back to top
...
    NRWZ.deMeinungLeserbriefe"Die Regierenden haben sich verrannt"

    „Die Regierenden haben sich verrannt“

    Artikel
    Kommentare
    Autor / Quelle
    Weitere Artikel
    Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

    Unser Leser Michael Langguth hat unseren Beitrag „Einfach ein Corona-Sonntag“ – in dem es um un- und allenfalls mittelwichtige Ereignisse an einem Sonntag im Jahre 2021 geht – bereits kommentiert. Um seinen Kommentar, der in dem bunten Allerlei auf www.NRWZ.de sonst möglicherweise untergeht, einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, haben sich Langguth und die NRWZ-Redaktion darauf geeinigt, ihn leicht modifiziert als Leserbrief zu bringen. Mit der Vorbemerkung des Verfassers: „Ich weiß ja, dass das die Welt nicht ändert. Aber einfach dasitzen und die Klappe halten kann ich nun mal auch nicht. :-)“

    Inspiriert vom erfrischend anderen Beitrag „Einfach ein Corona-Sonntag“, will auch ich mal meinen Frust von der Seele schreiben:

    Ja, dieses Virus ist ein A…loch. Aber fragt mich nicht, was ich von all denen halte, die unter Anfangs unwissender (schon verziehen), dann nach und nach fahrlässiger (na ja…) und inzwischen m.E. mutwilliger Ignoranz (geht gar nicht) versuchen, dagegen mit zunehmend untauglichen Maßnahmen vorzugehen versuchen.

    Ja, es ist gefährlich. Aber sagt mir bitte, wo auf der „schlimm Skala“ von 0 (Zitat Mr. Spock: Friede und ein langes Leben) bis 10 (großer Meteorit trifft Erde) Corona einzusortieren ist. Und dann bitte, wo die aktuellen und geplanten Maßnahmen auf einer Skala von 0 (jeder nach seinem Gusto) und 10 (alle vorsorglich weggesperrt) einzusortieren sind. Kommt da die gleiche Zahl raus?

    Fakt ist für mich, dass der derzeit verbreitete Paniklevel und die reale Bedrohung nicht zusammenpassen. Und bitte! Steckt mich jetzt nicht in die Gut-oder-Böse-Ecke. Denn die Welt ist nicht schwarz oder weiß. Er ist wirklich schwer festzustellen, auf welcher aller möglichen Graustufen man sich gerade befinde. Denn ich habe keine Lust, den Mist zu bekommen und schon gar nicht, dran zu sterben. Aber deswegen werde ich mich auch nicht einmauern. Also ist es essenziell wichtig, an ehrliche und realistische Informationen zu kommen. Genau das ist aber derzeit schwierig. Die Informationen in Form der rohen Zahlen sind in ordentlichem Umfang aus offiziellen Quellen wie dem RKI verfügbar. Allerdings muss man schon halbwegs fit in Statistik und/oder Excel sein, um sie sich zu erschließen.

    Genau das ist aber nicht jeder. Und da wird meiner Meinung nach seit einiger Zeit der Hebel angesetzt. Es soll ganz offenbar nicht leicht sein, an eine realistische Einschätzung zu kommen. Wer will das nicht? Warum? Weiß ich nicht. Eine Verschwörung? Sicher nicht. Denn hinter einer Verschwörung müsste doch jemand stecken, der einen Plan hat. Aber genau das traue ich derzeit leider keinem zu…

    Zum Warum hätte ich eine Idee: Meines Erachtens haben sich die Regierenden verrannt. Bitte begeben Sie sich mal in eine gefühlte Flughöhe von 10.000 m und schauen Sie runter. Ist es nicht komisch, dass eine Speisegaststätte, in der sich Leute gemäß Hygienekonzept für ein bis zwei Stunden unter öffentlicher Kontrolle (jeder kann hereinschauen) aufhalten würden und deren Wirt durch die Schließung in seiner Existenz bedroht wird (90 Prozent der Fixkosten und für seine Krankenversicherung darf er Hartz IV beantragen) geschlossen wird und Veranstaltungen von religiösen oder Weltanschauungsgemeinschaften, welche sich über viele Stunden ohne jegliche Kontrollmöglichkeit hinter verschlossenen Türen treffen und bei deren vorübergehender Schließung keiner in wirtschaftliche Nöte geraten würde, offen sind? Gefühlte 1000 Beispiele könnten folgen. Freibad 2021? Ich will’s gar nicht hören…

    Es war schon vor einem Jahr offensichtlich, und dazu genügt wirklich der leider inzwischen verpönte, gesunde Menschenverstand, dass das Risiko im Freien (Rumknutschen im inzwischen leider viel zu lichten Rottweiler Schulwäldle mal ausgenommen) gegen null geht. Trotzdem hat unsere Landesregierung bereits Mitte Oktober die „höchste Pandemiestufe 3“ ausgerufen und beschlossen, selbige mit einer Maskenpflicht auf Parkplätzen und an Bushaltestellen entschlossen zu bekämpfen. Ganz ehrlich: Nach Monaten der Unsicherheit war das für mich der Tag, an dem sie mich endgültig verloren hatten. Denn sie wissen nicht, was sie tun. Ich dachte einfach eine Weile „Die sehen das realistisch, müssen aber den Überängstlichen zeigen, dass was getan wird“. Aber nein, das war deren Ernst: Alles Mögliche verbieten, von dem das Wenigste was bringt, und an anderer Stelle wegschauen.

    Und wenn ich dann die Begründung höre: „Man kann nicht sicher ausschließen, dass sich nicht doch jemand anstecken könnte.“ Aufwachen! Raus aus der Vollkaskomentalität! Das Leben ist voller Risiken und die Kunst ist es, diese richtig einzuschätzen. Mir diese Einschätzung durch seriöse und transparente Information zu ermöglichen und mich bei der Bewältigung des verbleibenden Risikos bestmöglich zu unterstützen ist Aufgabe des Staates. Nicht, mich in Watte zu hüllen.

