8941. So viele Kleidle sind in Rottweil zugelassen, haben es durch den Narren-TÜV geschafft, sind ein Original Kleidle mit Brief und Plakette. Plus die Sonder- und Einzelfiguren ist die Zunft jetzt bei annähernd 9000 Narrenkleidern angelangt. Und das, obwohl etwa magentafarbene und aus Alcantara gefertigte Federahannes abgelehnt worden sind. Diese Zahlen hat der Zunftschreiber, Frank Huber, bei der Generalversammlung am Freitagabend bekannt gegeben. Klar ist: Es sind viel zu viele Kleidle.
Kein Blatt vor dem Mund, eher vielleicht so etwas wie Schaum: Wenn Markus Schellhorn das Wort ergreift, dann darf die Zuhörerschar Klartext erwarten. Wie diesen: „Wir haben 500 Mitglieder, die sich interessieren und engagieren. Und wir haben 6000 Mitglieder, denen das hier scheißegal ist. Die wollen nur am Narrensprung teilnehmen.“ Schellhorn ist der ehrenamtlich tätige Zunft-Jurist, kann sich auch gewogener ausdrücken, mochte das am Freitagabend, zu vorgerückter Stunde, aber nicht mehr. Das Weizenbier war gerade ausgegangen, die Diskussion lief dafür auf Hochtouren.
Es ging da bei der Generalversammlung um die Rechte der künftigen aktiven und passiven Vereinsmitglieder der Narrenzunft Rottweil. Die sich kaum unterscheiden, weswegen einige im Rund die Unterscheidung nicht verstehen wollten. Passive Mitgliedschaft ist einfach billiger, dafür gibt es aber auch kein Stimmrecht bei der Versammlung. Das war’s auch schon. Und es ging bei der Diskussion darum, ob die Generalversammlung künftig den Vorstand wählen soll oder der Ausschuss. Letzteres wollte die Zunftführung, scheiterte aber.
Was Schelhorn auch sagte und meinte: Wenn die Zunft beispielsweise nur die gut 250 Mitglieder hätte, die an der Generalversammlung teilnehmen, wenn sie auch nur ein paar hundert Narren hätte, die bei den Sprüngen mitmachen, dann wäre die Rottweiler Fasnet eine andere. Eine bessere. Eine viel, viel bessere.
Schon eingangs der Versammlung richtete Zunftmeister Christoph Bechtold einen Appell an alle Menschen außerhalb Rottweils und seiner Teilorte und außerhalb Zimmerns ohne Teilorte. Und in Neufra und Zepfenhan, weil die eigentlich eine eigene Fasnet haben: „Die Menschen sollten sich wieder auf ihre Dorfgemeinschaft besinnen und dort ihre Fasnet feiern“, so der Narrenmeister. „Weder für die Rottweiler Fasnet, noch für die Gemeinden ist es gut, wenn alle hier narren.“
Die vielen tausend aktiven Sprungteilnehmer, um mal ein Synonym für „Narren“ zu verwenden, „bringen uns an die Grenzen“, so der Zunft-Vorsitzende weiter. Die echten Rottweiler sollten narren, und zwar „so, wie ihr es gelernt habt“, es nähmen eh zu wenige echte Rottweiler an den Sprüngen teil. Sie überließen das den Dunningern, Vöhringern, Bochingern, beispielsweise.
Das führe zu zweierlei: Dazu, dass nicht mehr richtig genarrt werde – Stichworte: schwarze Schuhe, korrekter Sitz des Narrenkleids, des Kopfstücks und der Accessoires, Larve vor dem Gesicht um unerkannt zu bleiben, jucken, als Weißnarr und Fransenkleidle, wenn der Narrenmarsch ertönt, was er pausenlos tut, während der Sprünge. Dass die Rottweiler Fasnet immer wieder im Verdacht steht, zu einem Schaulaufen zu verkommen, ist bekannt.
