Der Pfarrer und die Tauben – ein Leserbrief

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(Meinung). Meine Arbeit mit Tieren, vor allem mit Tauben, gibt mir so viel. Ich spüre Leben, Dankbarkeit, Emotionen – so viel Freude und leider ebenso viel Trauer. Ich durfte Menschen kennenlernen, die selbst- und bedingungslos sind. Umso mehr erschüttern mich die Abneigungen anderer. Dass nicht alle Menschen dieselbe Empathie haben, ist mir klar.

Was mich fassungslos macht, sind die Beobachtungen an Kirchen und ein Gespräch mit einem Pfarrer. Dieser machte sich Sorgen über die Fassade seiner Kirche, die von Taubenkot „zerstört“ wird. Außerdem würden die Menschen sich ebenfalls über die verschmutzte Gegend beschweren. Ok, jetzt wissen wir: Tauben sind schmutzig, lästig und machen nur Dreck. Auf meine Frage, ob es nicht eher wir Menschen sind, die die gesamte Welt verschmutzen, erhielt ich nur verwegenes Schmunzeln und ein Schulterzucken. Ein Pfarrer, dem ein Gebäude – welches mit dem vielen Geld, das die katholische Kirche besitzt, gereinigt und repariert werden kann – wichtiger ist als ein Lebewesen – da frage ich mich doch: Hat er denn den richtigen Beruf gewählt?

Ohnehin hält sich dieser Mythos, Taubenkot würde Gebäude schädigen, viel zu hartnäckig. Die Technische Universität Darmstadt konnte dies in einer Studie im Jahr 2004 widerlegen. 70 Tage lang wurde frischer Taubenkot auf unterschiedliche Untergründe aufgetragen und es keine Veränderungen gefunden. „Vielmehr seien saurer Regen und Abgase aus Industrie und Verkehr für Schäden an historischen Gebäuden verantwortlich.“ (Quelle: https://www.stadttauben-bremen.de/gebaeudeschaeden/). Leider veranlasst dieser Irrglaube viele dazu, Taubenabwehr in Form von Spikes zu installieren – sogar an Kirchen konnte ich das schon beobachten. Doch warum? Sollte nicht gerade die Kirche ein Zufluchtsort für alle sein, oder gilt das nur für „bessere“ Lebewesen? Für so eine reiche Institution sollte es doch ein leichtes sein, auf ihren Grundstücken betreute Taubenschläge zu errichten, sie artgerecht zu füttern und echte Eier gegen Gipseier auszutauschen.

Tauben – die Ratten der Lüfte! War sie nicht einst ein Zeichen des Friedens?

Oder des Frohen Botschafters? Denn war es nicht sogar eine Taube, die Noah den Zweig brachte und somit die lange, beschwerliche Zeit auf dem Wasser beendete?

Als Atheist möchte ich nicht mit der Kirche an sich abrechnen, sondern zum Nachdenken bewegen. Die Massen, die noch wöchentlich in die heiligen Messen strömen, hängen an euren Lippen. Ihr habt es in der Hand, eben diese zum Umdenken zu bewegen.

Saskia Tritschler, Rottweil

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