    Drin, bei privaten Kontakten, passiert das meiste. Das ist doch klar, Innenraum, kein Hygienekonzept und keiner guckt zu. Lieber Staat: Willst Du Infektionen vermeiden? Dann setz‘ genau da an. Das ist unbequem, unpopulär und macht Ärger. Aber: Wenn ich wirklich möglichst viele Leben retten will, muss ich das tun, was nötig ist. Dazu gehört andersrum aber auch, die Leute mitzunehmen. Und wenn jetzt, zwölf Monate später, auch die Aerosolforscher darauf hinweisen, dass der ganze Mist im Freien Grütze ist, dann muss man da eben dran und die unsinnigen Restriktionen im Freien aufheben. Die Leute werden es damit danken, dass sie eher bereit sind, den Rest einzuhalten.

    Die Ausgangssperre. Ja, ich verstehe, dass die Begrenzung der problematischen, privaten abendlichen Kontakte am einfachsten zu überwachen ist, in dem man schon die Fahrt von A nach B verbietet. Aber kann ich von einem Staat, der meinen Grundrechten (oooh – jetzt habe ich das Unwort des Jahres in den Mund genommen) verpflichtet ist, nicht erwarten, dass er sich dann halt etwas mehr Mühe gibt und hinterfragt, wo die Leute hinfahren? Ich bin mir sicher, dass Polizei und Presse da eine Art der Zusammenarbeit finden würden, in der ein paar „spektakulär“ überführte, illegale Besucher in einer Weise kommuniziert würden, dass es abschreckend wirkt. Bin ich zynisch? Nein, ich meine das wirklich so. Natürlich ist es nicht gut, wenn zehn Leute in einer 60-Quadratmeter-Wohnung stundenlang Aerosole austauschen.

    Aber warum um alles in der Welt soll ich, wenn es mir danach ist, nachts nicht eine Runde spazieren gehen oder -fahren dürfen. Ich habe das schon ewig nicht mehr gemacht und es auch grad‘ nicht unbedingt vor. Führe derzeit ohnehin ein ziemliches Einsiedlerleben. Aber sollte ich es mir anders überlegen, will ich das tun dürfen. Das ist Freiheit. Und wer mir die verbieten will, den soll der sprichwörtliche Blitz beim Sch… treffen! Muss ich mir jetzt echt deswegen noch einen Hund zulegen?

    All das ist nach meinem Verständnis das, was ein großer Teil der Demonstranten derzeit zum Ausdruck bringen will. Nicht alle. Ein Teil sich sicher Leute, die die Demos für Ihre Zwecke gehijackt haben. Zugleich der Teil, auf den sich große Teile der Presse mit Begeisterung stürzen. Aber die überwiegende Mehrheit, die da auf die Straße geht, sind erschreckend normale Leute, die ungefähr das zum Ausdruck bringen wollen. Dummerweise wird diesen Roman in 10-Punkt Schrift auf einem Plakat herumgetragen keiner lesen. Also müssen da eher einfach gestrickte Schlagworte wie „Freiheit!“ stehen. Aber deshalb die Demonstranten zu verurteilen, zu belächeln und als wasweißichwas beschimpfen? Nein, das kann es auch nicht sein. Nochmal: Jeder Tote ist einer zu viel. Menschenleben und Zahlenspiele passen nur schwer zusammen. Aber was ist die Konsequenz daraus? Und wie soll dann die Zukunft aussehen? Sagt es mir, denn ich weiß es nicht.

    Erst sollten wir die Kurve flach zu halten, um die „Alten“ zu schützen. Hat so leidlich geklappt. Jetzt sind die Senioren weitgehend durchgeimpft und natürlich (!) steigt damit im Verhältnis der Anteil der jüngeren an der Inzidenz. Dieser „böse Fakt“ ist einfach zwangsläufig und sollte nicht zur Panikmache missbraucht werden. Wir testen mittlerweile viel. Das ist gut und richtig so. Aber dann muss einfach auch klar sein, dass ein Teil der Inzidenz auf Fällen gründet, die vor einem Jahr noch unerkannt geblieben wären und eine zweiprozentige Quote falsch positiver Antigen-Tests (sage nicht ich, sondern das RKI für den Fall, dass überwiegend Gesunde getestet werden) ganz normal ist. Das muss bei Bewertung der Inzidenz im Vergleich zu vor einem Jahr, als die Zahl 50 aufkam berücksichtigt werden. Und auf einmal sind auch Kinder besonders stark betroffen. Natürlich ist daran die britische Mutation schuld und nicht die Tatsache, dass wir komischerweise kurz vor dieser Erkenntnis damit angefangen haben, die Schüler großflächig zu testen. Auch (k)ein Grund zur Panik.

    Apropos RKI: Am 26.3.2021 hat das RKI eine Inzidenz von 220 bis über 500, im Mittel 350 für Woche 15, also die zu Ende gegangene Woche vorhergesagt. Wir haben heute, in Woche 16, 165. Zur Erinnerung: Die Verschärfung der Maßnahmen (Osterlockdown), die auf Basis dieser Zahlen hätte erzwungen werden sollen, ging ja in die Hose. Das ist meines Erachtens das Interessante an der aktuellen Blockadesituation in der Politik: Man kann dieses Mal nicht sagen „Nur, weil wir diese oder jede Verschärfung auf den Weg gebracht haben, kam es nicht so schlimm“. Es kam ganz von selber nicht so schlimm, weil zumindest dieses Mal die Prognose definitiv überzogen war.

    Meine Meinung: Die Maßnahmen und Hygienekonzepte für Innenräume, die letztes Frühjahr umgesetzt wurden, plus Abstandsregel im Freien wären völlig ausreichend. Maskenpflicht dort, wo viele Leute, wenig Luftaustausch und -volumen und längerer Aufenthalt ohne Ausweichmöglichkeit in Innenräumen zusammenkommen. Konzentriert die Kräfte darauf, das zu vermitteln und durchzusetzen. Schürt nicht ständig Panik, um immer wieder aufs Neue verschärfte Maßnahmen durch-, anstatt die bestehenden umzusetzen.

