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    Munter-frivol in den Abgrund

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    Auf glamouröse und auch ein wenig verrucht wirkende Gestalten kann man derzeit im Koroko und auf dem Bockshof treffen. Es sind jedoch keine versprengten Nachtschwärmer. Vielmehr probt das Team des Zimmertheaters für die nächste Premiere: Ab 18. Juli ist beim Sommerstück der Musical-Welthit „Cabaret” zu erleben.

    Die Show führt ins Berlin der späten 1920er Jahre. Noch sind sie halbwegs golden, aber mit der Weltwirtschaftskrise ziehen die drohenden Schatten des rassistischen Wahnsinns herauf. Davon lässt sich die Nachtclub-Sängerin Nelly jedoch nicht beeindrucken: Abend für Abend hält sie im legendären Tanzlokal „Kit Kat Club” dagegen und trällert trotzig-frivol „Life is a Cabaret”.

    Das ist die Szenerie, in die das diesjährige Freilicht-Stück des Zimmertheaters entführt. Ein sinnenfreudiges Ambiente, in dem das Leben gefeiert wird, verbunden mit einem Panorama skurriler Gestalten, die Lebenslagen der Zeit illustrieren – von der Vermieterin Fräulein Schneider über den jüdischen Obsthändler Schultz, bis zum netten Nachbarn, der sich als Nazi entpuppt und die Liebe von Schultz und Schneider torpediert.

    Vor allem anhand der Figur des amerikanischen Schriftstellers Bradshaw, der in Berlin Inspiration für einen Roman sucht und Nelly in sein Pensionszimmer ziehen lässt, wird deutlich, auf welch dünnem Eis das alles steht. Er spürt, wie sehr die Konstellation ins Rutschen gerät und will mit Nelly Berlin verlassen.

    Kann man glücklich leben, wenn man nur die Politik ausblendet? Das ist eine der zentralen Fragen, die das Stück mit prallen Bildern beleuchtet. Regisseur Peter Staatsmann bezieht dazu keine abschließende Position. Er zeigt, wie die Akteure in einem genussvollen Rausch dahin trudeln, wie sie träumen, wie sich Größenwahn und Narzissmus zu einer Mixtur hochschaukeln, die den Blick vernebelt. Man schwelgt in Vergnügungen, kommt aus dem Party- und Konsummodus gar nicht mehr heraus – und verliert letztlich den Bezug zur Wirklichkeit.

    Die glamouröse Halbwelt wird opulent und unterhaltsam in Szene gesetzt, auch ein Bürgerchor ist wieder eingebunden. Zimmertheater-Regisseur Peter Staatsmann spielt die Potenziale der leichten Verruchtheit des Stücks mit Verve aus – freilich nicht ohne ironische Brechung. Daneben lässt er jedoch auch die Frage anklingen, ob es – wie derzeit kontrovers diskutiert – Ähnlichkeiten zwischen den Zwanziger Jahren und der Gegenwart gibt. Zu welcher Antwort man auch immer kommen mag: Die „Cabaret”-Produktion verspricht einen kurzweiligen Sommerabend, der Auge und Ohr viel bietet. Aufgrund der Fußball-WM gibt es allerdings weniger Vorstellungen.

    Zu sehen sind Clementia Culzoni, Frank Deesz, Thomas Giegerich, Isabelle Groß de García, Bagdasar Kachikyan, Elisabeth Kreuzer, Anja Elisa Niggemeyer und Marguerita Wiesner. Den wichtigen musikalischen Part, der mit viel Jazz und Ragtime fast schon zum Mittanzen einlädt, verantwortet Dorin Gramma. Andreas Linsenmann

    Info: Die bereits fast ausverkaufte Premiere beginnt um 19.30 Uhr. Weitere Aufführungen in Rottweil (ebenfalls jeweils 19.30 Uhr): Am 19., 20., 25., 26., 27., 28., und 29. Juli sowie am 1., 2., 3., 4., 5., 8., 9., 10., 11. und 12. August. Zudem gibt es Gastspiele: Am 21. Juli in Schiltach sowie am 22. Juli im Wasserschloss Glatt.

