Die Möglichkeit der Reaktivierung der Bahnstrecke Balingen-Schömberg-Rottweil soll geprüft werden. Laut einer Studie besteht ein „hohes Nachfragepotenzial“. Doch auch ein Regiobus sei weiterhin denkbar.
„Die Stilllegung der Bahnlinie Balingen – Schömberg – Rottweil im Jahr 1971 halte ich für den größten Fehler in der Vergangenheit. Nun haben wir die Chance, diesen Fehler zu korrigieren“, sagt Balingens Grünen-Stadtrat und Landtagskandidat Erwin Feucht im Gespräch mit dem ZAK. Damit spricht er die vom Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg im vergangenen November vorgestellte Potenzialanalyse zur möglichen Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken im Land an.
Das Karlsruher Verkehrsplanungsbüro PTV Transport Consult GmbH hatte sich im Rahmen dieser Untersuchung mit 42 deaktivierten Strecken auseinandergesetzt; darunter auch mit der Strecke Balingen-Schömberg- Rottweil. Dieser wurde ein hohes Nachfragepotenzial mit circa 1460 möglichen Fahrgästen montags bis freitags beziehungsweise pro Schultag bescheinigt. Tatsächlich soll die Liste mit sehr hohem Nachfragepotenzial nur um knapp 40 Fahrgäste verpasst worden sein.
Hohes Nachfragepotenzial
Feucht, der sich schon lange für eine Verkehrswende einsetzt, sieht darin die Bestätigung für eine Reaktivierung der Strecke. Auch für Schömbergs Bürgermeister Karl-Josef Sprenger (CDU) verdeutlicht die Studie eine Notwendigkeit eines solchen Projektes „unter Aspekten des Umweltschutzes, der Verkehrsentlastung und der vielfältigen Verflechtung im Schul- und Arbeitsstellenbereich“.
Aber gleichzeitig verweist er auf die Anstrengungen, die damit verbunden sind: „Für eine Reaktivierung der Schiene zwischen Schömberg und Rottweil wäre eine nahezu vollständige Neutrassierung unumgänglich, die sich daran orientieren muss, möglichst viele Fahrgastpotenziale zu erschließen.“
Reaktivierung nicht ohne Hindernisse
Denn nach der Stilllegung wurde der Streckenabschnitt Schömberg- Rottweil entwidmet und abgebaut. Übrig geblieben sind nur noch wenige Bereiche wie etwa die Primtalbrücke, die als Denkmal verblieben ist. Aber auch – nach Protesten – der Abschnitt Balingen-Schömberg. Er dient seit 2002 wieder dem Freizeitverkehr (Rad-Wander-Schuttle) und dem Gütertransport.
Potenzial genug für eine Reaktivierung? Nein, meint die Mehrheit im Rottweiler Kreistag, die sich jüngst gegen eine Machbarkeitsstudie entschieden hat. Sprenger sieht im „ernüchternden“ zweigleisigen Ausbau der Gäubahn einen möglichen Grund für die ablehnende Haltung der politisch Verantwortlichen im Landkreis Rottweil und mahnt: „Ein Projekt der Größenordnung eines Lückenschlusses zwischen Schömberg und Rottweil erfordert ein Zusammenwirken aller Beteiligten.“
Rottweiler Kreistag ist skeptisch
Auf Anfrage verwies Brigitte Stein, Pressesprecherin des Landratsamtes Rottweil, auf die komplexe Thematik einer Reaktivierung, da der Abschnitt Schömberg-Rottweil mittlerweile zum Teil auch mit Wohngebäuden bebaut sei. Bereits 2002 sei eine Machbarkeitsstudie Regional-Stadtbahn Neckar-Alb erstellt worden, so Stein. Die zu erwartenden Investitionskosten seien damals mit rund 58 Millionen Euro ausgewiesen worden, da unter anderem auf der Gemarkung Rottweil ein Tunnelbau notwendig gewesen wäre.
