Mit großer Bestürzung haben wir, die Anwohner und Grundstücksnachbarn, den Bericht über das geplante und nunmehr vom Baurechtsamt genehmigte Wohnbauprojekt an der Rochus-Merz-Straße gelesen. Es ist unfassbar, wie in diesem Artikel der Eindruck erweckt wird, alle Einwände gegen diese hochverdichtete Baumaßnahme seien bloße „alte Störfeuer“ und könnten bedenkenlos beiseite gewischt werden. Diese Aussage ist eine schallende Ohrfeige für alle Bürger und Grundstückseigentümer, die ihre berechtigten Bedenken und fundierten Einwände vorgebracht haben.
Nachstehend einige der triftigen Argumente, die anscheinend ohne ernsthafte Berücksichtigung übergangen wurden:
- Steilhanggrundstück: In angrenzender Nachbarschaft kam es bereits zu Hangrutschen. Das Risiko, das mit einer derart massiven Bebauung einhergeht, kann letztlich nicht sicher abgeschätzt werden. Stattdessen wird versucht, der Rutsch- und Setzungsgefährdung des Teilhanges durch den martialischen Einsatz von100 Bohrpfählen mit Rückverankerung entgegenzuwirken. Enorme Erdmengen werden dem Hang entnommen. Untersucht wurde nur der zu bebauende Teil des Hanges. Dabei beginnt der Hang des Schlossbergs oberhalb
der Ebene der Burg Hohenschramberg und endet im Flussbett der Schiltach. Auch können durch Rutsch- und Setzungsereignisse Schäden an angrenzenden Gebäuden entstehen. An der Aussagekraft des geologischen Gutachten wird nach wie vor gezweifelt. - Städtebaulich ein Fremdkörper: Das Projekt fügt sich für viele Betrachter nicht in die bestehende Struktur des Quartiers und der Nachbarbebauung ein und stört das Stadtbild. Es ähnelt eher einer mehrfach Aneinanderreihung kopierter Baukörper. Von individueller Anpassung an den Hang, wie in den textlichen Begründungen vom 1.9.1986 zum Bebauungsplans erwähnt, ist nichts erkennbar. Es heißt: „Die Bebauung dieser Hanglage bedarf einer individuellen Planung. Hierbei ist besonders auf die topographischen Verhältnisse und die Osthanglage zu achten. Diese Planung muss sehr stark auf diese Gegebenheiten abgestimmt werden. Deshalb dürfte eine Bebauung dieses Hanges mit Fertighäusern ausscheiden.“
Vorgesehen sind Fertighäuser!! - Enorme Verdichtung: Die geplante Bebauung auf dem engen Steilhang ist mit 24 Hauseinheiten überdimensioniert und entspricht nicht mehr den Anforderungen an eine ökologische, nachhaltige Stadtentwicklung. Basis dieser Verdichtung ist ein nicht mehr zeitgemäßer, 37 Jahre alter Bebauungsplan sowie nunmehr erteilte Befreiungen seitens des Baurechtsamtes.
- Berücksichtigung des Klimawandels nicht erkennbar: Das Konzept zeigt kaum Anpassungen an die Herausforderungen des Klimawandels, wie z. B. Hitzeentwicklung oder Wasserableitung. Unseres Erachtens wurden die Lehren aus den immer häufiger auftretenden Unwetterkatastrophen (Erosion, Schlamm- und Schuttströme, Hangrutsche, Felsstürze, Unterspülung, Hangfußerosion und Überschwemmungen) nicht ausreichend gezogen.
- Radikale Rodung des gesamten Baum- und Buschbestandes:
Der Verlust der bodenstabilisierenden Vegetation erhöht die Anfälligkeit gegen derartige Ereignisse. Die vollständige Rodung des überbauten Bauplanungsareals ist demnach aus ökologischer Sicht nicht vertretbar. Zudem entsteht durch die Bebauung eine Barriere für die Frischluftzufuhr aus der Bergregion, was die natürliche Belüftung und Abkühlung der Stadt im Tal negativ beeinträchtigt. - Massive Flächenversiegelung: Diese Maßnahme wird nicht nur die natürliche Umgebung und den Wasserhaushalt im Steilhang belasten, sondern auch die Wasserableitung z. B. bei Starkregenereignissen deutlich verschärfen.
