In einem Leserbrief fordern Rottweiler Bürger, jetzt über ein mögliches Parkhaus am Nägelesgraben zu diskutieren, die für den 25. Oktober geplante Einwohnerversammlung jetzt vorzubereiten. Sie wollen mit ihren Argumenten gehört werden – und kündigen an, notfalls auch ein Bürgerbegehren anzustrengen. Die NRWZ bringt den Leserbrief im Wortlaut.
Reaktionen
Update 29.09.2021, 11.15 Uhr: Es gibt Reaktionen auf diesen Leserbrief. Laut einem der Organisatoren laufen deren Mail-Postfächer und WhatsApp-Chats derzeit mit Nachrichten voll. Das Thema sei nun wieder „aufs Schild gehoben worden, sodass ein weiterer konstruktiver Meinungsaustausch und eine hoffentlich transparente Kommunikationspolitik seitens der Stadt alle Bürger vor dem 25.10. auf den eigentlichen Stand der Dinge bringt.“
Außerdem hat sich Alt-Oberbürgermeister Thomas J. Engeser gegenüber der NRWZ geäußert. Er sagt: „Andere Städte holen zu einer Gartenschau das Grün in die Stadt, Rottweil vernichtet einen der schönsten Innenstadtbereiche zugunsten des Verkehrs und des Parkens. Ob mit diesem Konzept Rottweil heute noch den Zuschlag bekommen würde, ist mehr als fraglich.“ Engeser hofft auf eine Unterschriftenaktion der Gegner der Parkhauspläne.
Als Einzelhändler hat sich Tobias Rützel, Vorstandsmitglied des Rottweiler Gewerbe- und Einzelhandelsverbands, zu Wort gemeldet. In einem Kommentar auf der NRWZ-Facebook-Seite schreibt er:
Das Ziel macht den Unterschied. Gut geschrieben ist er allemal, der Aufruf zum Bürgerbegehren gegen ein Parkhaus am Nägelesgraben.Zunächst muss man unterscheiden, wer welche Zielsetzung verfolgt. Die Stadtverwaltung möchte mit Landesgartenschau, Hängebrücke und Testturm einen Sprung nach vorne als Tourismusdestination machen. Ein Großteil der Bürger und Gewerbetreibenden haben sich dafür ausgesprochen diesen Weg mitzugehen. Nun bedeuten mehr Menschen auch mehr Verkehr, den man jedoch gerne vor den Stadttoren halten möchte, da sind sich wohl auch alle einig.Es geht bei der Planung für das Parkhaus am Nägelesgraben aber gar nicht um die Touristen, sondern um alle übrigen Besucher und Bewohner der Stadt.
Etwas viel Raum nehmen für mich die Unterstellungen gegenüber dem Planungsteam ein, man hätte nicht ausreichend geprüft, man wolle gar keinen Spielplatz mehr an dieser Stelle oder man würde rückwärtsgewandt planen. Nach aufmerksamer Verfolgung der öffentlichen Beratungen ist mir jedoch klar, dass diese Unterstellungen nicht zutreffen und ich rate dazu, den „Eingriff“ am Nägelesgraben, den vielen Aufwertungen gegenüberzustellen, die Rottweil an vielen anderen Stellen erfahren wird.
Hätte man die letzte öffentliche UBV Sitzung zum Thema verfolgt, dann müsste man wissen, dass der Diskurs auch ausreichend geprägt war von Kritik, Änderungswünschen bis hin zur Ablehnung der aktuellen Planung. Ein ordentlicher demokratischer Prozess eben.Wem das nicht genügt, der greift zu weiteren Mitteln, was meiner Meinung nach die Demokratie unnötig infrage stellt, und vor allem kostbare Zeit beansprucht.Das Parkhaus an dieser Stelle pauschal abzulehnen halte ich für zu undifferenziert, da es (auch ohne Gartenschau) zu viele regionale Nutzer aus dem nördlichen Umland geben wird, für die die halb garen Alternativen (vielleicht auch nur subjektiv) unbrauchbar sind. Über ein partielles Absenken der Anlage in den Untergrund könnte man sicherlich reden.
Der überplante Nägelesgraben ist außerdem viel leichter mit Ladestationen und weiterer Mobilitätsinfrastruktur auszustatten als andere Standorte. Diese Stationen werden innenstadtnah gebraucht, denn die Mobilitätswende sieht für mich aktuell so aus, dass immer mehr Individual-Fahrzeuge mit Akku, den Verbrennungsmotor oder das muskelgetriebene Zweirad ersetzen.Ein ÖPNV-Konzept, dass in einer Kleinstadt den Individualverkehr in großen Stücken ersetzt, halten die Planer für wünschenswert, aber auch für utopisch.
Einige „Innovationisten“ glauben heutzutage jedoch an ein schnelles und radikales Ändern der Lebensgewohnheiten ihrer Mitbürger, notfalls mit der „Brechstange“. Die jüngsten Bundestagswahlen haben gezeigt, dass der Wille hierzu – vor allem im ländlichen Raum – noch sehr schwach ausgeprägt ist.
Mein nüchterner Ausblick auf den Herbst wäre also:
• Der Protest wird gehört
• Die Bürger bekommen mehr Informationen
• Der Gemeinderat entscheidet
Mehr braucht es auch nicht.
