „Viele der von uns kritisierten Beschlüsse haben uns zögern lassen, dem vorliegenden Haushalt 2025 zuzustimmen. Allein die Sorge, dass sich mit einer vorläufigen Haushaltsführung wichtige Vorhaben verzögern und verteuern würden, lassen die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen mehrheitlich dem vorliegenden Haushaltsplan zustimmen“, erklärte sie. Die kritisierten Beschlüsse waren beispielsweise die Ablehnung des Zuschusses für die AWo („wir hätten uns hier weniger soziale Kälte gewünscht“). Die Streichung der Stelle eines Klimaschutzmanagers („eine verpasste Chance“). Ein kommunales Leerstandsmanagement für Wohnungen. Auch ihr ist klar: „In den Folgejahren … drohen Fehlbeträge in Millionenhöhe und zwingen uns zu klaren Prioritäten.“

Freie Wähler: Dr. Peter Schellenberg

Soll die Stadt austreten aus dem Städtetag? Dies stellte Dr. Peter Schellenberg für seine FWV-Fraktion zur Diskussion. Auch er bezog sich darauf, dass Gesetze von Bund und Land die Städte zur Übernahme von Aufgaben verpflichten, ohne dass es dafür einen Ausgleich gebe. Zur Erfüllung solcher Aufgaben gebe es allein bei der Schüler- und Kinderbetreuung ein Defizit von 16,3 Millionen Euro – fast so viel wie die Gewerbesteuer einbringe. Der Städtetag bewirke dabei nichts – durch einen Austritt ließen sich die 17.000 Euro im Jahr einsparen (was er mit einem Fragezeichen versah). Das Aquasol bringe im laufenden Jahr ein „unglaubliches“ Defizit von vier Millionen Euro. Seite Fraktion setze sich daher für einen Neubau der Bäderlandschaft ein. Positiv bewertete er die Anstrengungen für die Landesgartenschau. „Vielleicht brauchen wir bald zur Müllvermeidung eine Verpackungssteuer, weil sich so viele Tagesgäste in der Kernstadt aufhalten“, merkte er an.

FDP: Daniel Karrais

Selbstkritisch zeigte sich Daniel Karrais, der für die Fraktion der FDP sprach: „Die Zeiten der Steuerrekorde haben uns nachlässig werden lassen, da müssen wir uns alle selbst an die Nase fassen“, sagte er. Und jetzt: „Wir können nicht einfach die Bazooka glückloser Bundeskanzler rausholen.“ Standards seien hochgeschraubt worden, Geld war ja da. Und dann seien noch die „höheren Ebenen“, er meinte damit Bund und Land, die den Städten und Gemeinden immer weitere überbordende Aufgaben aufgebrummt hätten, „ohne die Zeche am Schluss zu bezahlen“. Er forderte daher von seinen Ratskolleginnen und –kollegen, freiwillige Aufgaben zu hinterfragen – und: Bis 2025 jede fünfte Stelle in der Verwaltung abbauen. Die Schaffung neuer Stellen solle künftig eine Zweidrittel-Mehrheit im Rat brauchen. Zu der Stellenstreichung des Klimaschutz-Managers meinte er: „Denn wir haben schlichtweg kein Geld mehr für Wahlkampfgags eines Oberbürgermeisters.“

Dieser merkte dazu nur an, es sei guter Brauch, die Haushaltsreden nicht zu kommentieren.

Abstimmung

Bei der finalen Abstimmung über den Haushalt gab es eine Gegenstimme, nämlich die von Gabriele Schneider (Grüne).

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Wolf-Dieter Bojus

... war 2004 Mitbegründer der NRWZ und deren erster Redakteur. Mehr über ihn auf unserer Autoren-Seite.

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