(Meinung) Die Kunstaktion auf dem Friedrichsplatz sei „Mist“, war an anderer Stelle in der NRWZ zu lesen. Hier die Gegenposition: Die Aktion ist super – bitte mehr davon!
Worüber reden wir? Am Samstagnachmittag gab es auf dem Friedrichsplatz keine freie Fahrt für den regulären Verkehr. Weil für anderthalb Tage ein farbenfrohes, etwas verrücktes Kunstwerk sowie ein paar Bäume aufgestellt wurden. Und für einen halben Nachmittag Bänke für ein Straßenfest sowie ein paar Stände – vor allem, damit Kinder spielen konnten.
Gegen Abend war das Meiste weg – oder zumindest zur Seite geräumt. Stadtauswärts konnte der Verkehr wieder rollen. Und am Sonntag stellt ohnehin der Rottweiler Volkslauf das Verkehrsgeschehen auf den Kopf. Bleiben letztlich ein paar Stunden Einschränkungen.
Klar, wer eilig einen Parkplatz suchte, den konnte das ärgern. Wer aber dort war, wer erlebte, wie der sonst tote, riesige Friedrichsplatz eine Weile von Leuten, die sich gut gelaunt unterhielten, von Kindern, die fröhlich herumtollen konnten, und von schöner Musik erfüllt war, den konnte das begeistern: Ja, auch so kann dieser zentrale Platz zur Abwechslung mal sein! Nicht so massiv dominiert vom Verkehr. Nicht herabgewürdigt zu einer Durchroll-Zone.
Und schon dafür hat sich diese Kunstaktion gelohnt! Es war richtig und gut, sie zu machen. Schon als Unterbrechung des Immergleichen, der trägen Gewohnheiten. Als Anstupser, um über im Wortsinn festgefahrene Ideen von Stadt nachzudenken. Darüber, wie man Qualität und Attraktivität von städtischem Raum steigern kann. Wie man verschiedene Bedarfe klug ausbalanciert – mit Autos als wichtigem Teil, aber nicht mehr als dem zentralen Taktgeber.
Dass sich etwas ändern soll am Friedrichsplatz, hat der Gemeinderat ja längst beschlossen. Es ist höchste Zeit. Nicht nur, wenn man Debatten zur Urbanistik verfolgt, sondern auch, wenn man in andere Städte schaut – Villingen etwa. Schon die ersten Bäume in der Hochbrücktorstraße haben es doch gezeigt: Wie sehr gewinnt die Innenstadt dadurch! Wie konnte man so lange zugunsten toter Flächen auf diese Lebendigkeit verzichten?
Dass das Forum Kunst nun zu den Überlegungen einen kreativen Impuls beisteuert, ist in jedem Fall ein Gewinn. Ob als Anreger oder Aufreger: Solche Aktionen fördern die kritische – aber bitte auch sachlich, fair zu führende – Auseinandersetzung. Die demokratische Diskussion darüber, wie es weitergehen soll. Damit städtischer Raum beides sein kann: funktional und lebenswert. Bestenfalls sogar liebenswert. Heimat eben.
Kunst muss dabei nicht gefallen. Sie sollte vielmehr Horizonte öffnen. Perspektiven, die über das bloß Rationale, das Messen und Rechnen hinausreichen. Treffend fasst es ein Satz zusammen, der Pablo Picasso zugeschrieben wird: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“. Bei allem, was man auch begründet kritisieren kann: Gemessen an diesem Anspruch ist die Platzhalter-Aktion auf dem Friedrichsplatz ein Volltreffer. Und ein sympathischer Ausweis von Ideenreichtum und Lebendigkeit, der Rottweil gut zu Gesicht steht, ohnehin.
Die andere Sicht auf die Aktion:
Hinweis: In Sachen Kunst versus Verkehr – und vor allem bezüglich der Umsetzung – gehen die Meinungen in der Redaktion der NRWZ diametral auseinander. Das wollten wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, gerne darstellen.
Als Zugezogener, der nicht in der noch elitäreren Innenstadt wohnt, muss ich Begriffe wie Hochbrücktorstraße und Friedrichsplatz immer erst mal in mein Verständnis der Innenstadt einordnen:
Die Hochbrücktorstraße ist also diese wohl im Spagat aus Autoverkehr und allem anderen entstandene, zu Stoßzeiten vielbefahrene Straße. Der, neben der Abschnitte um das schwarze Tor, der doch noch recht einladend und gerade den Umständen entsprechend wohl noch am besten gelöste Eingang zur Innenstadt. Da wo ich manchmal durch muss, manchmal aber auch freiwillig bin.
Aber was ist dann der Friedrichsplatz? Wo ist da irgendwo ein Platz? Die Fußgängerzone unterm Schwarzen Tor kann ja nicht gemeint sein. Und weiter unten oder sonst wo, hat Rottweil doch gar keinen “Platz”?!
Nach kurzem Blick auf die Karte stellt sich raus, der “Platz” ist das tote und vollkommen unnütze Asphaltmeer direkt nachdem der Durchgangsverkehr zum Testturm fährt. Das was ich als Fußgänger meide. Das, was ich als gezwungener Autofahrer, dank der Kreuzung als Ende des ewigstockenden Verkehrs willkommen heiße. Und das wo, wie üblich als radelnder Rottweiler, mal wieder abrupt die siebziger-das-Auto-wird-uns-alle-erlösen-Infrastruktur beginnt.
Ich war gestern Abend zufällig dort. Klar, das was ich gesehen habe war ein bisschen hemdsärmelig. Ein bisschen armselig. Aber die Stadtplanung darf nicht stehenbleiben. Rottweil hat mit der Königstraße, den Namen kenne ich wie eine Drohung, schon genug toten Verkehrsraum der die Stadt durchschneidet. Hinzu kommt die heute übliche, moderne Zersiedelung in immer neue Einfamilien-Neubaugebiete, inklusive aller Nebeneffekte.
Klar mag das schön sein ohne Verkehr auf Friedrichsplatz und meinetwegen auch Hochbrücktorstraße. Es ist aber nicht mehr als ein feuchter Traum.
Es ist aber höchst unanständig, Rottweil und Villingen in einem Atemzug zu nennen.
Rottweil ist nicht mit Villingen vergleichbar. Das geht nicht. Wo ist der Rottweiler Innenring? Wo ist der Rottweiler Außenring? All das hat Villingen und nur dadurch lässt sich das Hauptstraßenkreuz sperren.
In Rottweil geht das NICHT. Nicht für „nur wenige Stunden“ und nicht für immer. Außer Rottweil will nun ganz tot sein.