Und dann sind da noch die Auswüchse bei der Fertigung neuer Narrenkleider. Ein magentafarbener Federahannes (Bild) sei dem Narrenkleiderausschuss im vergangenen Jahr zur Zulassung vorgelegt worden, so Zunftschreiber Huber. Was zwar inakzeptabel, aber noch erträglich gewesen sei. Vollends von der Rolle seien die Mitglieder des Narren-TÜVs aber gewesen, als ein Bewerber einen ganz neuen Stoff vorgeführt habe. Huber: „Während 2542 Federahannesbesitzer dem Kleidleausschuss einen Kord-, Wollstoff oder Rupfen vorlegten, zog unser Bewerber etwas anderes aus seinem Wäschekorb. Zu sehen bekam unser Abnahmeteam einen auf Polyester und Polyurethan basierenden Mikrofaservliesstoff, der handelsüblich unter die Namen Alcantara erhältlich ist.“ Alcantara – daraus mache die Autoindustrie Sitzbezüge, Türverkleidungen, Dachhimmel, Armaturenbretter, Hutablagen. „Auf die Nachfrage unseres sichtlich erblassten Abnahmeteams, wie er denn auf die Idee gekommen wäre, erklärte unser Alcantara-Narr: ‚Der Stoff fühlt sich sehr weich an. Er ist anti-statisch, strapazierfähig, atmungsaktiv, elastisch und allergieneutral. Außerdem bietet er nahezu unbegrenzte Möglichkeiten in der Farbgebung und ganz wichtig: Man muss den Stoff nicht putzen, sondern nur kurz ausklopfen.'“ Huber zeigte sich konsterniert: „Was sagt man dazu?“
Alcantara und Magenta: Das seien nur Extreme, „aber die Extreme häufen sich“, so Zunftschreiber Huber. Man gewinne an einem Abnahmetag, „aber nicht nur dann“, den Eindruck, „dass die Spaßgesellschaft in der Fastnacht ihren Erlebnishunger stillen will.“ Das Ziel für die Narrenzunft und der Zunftmitglieder müsse es deshalb sein, „vor allem Kinder und Jugendliche gegen diese Gier kritisch zu stimmen und den Erwachsenen die Bedeutung des nationalen Kulturgutes Rottweiler Fasnet zu vermitteln, so Huber.
Apropos: Der Federahannes bleibt das beliebteste Kleidle, weil es in der Anfertigung das günstigste und im Tragekomfort das leichteste ist. In Zahlen, wie sie das Narrenregister vom 31. Dezember 2018 bereit hält: Eingetragen waren 1132 Biss, 1866 Gschell, 2542 Federahannes und 1551 Schantle. Bei den Hannes gab es laut Huber eine Steigerung von 2011 bis 2018 um 60 Prozent. Bei den schweren und Kraft raubenden Bissnarrenkleidle um – halten Sie sich fest – gerade mal zwei Prozent.
2018 sind 132 neue Kleidle ins Narrenregister aufgenommen worden, berichtete der Zunftschreiber weiter. Diese teilen sich wie folgt auf. 71 Federahannes, 25 Schantle, 27 Fransenkleidle, fünf Gschell und vier Biss.
Damit steigt auch die Zahl der Mitglieder – bisher und noch dieses Jahr gilt ja die Regelung, dass, wer eine Narrenkarte zur Sprungteilnahme erwirbt, zugleich Mitglied der Narrenzunft ist. 2016 waren das noch 5700, 2017 schon 6300 und 2018 6500. Erkennbar: Ein Schub durch den Narrentag 2017. Aber ein weiter anhaltendes starkes Interesse, dabei zu sein.
Einen freut das allerdings: den Zunftsäckelmeister, den Kassier, Stefan Roth. Der Mann der 600 Buchungsvorgänge im vergangenen Jahr. Einem normalen, einem ohne Narrentag. Er hat ein Plus erwirtschaftet: 7100 Euro. 99.500 nahm die Zunft ein, 92.400 gab sie aus. „Ich bin vielleicht der einzige, der sich über die vielen neuen Narrenkleider freut, aber die bringen Geld in die Kasse“, sagte die „Scheckbuchbarbie im Baurakittel“, wir Huber Roth frech und zur Freude der Zuhörer nannte.
Hinweis: Die NRWZ wird in wenigen Tagen noch den Rückblick von Zunftschreiber Huber in voller Länge veröffentlichen. Da lohnt die Lektüre, das sei schon verraten.