Tobias Rützel, Einzelhändler
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Mehr InformationenDer Leserbrief
Und hier der Leserbrief: Der Sommer kam in diesem Jahr spät, hat uns aber in den vergangenen Wochen doch noch mit Sonne verwöhnt. Bei dem schönen Wetter hat sich einmal mehr gezeigt, dass der Abenteuerspielplatz im Nägelesgraben ein Magnet für die Kinder aus allen Stadtteilen ist und der Park daneben von den Menschen aus Rottweil regelmäßig für Treffen und Picknick genutzt wird. Und das soll verschwinden? Nein!
Erfreulicherweise hat Oberbürgermeister Ralf Broß am 19. Juli erklärt, dass die Entscheidung für den „Multimodalen Verkehrsknoten Nägelesgraben“ erst nach einer Einwohnerversammlung fallen soll; sie ist für den 25. Oktober angesetzt. Aus unserer Sicht ist es jetzt an der Zeit, diese Diskussion vorzubereiten.
Ein breiter Konsens besteht darüber, den Friedrichsplatz vom Busverkehr zu befreien. (Hoffentlich mit dem Ergebnis, dass er wieder ein Platz zum Verweilen wird!) Der Zentrale Umsteigeplatz (ZUP) soll künftig im Nägelesgraben sein. Soweit nachvollziehbar. Die Dimensionen des geplanten „Multimodalen Knotens“, die getroffenen Annahmen sowie die daraus sich ergebenden Konsequenzen sind es hingegen nicht: Dass wegen der Verlegung von zwei Bushaltestellen ein Verkehrsknotenpunkt inklusive neuem Parkhaus für bis zu 230 Autos entstehen soll, der doppelt so groß ist wie die Obere Hauptstraße, und der grüne Erholungsgürtel Nägelesgraben mit dem stark frequentierten Spielplatz zerstört werden soll, muss und darf nicht sein.
Denn erstens: Alle Bestrebungen der Stadt sollten darauf ausgerichtet sein, in der Zukunft große diesel-betriebene Gelenkbusse, die über weite Strecken des Tages leer sind, durch hochfrequente kleine E-Busse – womöglich sogar autonom fahrend – zu ersetzen. Bundesweit gibt es bereits eine Vielzahl von Städten, in denen dies unter Beteiligung des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen im Modell erfolgreich erprobt wird. Und auch Ralf Broß hat bereits 2018 darüber diskutiert: https://www.rottweil.de/de/Stadt-Buerger/Aktuelles/Stadtnachrichten/Stadtnachricht?view=publish&item=article&id=4057. Damals richtig erkannt: Nachhaltigkeit in puncto Verkehr bedeutet die Vermeidung von Lärm und Emissionen sowie minimale Flächennutzung bei optimaler Kosteneffizienz.
Zweitens: Grundsätzlich gilt, je mehr Verkehrs-Sog durch Individualverkehr – Reisebusse und Pkws – wir in die Stadt bringen, desto weniger Beruhigung werden wir erleben und desto weniger attraktiv ist Rottweil. Einer der wesentlichen Effekte der Landesgartenschau 2028 – „Wir holen das Grüne zurück in unsere innerstädtischen Quartiere und heben urbanes Wohnen im ländlichen Raum auf eine neue Qualitätsstufe.“ – würde so konterkariert.
Drittens: Die zur Diskussion stehenden Pläne lassen die Vermutung zu, dass die Verantwortlichen den Spielplatz am liebsten ganz gestrichen hätten. Bleiben würde lediglich ein Alibi. Das ist eine Geringschätzung von Familie und der nächsten Generation. Unsere Kinder wären einer erheblichen CO2- und Lärmbelastung sowie einer höheren Verkehrsgefährdung ausgesetzt. Wenn wir an den Punkt kommen, „Kinder oder Autos“, dann brauchen wir uns keine Gedanken mehr darüber machen, ob die Rottweiler Innenstadt zukünftig für Familien ein attraktives Zuhause bietet. Dann wird die Kernstadt in wenigen Jahren eine mehr und mehr Unbewohnte sein.
Viertens: Die Corona-Pandemie hat eine Veränderung unserer Arbeitswelt als nachhaltige Folge. Homeoffice wird nicht nur in Unternehmen, sondern hoffentlich bald auch in der Verwaltung zum Standard werden. Damit sind nicht nur die 80 Parkplätze der Stadt im KIK-Parkhaus bei weitem zu viel. Auch das zukünftige, großzügige Parkangebot an der Groß’schen Wiese wird deutlichen Spielraum bieten.
Im Konzept für die Landesgartenschau steht: „Wir leben Bürgerbeteiligung und entwickeln uns durch die Kreativität der Zivilgesellschaft weiter.“ Diesen Ball nehmen wir gerne auf, fordern die Argumente der Bürgerinnen und Bürger aufmerksam zu hören und sorgfältig abzuwägen, und sind bereit, ihnen, wenn erforderlich, mit einem Bürgerbegehren Nachdruck zu verleihen.
Christof und Cornelia Burkard, Uta und Götz-Uwe Feuchter, Frank und Stephanie Huber, Peter und Tina Mentner