(Meinung). Alle wollen raus. Und zum Friseur. Einkaufen gehen. Und wieder voll arbeiten, Geld verdienen, zum Überleben. Von Lockerungen ist die Rede – und dann steigt die Corona-Infektionsrate im Landkreis Rottweil erneut. Ausgangsbeschränkungen drohen wieder. Die Reaktion einiger: „Die Zahlen stimmen gar nicht!“ Die NRWZ ist dem nachgegangen und hat das Landratsamt um Stellungnahme gebeten.
Nutzer 1: Das Robert Koch-Institut (RKI) bestätigt, dass ein Infizierter, der nachgetestet wird und noch immer infiziert ist, als weitere Person gezählt wird. Fragt sich nun, über wie viele Personen spricht man tatsächlich?
Nutzer 2: … mindestens 30 weniger. Hier werden Entscheidungen ganz hochnäsig getroffen, ohne mit allen Beteiligten zu sprechen. Weil das Landratsamt sich eben nichts sagen lässt. Und an nichts Glaubt, egal was man denen vorlegt. Auch das Gesundheitsamt kocht da eigenes Süppchen. Anstatt hier am eigenen Strang zu ziehen, werden hier eigenmächtige Entscheidungen getroffen. Und der Wert stimmt dann trotzdem nicht.
Nutzer 1, auf Nachfrage: Diese Info stammte letzte Woche von der Ärztin Katrin Kessler. Sie berief sich auf Mailverkehr mit dem RKI. Heute hat sie ihre Aussage korrigiert bzw. ergänzt. Es gibt nach ihren Recherchen Gesundheitsämter, die mit einer Software arbeiten und abgleichen können, andere die diese nicht haben bzw. nicht benutzen bzw. keine Zeit zum Abgleichen haben. Das heißt, die einen melden korrekt eine Person und die anderen melden eine Person mehrfach.
Quelle: Facebook-Seite der NRWZ
Einleitender Gedanke
Zunächst einmal eine persönliche Einschätzung: Die Leute auf dem Gesundheitsamt, die Mitarbeiter in den Behörden und Rathäusern, die Politiker, sie alle sind Menschen wie Du und ich. Sie wollen auch raus, ausgehen, andere treffen, frei sein. Sie haben keinen Grund, uns zu drangsalieren, treffen sie sich mit den von ihnen angeordneten Einschränkungen doch auch selbst. Das mal als einleitender Gedanke. Nein, hier wollen keine Könige ihre Macht demonstrieren, wie auch auf der NRWZ-Facebook-Seite und anderswo zu lesen ist.
Aber vielleicht sind sie ja einfach zu blöde, die ihnen gestellte Aufgabe korrekt zu erledigen. Die Mitarbeiter etwa im Rottweiler Gesundheitsamt. Das ist, überspitzt formuliert, was ihnen aktuell entgegenschallt, wenn es heißt, Ausgangsbeschränkungen seien wieder „in Abstimmung“, nachdem die 7-Tages-Inzidenz steigt. So sollen sie zu oft auf Corona testen, sollen positiv getestete Personen doppelt zählen und auf Basis des so erlangten falschen Ergebnisses Verordnungen erlassen.
Dem wollen wir, nun mit Fakten, nachgehen.
Insider berichtet von Doppelzählungen und ausgesetzten Tests
So hat die NRWZ eine Nachricht eines vermeintlichen Insiders erhalten, der auch auf den regionalen Facebook-Seiten fleißig kommentiert. Er schreibt: „Ich kenne auf dem Krankenhaus sehr viele Menschen. Die wurden … doppelt gezählt. Und zwar … durch das Gesundheitsamt. Wie Sie wissen, war ja bereits ein Thema vor drei Wochen, dass ja 55 Mitarbeiter positiv getestet wurden. Diese 55 Mitarbeiter hatten bis zum 21.02 Quarantäne. Seit dem 21.02 waren diese arbeiten und wurden ja wieder fleißig getestet. Letzten Freitag wurden dementsprechend wieder 30 von ihnen positiv getestet. … Sind somit leider mindestens 30 Personen in Landkreis doppelt aufgenommen.“
Dann soll das Rottweiler Gesundheitsamt also etwa einen fiktiven Karl Müller doppelt an das Robert Koch-Institut melden? „Das RKI bekommt ja die Zahlen anonym von den Gesundheitsämtern. So werden auch wie in meinem Fall, Personen eben doppelt erfasst“, behauptet unser Leser und verbreitet diese These munter.
Auf diese Weise sollen laut dem vermeintlichen Insider die Infektions-Zahlen gewissermaßen aus, nennen wir es: Unbedarftheit der Zuständigen im Gesundheitsamt hochschnellen?