    Jetzt der Bogen zurück. Das hat man nicht getan. Man müsste jetzt ehrlich sein und zurückrudern. Also einen Fehler zugeben. Ich wäre der allerletzte, der damit ein Problem hätte. Denn das zu tun wäre wahre Größe. Zumal wir in einer Situation sind, in der keiner alles auf Anhieb richtigmachen kann. Daher ist ein gewisser Zickzack-Kurs unvermeidlich. Die Anlaufprobleme bei der Impfung? Geschenkt! Jetzt kommt’s ans Laufen. Auch die LKW-Maut hat eine Weile gebraucht und funktioniert jetzt.

    Was ich aber nicht verzeihe ist, dass nach meiner Wahrnehmung mittlerweile die Situation bewusst schlechter dargestellt wird, als sie ist. Nur weil man nicht bereit ist, zuzugeben, dass man sich, zweifellos in der Absicht, das Richtige zu tun, verrannt hat. Stopp – bevor mich jetzt einer einen Unmenschen nennt – sie ist nicht gut. Aber denkt an die 0-10 Skala.

    Es gab mal ein Deutschland, das in dem ich aufgewachsen bin, in dem die Regierung den Bürgern die Fakten aufbereitet und erklärt hätte. Der Staat informiert euch. Er sagt euch, wie ihr euch schützen könnt. Er sagt aber auch, dass es Lebensrisiken gibt, welche man unter Abwägung aller Interessen leider nicht zu 100 Prozent ausschalten kann. Den fünf bis zehn Prozent, die sich nicht selbst schützen können, wäre er zur Seite gestanden. Aber nicht 30 bis 40 Prozent und schon gar nicht allen, die nicht rechtzeitig auf den Bäumen sind. Er hätte sicher trotzdem Clubs schließen, Großveranstaltungen in Innenräumen begrenzen müssen und weiteres. Vor allem aber hätte er dafür nicht alle anderen eingesperrt und nicht diejenigen, die zuvor seine Hygienevorschriften umgesetzt haben, über ein halbes Jahr lang geschlossen. Und ganz sicher hätte er nicht die „Leute, die dieses Land aufgebaut haben“ in ihren Heimen eingesperrt und dort nach zweimaliger Impfung mutterseelenallein verrecken oder auch nur wertvolle Tage ihrer verbliebenen Lebenszeit so zubringen lassen.

    Irgendwann in den letzten zehn bis 20 Jahren Jahren ist mir dieses Deutschland leider verloren gegangen. Vielleicht hatte ich ja auch nur davon geträumt…

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Diskutieren Sie mit!

    Hier können Sie einen Kommentar zu unserem Artikel hinterlassen.

    12 Kommentare

    12 Kommentare
    Neueste
    Älteste Meist bewertet
    Inline Feedbacks
    Alle Kommentare anzeigen
    Klaus Ulrich
    Klaus Ulrich
    3 Jahre her

    Chapeau! Super Leserbrief!
    Hätte es nicht treffender formulieren können!

    Ulrich Straub
    Ulrich Straub
    3 Jahre her

    Viele Politiker und Entscheidungsträger befinden sich im „coronafähigen“ Alter, d.h. zu einer höheren Risikogruppe! Vielleicht ist dies auch ein Grund für die zum Teil absurden und nicht nachvollziehbaren Verordnungen! In meinen Augen haben Epidemiologen genauso recht wie die Vertreter der Wirtschaft! Die Aufgabe der Politik sollte die Suche nach der Lösung mit den geringsten Kollateralschäden haben, sehe aber ein Versagen in dieser Disziplin! Durch fragwürdige Maßnahmen werden selbst verständnisvolle Menschen zu Kritikern!
    Was die Teilnehmer der Demonstrationen angeht bin ich allerdings anderer Meinung! Die Mehrheit würde ich nicht bei den normalen Zweiflern verorten, sondern bei den immer Unzufriedenen, denen man es eh nicht recht machen kann! Von dem zum Teil geschichtsrevisionistischen Aussagen ganz zu schweigen!

    Michael Langguth
    Michael Langguth
    Antwort auf  Ulrich Straub
    3 Jahre her

    Das Alter mag mit reinspielen. Wobei z.B. die Vertreter der Grünen nicht unbedingt für coronafähiges Alter stehen, dort aber eher nach „verschärfen“ gerufen und Palmer obendrein als Teil des Problems wahrgenommen wird. Auf unseren Landesvater trifft jedenfalls beides zu und dementsprechend wurde ja auch schon in den Raum gestellt, dass wir 1h früher als der Bund ins Bett gehen werden. 21:00? Da scheint in 4 Wochen ja noch die Sonne!

    Zu den Demos: Klang vielleicht anders, aber ich habe mich bisher noch nicht aufgerafft, selbst dabei zu sein. Versuche mir aber ein Bild zu machen anhand von Fotos oder Kameraschwenks, die eher weitwinklig über die Masse gehen. Nicht nur auf Plakate und Fahnen achten, sondern auf die vielen unauffälligen Leute dazwischen. Auch die Polizei wird Ostern in Stuttgart nicht kollektiv zu Sympathisanten mutiert sein. Sie hat halt nicht das getan, was aus manchen Kreisen politisch von ihr erwartet wurde. Die Politik sollte das Ohr an der Basis haben. Die Polizei dagegen ist zwangsläufig täglich mit allen Sinnen an der Basis. Vorausgesetzt, die Polizei hat nur die geltenden Gesetze und keine weitergehenden, politischen Weisungen zur Vorgabe: Wessen Einschätzung der Lage vertaue ich jetzt eher?

