Leserbrief: Soziale Stadt ? Mir gebet nix !
„ Die Stadt Rottweil unterstützt Strukturen der sozialen Sicherheit und kümmert sich um die Reduzierung der sozialen Ausgrenzung. Die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern wird als entscheidender Faktor verstanden und ausgebaut ( z.B. ..Spittelmühle…)“. So steht es in dem vom Gemeinderat beschlossenen Leitbild „Soziale Stadt“.
Nun hat die AWO für einen notwendigen und bereits geplanten Erweiterungsbau einen erst- und einmaligen Zuschuss in Höhe von 85 000 Euro und einen Zinszuschuss für ein Darlehen über 100 000 Euro beantragt. Dieser wurde jetzt, auf Vorschlag des OB, von der Mehrheit des Gemeinderats ebenso abgelehnt wie der Kompromißvorschlag von SPD+FFR über „nur noch“ 60 000 Euro auf drei Jahre verteilt. Die Gesamtkosten betragen für den Erweiterungsbau ca. 1,8 Mio Euro, für darauf folgende Sanierungsmaßnahmen im jetzigen Gebäude noch einmal ca. 800 000 Euro
Auslöser für diese Baumaßnahmen sind unter anderem die steigende Nachfrage in Folge des neuen Gefängnisses, die bisher fehlende Barrierefreiheit und die Notwendigkeit eines räumlich abtrennbaren Frauenbereichs. Die Begründung der Stadt: Wir haben jetzt eine angespannte Haushaltslage und im übrigen ist die Finanzierung eine Sache des Landes und des Landkreises.
Dazu muss man wissen: Land und KVJS haben bereits den höchst möglichen Zuschuss von 730 000 Euro für den Neubau zugesagt. Die Landkreise Rottweil und Tuttlingen beteiligen sich mit 185 000 Euro bzw. 60 000 Euro und werden sich auch an den Finanzierungs- und künftigen Betriebskosten beteiligen. Auch die späteren Sanierungsmaßnahmen werden von beiden mitfinanziert. Der derzeit noch nicht gedeckte Finanzbedarf beim Neubau nur über Kredite zu finanzieren, ist für die AWO nicht darstellbar.
Warum also hält sich die „Soziale Stadt“ eigentlich so bedeckt: Die knappere Haushaltslage kann nicht der alleinige Grund sein. Die Stadt ist seit 2013 schuldenfrei und muss jetzt erstmals in 2025 – u.a. maßgeblich wegen der hohen Investitionen für die Landesgartenschau- wieder Kredite aufnehmen, hat aber auch noch einige Millionen Euro an Rücklagen. Zum andern hat sie beim Kauf des Gebäudes Spittelmühle der AWO in 2022 durch eine falsche Planungsauskunft Mehrkosten in Höhe von 100 000 Euro verursacht, die ihr jetzt bei der Finanzierung fehlen. Die Stadt erhält zudem ab der Inbetriebnahme des Großgefängnisses zusätzliche Finanzzuweisungen vom Land, was bei Vollbelegung des Gefängnisses jährlich netto ca. 500 000Euro€ mehr ausmacht. Da gibt es durchaus einen Zusammenhang mit der jetzt notwendigen Erweiterung der Spittelmühle.
Man fragt sich da als Verantwortlicher der AWO schon, wo hier die Wertschätzung für die zahlreichen, teilweise kostenfreien sozialen Dienstleistungen für die Bürgerschaft bleibt, auch im Vergleich zu zahlreichen Zuschüssen im Bereich der Freizeitgestaltung. Bei der endgültigen Verabschiedung des Haushalts 2025 besteht aber noch die Chance, im Sinne des Leitbildes die bisher mehrheitliche Ablehnung zu korrigieren.
Hans-Peter Faißt
Aufsichtsratsvorsitzender der
AWO Soziale Dienste gGmbH