Interessant: Zugleich soll das Gesundheitsamt, um den so entstandenen Fehler wieder einzudämmen, die Corona-Tests im Rottweiler Krankenhaus ausgesetzt haben. Erklärt derselbe Insider. Das ließ sich rasch widerlegen: „Klar werden wir noch getestet. Wer erzählt denn so was? Ich war heute beim Abstreichen…“, schreibt uns auf Nachfrage eine Sprecherin der Helios-Klinik. Sie ergänzt: „Wir hatten vom Freitag wieder rund 20 fraglich Positive, mit sehr hohen CT-Werten und zum Teil einem negativen Wert und einem Positiven. Alle symptomlos.“
Behauptungen, die Leute auf dem Amt könnten nicht rechnen oder/und hätten die einfachsten Zusammenhänge nicht auf dem Schirm gibt es zuhauf. Hier ist so eine: „Rennt weiter mit ner laufenden Nase und bissle Schnupfen zum Testen und lasst euch weiter verarschen dann braucht man sich nicht zu wundern, wie solche Zahlen zustande kommen. Zieht man mal die falsch positiven ab und macht wieder so viele Tests wie vor 14 Tagen dann sind wir gleich wieder unter 50.“ Und daraus die Konsequenz: „Also langsam haben Leute wirklich Schnauze voll! Ich halte keine Regeln mehr und jeder soll des so machen.“
„Doppelmeldungen gibt es nicht“
Aber jetzt mal Tacheles. Mal die (Achtung: Ironie!) Unfähigen konfrontiert mit ihrer eigenen Blödheit. Die vorgeblichen Doppelzähler aus dem Gesundheitsamt. Die Mail an das zuständige Landratsamt hat einen knappen Tag Laufzeit, bis die Antwort da ist. Man wird erwarten können, dass sie detailliert ausfällt. Und tatsächlich:
„Natürlich werden Menschen auch mehrfach getestet; sie werden aber durch das gesicherte Meldesystem nicht doppelt gezählt.“ Das hält die Sprecherin des Landratsamts Rottweil gleich eingangs fest. Nach ihrer Darstellung werden den Gesundheitsämtern personalisierte positive Labormeldungen vorgelegt. Diese würden dann entsprechend geprüft und anonymisiert an die Landesbehörde, das Landesgesundheitsamt, beziehungsweise das RKI weitergegeben. „Zusätzlich gibt es für jede Testung eine entsprechende Kennung, die dann das Meldesystem (auch beim RKI) als wiederholte Testung erkennen würde“, so die Sprecherin weiter. Die noch mal festhält: „Doppelmeldungen gibt es daher nicht.“
Es sei der Behörde im Übrigen auch bekannt, dass positive Personen bis zu zwölf Wochen positiv getestet werden können. „Und es kann sehr lange dauern, bis etwa der Geschmacksverlust wieder hergestellt ist“, so die Sprecherin des Landratsamts weiter. Sie erklärt: „Falls ein ehemals positiver Mensch erneut positiv getestet wird, erfolgt anhand der Laborbefunde und der Symptomatik eine Abschätzung, ob es sich um eine Re-Infektion oder einfach den Nachweis der noch alten Infektion handelt und ob noch eine Infektiosität beziehungsweise Ansteckungsfähigkeit vorliegt.“ Wichtig: „Diese Fälle fließen aber nicht erneut in die Statistik ein.“
„Insider“ widerspricht dem vehement
Unser Leser widerspricht dieser Darstellung vehement. Er erklärt, dass im Gesundheitsamt offenbar nicht jeder Mitarbeiter mit dem oben dargestellten Prozess vertraut ist. Und macht seinen persönlichen Fall zum Beweis dafür, dass grundsätzlich etwas schieflaufe. So sei seine Frau, eine Krankenhausmitarbeiterin, falsch positiv getestet, dann in Quarantäne und gestern in die sogenannte Pendlerquarantäne gesteckt worden. Sie darf damit wieder im Krankenhaus arbeiten. Ihre Kontaktperson aber verbliebe in Quarantäne, ohne jemals zu einer realen positiven Person Kontakt gehabt zu haben. „Den eignen Pfusch wird niemals jemand zugeben. Das ist leider das Problem“, sagt er.
Versuch einer Klärung
Die Sprecherin des Landratsamts ergänzt: „Es gibt Menschen, die sind erst einmal als Kontaktperson 1 in Quarantäne. Diese lassen sich in dieser Quarantäne oder am Ende der Quarantäne dann testen – was das Gesundheitsamt dringend empfiehlt. Wenn dann natürlich ein positiver Befund herauskommt, ‚wandern‘ diese ‚K1-er‘ dann als Infizierte erneut in eine Quarantäne, eine sogenannte Infektionsquarantäne. Als reiner ‚K1-er‘ fließt man dabei noch nicht in die Infiziertenstatistik, erst nach positivem Laborbefund.“ Und auch damit „erfolgt keine Doppelzählung“.
Abschließender Gedanke
…, der diesen Beitrag schön rund machen würde. Aber diesen abschließenden Gedanken, den gibt es hier nicht. Das wird Facebook wieder erledigen. Weshalb der Autor des Beitrags jetzt mit dem Hund rausgehen wird. Der Gesundheit wegen. Und, weil das Tier heute Morgen schon lange genug gewartet hat.