- Leben auf der Treppe: Der historische Bebauungsplan mit jeweils 3 Baufelder für Hausgruppen erzwingt viele Treppen. Gezählt wurden ca. 70 Treppenlagen im Außenbereich. In den Grundrissen leben die Bewohner auf 3 Ebenen. Barrierefreiheit und Mehrgenerationenhaus, – schwierig vorstellbar. Die Wartungs,- Pflege- und Facilitykosten der gesamten Anlage dürften mehr als deutlich zu Buche schlagen.
- Fragwürdiges Park- und Verkehrskonzept: Es ist absolut unklar, wie die geplanten 24 Häuser samt Bewohnern und deren Fahrzeugen verkehrstechnisch an der nur 5 m breiten Durchgangsstraße ohne Gefährdung von querenden Fußgängern und Fahrzeuge eingebunden werden sollen. Zudem verlieren viele der derzeitigen Parker ihre bisherigen Stellplätze zugunsten eines Investors.
- Nachteilige Planung: Durch die 4-fache Höhenstaffelung der Baukörper wird die direkte Nachbarschaft durch Verschattung, Verlust an Privatsphäre und eine drastische Verschlechterung der Lebensqualität massiv beeinträchtigt. Unserer Einschätzung nach verschatten sich die an dem Schattenhang liegenden Baukörper teilweise nach Süden und Südwesten untereinander selbst.
- Vorschriften und Gesetze: Diese Baumaßnahme berücksichtigt unseres Erachtens nicht ausreichend den Schutz nachbarschaftlicher Rechte. Eine juristische Prüfung zur Wahrung der Nachbarschaftsrechte wurde von Betroffenen zwischenzeitlich beauftragt.
- Haltung der Baubehörde: Die wiederholt vorgebrachten Einwände und Widersprüche von Bürgern und mit der Situation vertrauten Anliegern gegen eine massive Hangbebauung wurden und werden anscheinend systematisch ignoriert. Es scheint, dass die Stadt das Grundstück nach mehreren glücklosen Versuchen der vergangenen 37 Jahre, nunmehr und trotz der vielen berechtigten Einwände, endlich bebaut sehen will. Das Wohnprojekt mag sich mit schillernden Begriffen wie „Zero-Bill-Siedlung“ schmücken, doch diese Marketingstrategie darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie nach unserer Ansicht hier ohne ausreichende Berücksichtigung der Interessen von Anwohnern und Umwelt entschieden wurde. Dass die Baubehörde trotz der zahlreichen Einwände und etlicher Befreiungsanträge seitens des Planers, die die Situation noch verschärfen, eine Genehmigung erteilt hat, lässt uns fassungslos zurück. Auch wurden noch keine Kaufpreise für die Hauseinheiten gefunden. Diese dürften auf Grund der besonderen Grundstücksverhältnisse und dem daraus resultierenden Mehraufwand überproportional hoch ausfallen. Vielleicht wurden deshalb auch keine Häuser auf den Immobilienplattformen zum Kauf angeboten, sondern nur das gesamte
Grundstück.
Wäre das Bauprojekt an einem anderen, geeigneten Standort geplant, könnte man seine ökologischen, baulichen Grundsätze, denen es folgt, durchaus würdigen. Zu beurteilen, ob die vermeintlichen Vorteile in einem guten Verhältnis zu den massiven Nachteilen für die Nachbarschaft, die Umwelt und die zukünftigen Bewohner selbst stehen, bleibt dem Leser überlassen. Wir appellieren an alle Interessenten, sich kritisch mit diesem Projekt auseinanderzusetzen. Für weitere Auskünfte stehen die Anwohner und direkten Anlieger gerne zur Verfügung.
Howard Nagel, Schramberg/Düsseldorf