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    Das interessiert diese Woche

    Auf glamouröse und auch ein wenig verrucht wirkende Gestalten kann man derzeit im Koroko und auf dem Bockshof treffen. Es sind jedoch keine versprengten Nachtschwärmer. Vielmehr probt das Team des Zimmertheaters für die nächste Premiere: Ab 18. Juli ist beim Sommerstück der Musical-Welthit „Cabaret” zu erleben.

    Die Show führt ins Berlin der späten 1920er Jahre. Noch sind sie halbwegs golden, aber mit der Weltwirtschaftskrise ziehen die drohenden Schatten des rassistischen Wahnsinns herauf. Davon lässt sich die Nachtclub-Sängerin Nelly jedoch nicht beeindrucken: Abend für Abend hält sie im legendären Tanzlokal „Kit Kat Club” dagegen und trällert trotzig-frivol „Life is a Cabaret”.

    Das ist die Szenerie, in die das diesjährige Freilicht-Stück des Zimmertheaters entführt. Ein sinnenfreudiges Ambiente, in dem das Leben gefeiert wird, verbunden mit einem Panorama skurriler Gestalten, die Lebenslagen der Zeit illustrieren – von der Vermieterin Fräulein Schneider über den jüdischen Obsthändler Schultz, bis zum netten Nachbarn, der sich als Nazi entpuppt und die Liebe von Schultz und Schneider torpediert.

    Vor allem anhand der Figur des amerikanischen Schriftstellers Bradshaw, der in Berlin Inspiration für einen Roman sucht und Nelly in sein Pensionszimmer ziehen lässt, wird deutlich, auf welch dünnem Eis das alles steht. Er spürt, wie sehr die Konstellation ins Rutschen gerät und will mit Nelly Berlin verlassen.

    Kann man glücklich leben, wenn man nur die Politik ausblendet? Das ist eine der zentralen Fragen, die das Stück mit prallen Bildern beleuchtet. Regisseur Peter Staatsmann bezieht dazu keine abschließende Position. Er zeigt, wie die Akteure in einem genussvollen Rausch dahin trudeln, wie sie träumen, wie sich Größenwahn und Narzissmus zu einer Mixtur hochschaukeln, die den Blick vernebelt. Man schwelgt in Vergnügungen, kommt aus dem Party- und Konsummodus gar nicht mehr heraus – und verliert letztlich den Bezug zur Wirklichkeit.

    Die glamouröse Halbwelt wird opulent und unterhaltsam in Szene gesetzt, auch ein Bürgerchor ist wieder eingebunden. Zimmertheater-Regisseur Peter Staatsmann spielt die Potenziale der leichten Verruchtheit des Stücks mit Verve aus – freilich nicht ohne ironische Brechung. Daneben lässt er jedoch auch die Frage anklingen, ob es – wie derzeit kontrovers diskutiert – Ähnlichkeiten zwischen den Zwanziger Jahren und der Gegenwart gibt. Zu welcher Antwort man auch immer kommen mag: Die „Cabaret”-Produktion verspricht einen kurzweiligen Sommerabend, der Auge und Ohr viel bietet. Aufgrund der Fußball-WM gibt es allerdings weniger Vorstellungen.

    Zu sehen sind Clementia Culzoni, Frank Deesz, Thomas Giegerich, Isabelle Groß de García, Bagdasar Kachikyan, Elisabeth Kreuzer, Anja Elisa Niggemeyer und Marguerita Wiesner. Den wichtigen musikalischen Part, der mit viel Jazz und Ragtime fast schon zum Mittanzen einlädt, verantwortet Dorin Gramma. Andreas Linsenmann

    Info: Die bereits fast ausverkaufte Premiere beginnt um 19.30 Uhr. Weitere Aufführungen in Rottweil (ebenfalls jeweils 19.30 Uhr): Am 19., 20., 25., 26., 27., 28., und 29. Juli sowie am 1., 2., 3., 4., 5., 8., 9., 10., 11. und 12. August. Zudem gibt es Gastspiele: Am 21. Juli in Schiltach sowie am 22. Juli im Wasserschloss Glatt.

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