    Dem Verweis auf die „immer Unzufriedenen, denen man es eh nicht recht machen kann!!“ folge ich nicht. Sie reden selbst von „zum Teil absurden und nicht nachvollziehbaren Verordnungen“. Lesen Merkel, Kretschmann & Co., was wir hier schreiben? Nein. Das hilft nur mir selbst. Allenfalls kann einen Leser der ähnlich denkt zu einem „seh‘ ich auch so“ animieren. Menschen auf der Straße werden aber wahrgenommen. Sie sind ein schwer zu verbergendes „Problem“. Eines, dass man noch dazu den Daheimgebliebenen in einer Weise erklären muss, damit diese auch künftig dort bleiben. Das klappt am besten, wenn man sie in eine Ecke stellt, die Pfui ist. Nochmal: Da sind sicher genügend bei, die in diese Ecke passen. Und es gibt die „immer Unzufriedenen“. Aber die Mehrheit? Nein, das glaube ich nicht.

    Es läuft mir wirklich kalt den Buckel runter wenn ich sehe, wie genau das, wogegen demonstriert wird erfolgreich eingesetzt wird, um Demos zu vereiteln. Ein obergeniales Perpetuum Mobile, oder?

    Noch ein Punkt: Wer im Arbeitsleben steht, muss sich überlegen, wo er gesehen werden will und wo er das, im Interesse der Verantwortung für alle die er ernähren muss, besser vermeiden sollte. Das ist leider so. Also muss dort zwangsläufig ein überproportionaler Anteil derer sein, die diesbezüglich wenig zu verlieren haben.

    Warum bin ich so angefressen beim Thema Corona Demos? Man geht nicht auf die Straße. So bin ich aufgewachsen und die Frage hat sich bisher nie ernsthaft gestellt. Aber jetzt stehen „diese Typen mit ihren Plakaten und Parolen“ auf einmal für weite Teile meiner Sicht der Dinge. Dieser Fall war nicht vorgesehen.

    Tom
    Tom
    3 Jahre her

    Noch deutlicher wird das politische Geeiere, wenn man weiß, was das statistische Bundesamt für Zahlen zur Sterblichkeit für den März 2021 veröffentlicht hat. Im Schnitt 11% unter den Werten der Vorjahre.
    https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/04/PD21_185_12621.html

    Dies ist eine sehr positive Entwicklung und auch sicher einer positiven Nachricht in dieser schweren Zeit wert. Doch in den großen Medien wird davon nicht wirklich berichtet. Es passt auch nicht zur geplanten Verschärfung des IsFG.

    Peter Arnegger (gg)
    Antwort auf  Tom
    3 Jahre her

    Die gute alte Tagesschau hat bsp berichtet: https://www.tagesschau.de/corona-sterbefaelle-maerz-101.html Aber Sie haben recht, darüber kommt wenig.

    Hans Sauer
    Hans Sauer
    Antwort auf  Tom
    3 Jahre her

    Nun mit Zahlen und Statistik ist es so eine Sache. Schon der gute Churchill sagte „trau keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hat. Das Jahr hat 12 Monate und man sollte ein bisschen den Blick weiten. Im Januar 2021 starben über 20.000 Menschen mehr wie im Januar 2020. Im Februar21 waren es 1.200 mehr wie im Feb 20. Im März waren es 6.000 weniger. Das heißt in den ersten 3 Monaten dieses Jahres sind deutlich mehr Menschen gestorben wie in den ersten 3 Monaten des letzten Jahres. Auch das sagen die Zahlen. Die hohen Zahlen aus dem Januar betreffen Menschen 65+, besonders aber Menschen 85+. Man darf hier nicht einen Monat nehmen um daraus einen „Sommer“ zu konstruieren.

    Michael Langguth
    Michael Langguth
    Antwort auf  Hans Sauer
    3 Jahre her

    Churchill hat Recht. Drum stehe ich auch auf Rohdaten und Excel. Ich hatte das auch gelesen, aber wie Sie sagen darf man sich nicht nur die Rosinen aus den Zahlen picken. Trotzdem sollten die guten Nachrichten nicht vor lauter Angst, dass sich deswegen einer fahrlässig vors Haus begibt und sich infiziert unter den Tisch gekehrt werden.

    Wäre doch eine schöner Aufmacher im Schwabo: „Sehen wir Licht am Ende des Tunnels?“ Untertitel: „Untersterblichkeit im März / RKI Prognose zur Inzidenz um 50% unterschritten“: Die Pandemie liegt noch nicht hinter uns aber einige Indikatoren könnten darauf hindeuten, dass es doch nicht mehr so schlimm kommt, wie zuletzt befürchtet. … Dann gerne das berechtigte Mahnen zur anhaltenden Vorsicht in Innenräumen, Vollständige Liste aller Mutationen etc.

    Natürlich würde Lauterbach sofort entgegnen „Der Gegenzug! Es ist der Gegenzug, die Strecke ist eingleisig!“ und die Absetzung des Chefredakteurs fordern. Aber man hätte wenigstens mal einen Stimmungsaufheller gehabt. Und die Leute könnten diese Nachricht sehr wohl einsortieren.

    But: Only bad news are good news.

    Siegfried Spengler
    Siegfried Spengler
    Antwort auf  Hans Sauer
    3 Jahre her

    Beim Vergleich der Sterblichkeit in einzelnen Jahren muss man vorsichtig sein. Halbwegs verlässlich sind Vergleiche dann, wenn man für die vergangenen Jahre Durchschnittswerte ermittelt.

    Im Winter kommen Grippewellen (in 2017/18 geschätzt 25 000 Tote), im Sommer Hitzewellen, die monatliche Ergebnisse gegen Vorjahresmonate stark verändern können und sich auch auf Folgemonate auswirken können.

    zu Hitzewellen hier:

    https://www.aerzteblatt.de/archiv/209155/Uebersterblichkeit-bei-Hitzewellen-in-Deutschland-Zahl-der-hitzebedingten-Todesfaelle-zwischen-einigen-Hundert-und-vielen-Tausenden

    Wenn im Sommer eine massive Hitzewelle geschwächte und moribunde Menschen in großer Zahl dahinrafft, dann muss man fordern, dass in den Folgemonaten die Sterblichkeit sinkt.