„Das Gremium geht davon aus, dass nach inzwischen rund 20 Jahren mit erheblichen Kostensteigerungen zu rechnen wäre, weswegen die Verwirklichung des Projektes als illusorisch angesehen wurde. Zudem wurde darauf verwiesen, dass selbst der so wichtige Ausbau der Gäubahn kaum vorankommt“, so Stein weiter. Sie betont jedoch, dass zu keiner Zeit ein rein einseitiger Handlungsbedarf beim Zollernalbkreis gesehen wurde.
Stattdessen sei im Kreistag erneut angeregt worden, eine mögliche Einrichtung einer Regiobus-Linie zwischen Rottweil und Balingen nochmals eingehender zu prüfen. Die Verwaltung befürworte diesen Vorschlag.
Regiobus oder Regiobahn?
Auch der Zollernalbkreis sei grundsätzlich daran interessiert, die ÖPNV-Anbindung an den Landkreis Rottweil zu optimieren, betont Pressesprecherin Patrizia Hirt vom Landratsamt Zollernalbkreis. „Wir könnten uns daher weiterhin die Einführung eines Regiobusses vorstellen. Selbstverständlich könnten Regiobus und -bahn später nicht in Konkurrenz treten. Es wäre aber denkbar, mit dem Regiobus zu starten und ihn zu gegebener Zeit von der Bahn ablösen zu lassen. Enorme Vorteile sehen wir nicht nur in einer ‚Einbahnstraße‘ Richtung Rottweil, daher werben wir dort für mehr Weitsicht“, so Hirt.
Das Thema Regiobus zwischen Balingen und Rottweil mit Halt in Schömberg wurde in den vergangenen Jahren immer wieder thematisiert. Realisiert wurde der Vorschlag bislang nicht. So befürchtete damals Monique Adrian, ehemalige Bürgermeisterin Dotternhausens, eine Benachteiligung ihres Ortes, sollte ein Regiobus nur Schömberg als Zwischenhalt ansteuern.
Regiobus muss schnell sein
„Ein Regiobus heißt ja auch Schnellbus, weil er schnell ist. Wenn er in jeder Gemeinde hält – was natürlich wünschenswert wäre – dann wäre er nicht mehr schnell“, erklärt Grünen-Stadtrat Feucht. „Ein Regiobus gewinnt an Attraktivität, wenn ich Strecken zügig überwinden kann.“ Durch die Stellung als Verbindung etwa nach Südeuropa sei eine schnelle Erreichbarkeit Rottweils von großer Bedeutung, betont er.
In dieser Sache sieht Schömbergs Bürgermeister Sprenger die größeren Vorteile in der Reaktivierung einer Bahnverbindung. „Leichter zu realisieren ist aber sicher die Einrichtung des Regiobusses, für die ich seit Jahren gemeinsam mit Landrat Günther-Martin Pauli (CDU) arbeite und werbe.“ In einer mittelfristigen Betrachtung generiere der Lückenschluss zwischen Schömberg und Rottweil auf der Schiene deutlich mehr Vorteile.
Auch im Landratsamt Zollernalbkreis sieht man mehr Vorteile in einer reaktivierten Schienenverbindung, da hierdurch auch eine Lücke im internationalen Fernverkehr geschlossen werden könne, betont Pressesprecherin Hirt.
Machbarkeitsstudie soll in Auftrag gegeben werden
Tatsächlich hat der Kreistag des Zollernalbkreises kurz vor Jahresende die Landkreisverwaltung damit beauftragt, eine Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Schienenverbindung Balingen-Rottweil zu ordern. Man habe auch bereits ein sehr erfahrenes Unternehmen um ein Angebot gebeten, so Hirt. Um eine Förderung der Kosten hierfür zu sichern, muss der Antrag bis zum 31. Dezember 2021 eingereicht werden. Die Fertigstellung der Studie selbst muss dann innerhalb der nächsten beiden Jahre erfolgen. Auch für eine zügige Umsetzung eines Reaktivierungsprojektes gibt es Fördermittel des Landes.