    Im Moment haben wir auch die Situation, dass auf Grund der Belegung der Intensivstationen nicht unbedingt notwendige Eingriffe verschoben werden. Diese können durchaus mit erheblichen Komplikations- und damit Sterberisiken einhergehen, was man vorher unterschreibt! Auch scheinen manche Leute Kliniken zu meiden, seit Corona zwickt’s doch nicht mehr so in der Hüfte, und statt Bypass oder neuen Herzklappen doch lieber weiter den Aufzug nehmen…… Und die unverhohlene Werbung für Darmspiegelungen hier vor einigen Tagen sagt auch alles.

    Bei der Beurteilung der Sterblichkeit der Mutanten muss bedacht werden, dass die Qualität der Versorgung nicht in allen Ländern gleich ist, ebenso die Altersstruktur. So ist Brasilien einerseits eine sehr junge Gesellschaft, andererseits ist die Versorgung sehr schlecht, von punktuellen Ausnahmen abgesehen.

    Auffällig sind auch die seit längerer Zeit niedrigeren Zahlen bei Corona-Toten in der Schweiz (ca. 25 bis 50 % zu D), ebenso die relativ wenigen Hospitalisierungen bei sehr hohen Infektionszahlen:

    https://www.covid19.admin.ch/de/overview

    Und das noch einhergehend mit, je nach Kanton, erheblich mehr Öffnungen.

    Es ist also alles etwas kompliziert, weil zu viele Parameter mitspielen.

    Diese ständigen Vergleiche, die sich jeder so zurecht sucht, wie es für seine Argumentation passt, führen nicht weiter.

    Eigentlich geht es darum: Mit so vielen Einschnitten wie unbedingt nötig, aber so wenigen wie möglich, durch die Krise zu kommen, dies bei gleichzeitiger Balance zwischen Opfern der Pandemie und Schäden/Opfern durch die Maßnahmen. Nicht nur ich habe ein Recht auf Leben, sondern Kinder haben ein Recht auf Bildung und damit Zukunft, Gewerbetreibende samt Angestellten ein Existenzrecht. Es geht um Strategien, nicht um Kleintaktik und Zahlenspielerei, und um die Frage, ob man darüber vielleicht noch diskutieren darf, ob lokale Experiment erlaubt werden:

    Erlauben mehr Tests Öffnungen? Das Tübinger Modell soll doch durch Bundesgesetz zerstört werden. Weil es nicht zur von Lauterbach vorhergesagten Katastrophe führte, gilt das Prinzip: Und daraus schloss er messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Die Stadt Tübingen lag zuletzt bei gut einem Drittel der Inzidenz des Landkreises Rottweil.

    Da wurden mit großem Aufwand und vielen ehrenamtlichen Helfern überall im Land kommunale Testzentren aufgebaut, und danach kommt Herr Prof. Drosten und erklärt die Schnelltests für untauglich.

    Um die größten Risiken kümmern, nicht um Nebensächlichkeiten – also um die Ursachen von 0,2 % der Infektionen, Ressourcen nicht verschwenden. Das war die Botschaft der Aerosolforscher. Und dann kommt Herr Dr. Michel und meint, man soll auch da noch eine Maske tragen, wo es nicht vorgeschrieben ist. Sorry, vielleicht auch noch in der Eiger-Nordwand – gut dass die nicht bei uns ist.

    Wenn dieser „maximale Lebensschutz um jeden Preis“ sonst auch so umgesetzt würde, dann müssten wir längst ein Tempolimit nach Schweizer Vorbild haben, die sparen damit außerhalb Corona-Zeiten gegen D mind. 40% Verkehrstote ein. Aber das traut sich nicht mal princess Annalena……

    Ingo
    Ingo
    3 Jahre her

    Mir ist in den letzten 10 bis 20 Jahren vor allem die Solidarität in Deutschland verloren gegangen. Unter allen Generationen. Wenn die Leute mal anfangen würden, nicht immer nur sich als Nabel der Welt zu sehen und sich nicht nach dem Betrachten von ein paar Überschriften und Youtube videos als Experte für hochkomplexe Themen zu überschätzen, dann wäre schon allein der Umgang miteinander erträglicher. Mein Vater meint, es sei eine Folge des Wohlstands. Vielleicht hat er Recht. Uns geht’s wohl zu gut. Denn wir haben Zeit uns tagtäglich mit diesem Corona-Thema auseinander zu setzen und suchen nach plausiblen Erklärungen. Dabei gibt es keine einfachen Antworten. Vor allem gibt es keine Lösung, die es allen recht macht. Fangen wir an solidarisch zu handeln und diejenigen zu unterstützen, die am Meisten darunter zu leiden haben.

    Ein besorgter Mensch
    Ein besorgter Mensch
    3 Jahre her

    Wenn man endlich mal sehen könnte, wie viele Menschen symptombehaftet sind, dann ließe sich das Ganze viel besser einschätzen. Die Symptomlosen werden das Krankenhaus oder eine Intensivstation ja nicht zu Gesicht bekommen und somit das Gesundheitssystem nicht überlasten.
    Letztes Jahr um diese Zeit wurde man nur mit Symptomen getestet, was nun nicht mehr der Fall ist.
    Es gibt kein anderes Virus, dass sich im Körper vermehren kann und somit die Virenlast erhöht, damit sich andere anstecken, aber keine Abwehrreaktion (Symptome) auslöst. Das Sars CoV2 soll dies können, da ja Menschen ohne Symptome als Infizierte gelten und andere anstecken sollen. Persönlich halte ich dies für eine der größten Falschinformationen. Sobald das Immunsystem sich gegen einen Erreger wehrt, welcher sich in unseren Zellen vermehrt hat, werden wir krank und haben Symptome. Wenn dies nicht so funktionieren würde, würden wir an den Viren, Erregern und auch Fremdzellen sterben. Zum Beispiel können Krebszellen sich als nichtfremde Zellen tarnen, so dass sich vom Abwehrsystem nicht erkannt werden. Was daraus folgt wissen wir alle.
    Da Corona Viren vielleicht schon so alt sind wie die Menschheit, funktioniert das auch bei Sars CoV2 nicht anders wie bei anderen Erkältungsviren.

    Da ich mehrfach schon angefeindet und beleidigt wurde, schreibe ich unter einem Pseudoym.

    Wolfgang Pfaff
    Wolfgang Pfaff
    3 Jahre her

    Super geschrieben!
    Meine Worte.

    Siegfried Spengler
    Siegfried Spengler
    3 Jahre her

    Ganz große Klasse! Vielen Dank!

    Mit dem letzten Satz haben Sie mir aus der Seele geschrieben!

    Und über das epidemiologische Risiko des „Rumknutschens im Rottweiler Schulwäldle“ kann man sich bei der Gesundheitsdirektion Zürich informieren unter Angabe des Codeworts „Schwerzenbach“.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    NRWZ-Redaktion
    NRWZ-Redaktion
    Unter dem Label NRWZ-Redaktion beziehungsweise NRWZ-Redaktion Schramberg veröffentlichen wir Beiträge aus der Feder eines der Redakteure der NRWZ. Sie sind von allgemeiner, nachrichtlicher Natur und keine Autorenbeiträge im eigentlichen Sinne.Die Redaktion erreichen Sie unter redaktion@NRWZ.de beziehungsweise schramberg@NRWZ.de

    Beiträge

    Die Fachstelle Sucht Rottweil zieht um

    Nach mehr als 30 Jahren in der Schrambergerstraße 23 bricht die Fachstelle Sucht Rottweil zu neuen Ufern auf. Die langjährige Arbeit in der bisherigen...

    Prozessqualität muss im Vordergrund stehen und nicht die Immobilie

    Leserbrief zum Artikel Investoren-Wettbewerb für das alte Feuerwehr-GeländeDas angedachte MVZ für eine neue Immobilie auf dem alten Feuerwehrgelände sehe ich als Alibi der Hilflosigkeit,...

    Leserbrief: Es ist nie zu spät!

    Dass Herr Seitz entsetzt ist über den Abbruch des Landratsamtes kann ich nur allzu gut verstehen: Seit den ersten Erwägungen eines kompletten Neubaus im...

    Zündendes Neujahrskonzert mit den Besten des Landes 

    Das Sinfonische Jugend-Blasorchester Baden-Württemberg gastiert am Montag, 6. Januar, um 17 Uhr im Dr.-Ernst-Hohner-Konzerthaus Trossingen.Eine zehnjährige Tradition erfreut im Januar jedes Jahr die Besucher...

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Kaupp Ausbau & Fassade erneut im Fokus

    Schramberg/Baiersbronn/Oberndorf – Kaupp Ausbau & Fassade, mit den Standorten in Schramberg, Baiersbronn und Oberndorf, setzt erneut Maßstäbe in der Branche. Nach der prestigeträchtigen Auszeichnung...

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Unser Leser Michael Langguth hat unseren Beitrag „Einfach ein Corona-Sonntag“ – in dem es um un- und allenfalls mittelwichtige Ereignisse an einem Sonntag im Jahre 2021 geht – bereits kommentiert. Um seinen Kommentar, der in dem bunten Allerlei auf www.NRWZ.de sonst möglicherweise untergeht, einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, haben sich Langguth und die NRWZ-Redaktion darauf geeinigt, ihn leicht modifiziert als Leserbrief zu bringen. Mit der Vorbemerkung des Verfassers: „Ich weiß ja, dass das die Welt nicht ändert. Aber einfach dasitzen und die Klappe halten kann ich nun mal auch nicht. :-)“

    Inspiriert vom erfrischend anderen Beitrag „Einfach ein Corona-Sonntag“, will auch ich mal meinen Frust von der Seele schreiben:

    Ja, dieses Virus ist ein A…loch. Aber fragt mich nicht, was ich von all denen halte, die unter Anfangs unwissender (schon verziehen), dann nach und nach fahrlässiger (na ja…) und inzwischen m.E. mutwilliger Ignoranz (geht gar nicht) versuchen, dagegen mit zunehmend untauglichen Maßnahmen vorzugehen versuchen.

    Ja, es ist gefährlich. Aber sagt mir bitte, wo auf der „schlimm Skala“ von 0 (Zitat Mr. Spock: Friede und ein langes Leben) bis 10 (großer Meteorit trifft Erde) Corona einzusortieren ist. Und dann bitte, wo die aktuellen und geplanten Maßnahmen auf einer Skala von 0 (jeder nach seinem Gusto) und 10 (alle vorsorglich weggesperrt) einzusortieren sind. Kommt da die gleiche Zahl raus?

    Fakt ist für mich, dass der derzeit verbreitete Paniklevel und die reale Bedrohung nicht zusammenpassen. Und bitte! Steckt mich jetzt nicht in die Gut-oder-Böse-Ecke. Denn die Welt ist nicht schwarz oder weiß. Er ist wirklich schwer festzustellen, auf welcher aller möglichen Graustufen man sich gerade befinde. Denn ich habe keine Lust, den Mist zu bekommen und schon gar nicht, dran zu sterben. Aber deswegen werde ich mich auch nicht einmauern. Also ist es essenziell wichtig, an ehrliche und realistische Informationen zu kommen. Genau das ist aber derzeit schwierig. Die Informationen in Form der rohen Zahlen sind in ordentlichem Umfang aus offiziellen Quellen wie dem RKI verfügbar. Allerdings muss man schon halbwegs fit in Statistik und/oder Excel sein, um sie sich zu erschließen.

    Genau das ist aber nicht jeder. Und da wird meiner Meinung nach seit einiger Zeit der Hebel angesetzt. Es soll ganz offenbar nicht leicht sein, an eine realistische Einschätzung zu kommen. Wer will das nicht? Warum? Weiß ich nicht. Eine Verschwörung? Sicher nicht. Denn hinter einer Verschwörung müsste doch jemand stecken, der einen Plan hat. Aber genau das traue ich derzeit leider keinem zu…

    Zum Warum hätte ich eine Idee: Meines Erachtens haben sich die Regierenden verrannt. Bitte begeben Sie sich mal in eine gefühlte Flughöhe von 10.000 m und schauen Sie runter. Ist es nicht komisch, dass eine Speisegaststätte, in der sich Leute gemäß Hygienekonzept für ein bis zwei Stunden unter öffentlicher Kontrolle (jeder kann hereinschauen) aufhalten würden und deren Wirt durch die Schließung in seiner Existenz bedroht wird (90 Prozent der Fixkosten und für seine Krankenversicherung darf er Hartz IV beantragen) geschlossen wird und Veranstaltungen von religiösen oder Weltanschauungsgemeinschaften, welche sich über viele Stunden ohne jegliche Kontrollmöglichkeit hinter verschlossenen Türen treffen und bei deren vorübergehender Schließung keiner in wirtschaftliche Nöte geraten würde, offen sind? Gefühlte 1000 Beispiele könnten folgen. Freibad 2021? Ich will’s gar nicht hören…

    Es war schon vor einem Jahr offensichtlich, und dazu genügt wirklich der leider inzwischen verpönte, gesunde Menschenverstand, dass das Risiko im Freien (Rumknutschen im inzwischen leider viel zu lichten Rottweiler Schulwäldle mal ausgenommen) gegen null geht. Trotzdem hat unsere Landesregierung bereits Mitte Oktober die „höchste Pandemiestufe 3“ ausgerufen und beschlossen, selbige mit einer Maskenpflicht auf Parkplätzen und an Bushaltestellen entschlossen zu bekämpfen. Ganz ehrlich: Nach Monaten der Unsicherheit war das für mich der Tag, an dem sie mich endgültig verloren hatten. Denn sie wissen nicht, was sie tun. Ich dachte einfach eine Weile „Die sehen das realistisch, müssen aber den Überängstlichen zeigen, dass was getan wird“. Aber nein, das war deren Ernst: Alles Mögliche verbieten, von dem das Wenigste was bringt, und an anderer Stelle wegschauen.

    Und wenn ich dann die Begründung höre: „Man kann nicht sicher ausschließen, dass sich nicht doch jemand anstecken könnte.“ Aufwachen! Raus aus der Vollkaskomentalität! Das Leben ist voller Risiken und die Kunst ist es, diese richtig einzuschätzen. Mir diese Einschätzung durch seriöse und transparente Information zu ermöglichen und mich bei der Bewältigung des verbleibenden Risikos bestmöglich zu unterstützen ist Aufgabe des Staates. Nicht, mich in Watte zu hüllen.

    Drin, bei privaten Kontakten, passiert das meiste. Das ist doch klar, Innenraum, kein Hygienekonzept und keiner guckt zu. Lieber Staat: Willst Du Infektionen vermeiden? Dann setz‘ genau da an. Das ist unbequem, unpopulär und macht Ärger. Aber: Wenn ich wirklich möglichst viele Leben retten will, muss ich das tun, was nötig ist. Dazu gehört andersrum aber auch, die Leute mitzunehmen. Und wenn jetzt, zwölf Monate später, auch die Aerosolforscher darauf hinweisen, dass der ganze Mist im Freien Grütze ist, dann muss man da eben dran und die unsinnigen Restriktionen im Freien aufheben. Die Leute werden es damit danken, dass sie eher bereit sind, den Rest einzuhalten.

    Die Ausgangssperre. Ja, ich verstehe, dass die Begrenzung der problematischen, privaten abendlichen Kontakte am einfachsten zu überwachen ist, in dem man schon die Fahrt von A nach B verbietet. Aber kann ich von einem Staat, der meinen Grundrechten (oooh – jetzt habe ich das Unwort des Jahres in den Mund genommen) verpflichtet ist, nicht erwarten, dass er sich dann halt etwas mehr Mühe gibt und hinterfragt, wo die Leute hinfahren? Ich bin mir sicher, dass Polizei und Presse da eine Art der Zusammenarbeit finden würden, in der ein paar „spektakulär“ überführte, illegale Besucher in einer Weise kommuniziert würden, dass es abschreckend wirkt. Bin ich zynisch? Nein, ich meine das wirklich so. Natürlich ist es nicht gut, wenn zehn Leute in einer 60-Quadratmeter-Wohnung stundenlang Aerosole austauschen.

    Aber warum um alles in der Welt soll ich, wenn es mir danach ist, nachts nicht eine Runde spazieren gehen oder -fahren dürfen. Ich habe das schon ewig nicht mehr gemacht und es auch grad‘ nicht unbedingt vor. Führe derzeit ohnehin ein ziemliches Einsiedlerleben. Aber sollte ich es mir anders überlegen, will ich das tun dürfen. Das ist Freiheit. Und wer mir die verbieten will, den soll der sprichwörtliche Blitz beim Sch… treffen! Muss ich mir jetzt echt deswegen noch einen Hund zulegen?

    All das ist nach meinem Verständnis das, was ein großer Teil der Demonstranten derzeit zum Ausdruck bringen will. Nicht alle. Ein Teil sich sicher Leute, die die Demos für Ihre Zwecke gehijackt haben. Zugleich der Teil, auf den sich große Teile der Presse mit Begeisterung stürzen. Aber die überwiegende Mehrheit, die da auf die Straße geht, sind erschreckend normale Leute, die ungefähr das zum Ausdruck bringen wollen. Dummerweise wird diesen Roman in 10-Punkt Schrift auf einem Plakat herumgetragen keiner lesen. Also müssen da eher einfach gestrickte Schlagworte wie „Freiheit!“ stehen. Aber deshalb die Demonstranten zu verurteilen, zu belächeln und als wasweißichwas beschimpfen? Nein, das kann es auch nicht sein. Nochmal: Jeder Tote ist einer zu viel. Menschenleben und Zahlenspiele passen nur schwer zusammen. Aber was ist die Konsequenz daraus? Und wie soll dann die Zukunft aussehen? Sagt es mir, denn ich weiß es nicht.

    Erst sollten wir die Kurve flach zu halten, um die „Alten“ zu schützen. Hat so leidlich geklappt. Jetzt sind die Senioren weitgehend durchgeimpft und natürlich (!) steigt damit im Verhältnis der Anteil der jüngeren an der Inzidenz. Dieser „böse Fakt“ ist einfach zwangsläufig und sollte nicht zur Panikmache missbraucht werden. Wir testen mittlerweile viel. Das ist gut und richtig so. Aber dann muss einfach auch klar sein, dass ein Teil der Inzidenz auf Fällen gründet, die vor einem Jahr noch unerkannt geblieben wären und eine zweiprozentige Quote falsch positiver Antigen-Tests (sage nicht ich, sondern das RKI für den Fall, dass überwiegend Gesunde getestet werden) ganz normal ist. Das muss bei Bewertung der Inzidenz im Vergleich zu vor einem Jahr, als die Zahl 50 aufkam berücksichtigt werden. Und auf einmal sind auch Kinder besonders stark betroffen. Natürlich ist daran die britische Mutation schuld und nicht die Tatsache, dass wir komischerweise kurz vor dieser Erkenntnis damit angefangen haben, die Schüler großflächig zu testen. Auch (k)ein Grund zur Panik.

    Apropos RKI: Am 26.3.2021 hat das RKI eine Inzidenz von 220 bis über 500, im Mittel 350 für Woche 15, also die zu Ende gegangene Woche vorhergesagt. Wir haben heute, in Woche 16, 165. Zur Erinnerung: Die Verschärfung der Maßnahmen (Osterlockdown), die auf Basis dieser Zahlen hätte erzwungen werden sollen, ging ja in die Hose. Das ist meines Erachtens das Interessante an der aktuellen Blockadesituation in der Politik: Man kann dieses Mal nicht sagen „Nur, weil wir diese oder jede Verschärfung auf den Weg gebracht haben, kam es nicht so schlimm“. Es kam ganz von selber nicht so schlimm, weil zumindest dieses Mal die Prognose definitiv überzogen war.

    Meine Meinung: Die Maßnahmen und Hygienekonzepte für Innenräume, die letztes Frühjahr umgesetzt wurden, plus Abstandsregel im Freien wären völlig ausreichend. Maskenpflicht dort, wo viele Leute, wenig Luftaustausch und -volumen und längerer Aufenthalt ohne Ausweichmöglichkeit in Innenräumen zusammenkommen. Konzentriert die Kräfte darauf, das zu vermitteln und durchzusetzen. Schürt nicht ständig Panik, um immer wieder aufs Neue verschärfte Maßnahmen durch-, anstatt die bestehenden umzusetzen.

    Jetzt der Bogen zurück. Das hat man nicht getan. Man müsste jetzt ehrlich sein und zurückrudern. Also einen Fehler zugeben. Ich wäre der allerletzte, der damit ein Problem hätte. Denn das zu tun wäre wahre Größe. Zumal wir in einer Situation sind, in der keiner alles auf Anhieb richtigmachen kann. Daher ist ein gewisser Zickzack-Kurs unvermeidlich. Die Anlaufprobleme bei der Impfung? Geschenkt! Jetzt kommt’s ans Laufen. Auch die LKW-Maut hat eine Weile gebraucht und funktioniert jetzt.

    Was ich aber nicht verzeihe ist, dass nach meiner Wahrnehmung mittlerweile die Situation bewusst schlechter dargestellt wird, als sie ist. Nur weil man nicht bereit ist, zuzugeben, dass man sich, zweifellos in der Absicht, das Richtige zu tun, verrannt hat. Stopp – bevor mich jetzt einer einen Unmenschen nennt – sie ist nicht gut. Aber denkt an die 0-10 Skala.

    Es gab mal ein Deutschland, das in dem ich aufgewachsen bin, in dem die Regierung den Bürgern die Fakten aufbereitet und erklärt hätte. Der Staat informiert euch. Er sagt euch, wie ihr euch schützen könnt. Er sagt aber auch, dass es Lebensrisiken gibt, welche man unter Abwägung aller Interessen leider nicht zu 100 Prozent ausschalten kann. Den fünf bis zehn Prozent, die sich nicht selbst schützen können, wäre er zur Seite gestanden. Aber nicht 30 bis 40 Prozent und schon gar nicht allen, die nicht rechtzeitig auf den Bäumen sind. Er hätte sicher trotzdem Clubs schließen, Großveranstaltungen in Innenräumen begrenzen müssen und weiteres. Vor allem aber hätte er dafür nicht alle anderen eingesperrt und nicht diejenigen, die zuvor seine Hygienevorschriften umgesetzt haben, über ein halbes Jahr lang geschlossen. Und ganz sicher hätte er nicht die „Leute, die dieses Land aufgebaut haben“ in ihren Heimen eingesperrt und dort nach zweimaliger Impfung mutterseelenallein verrecken oder auch nur wertvolle Tage ihrer verbliebenen Lebenszeit so zubringen lassen.

    Irgendwann in den letzten zehn bis 20 Jahren Jahren ist mir dieses Deutschland leider verloren gegangen. Vielleicht hatte ich ja auch nur davon geträumt…

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]

    Das interessiert diese Woche

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]