Ein starkes Gefühl von Krise, aber auch Kampfgeist prägten ein hochkarätig besetztes Symposium auf der Rottweiler Hauser-Saline zum Thema „Die politische Dimension der Kunst – Bedingungen, Grenzen und Perspektiven“, das am Wochenende stattfand.
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Quirlig und betriebsam wie selten ging es am Freitag und Samstag in und um die ehemalige Werkstatthalle Erich Hausers auf der Saline zu: Über 200 teils weit angereiste Wissenschaftler, Studenten, Museumsleute, Sammler und Kunstfreunde folgten einem dicht gewobenen Programm aus Vorträgen, Diskussionen und Performances.
Den roten Faden der vom Netzwerk „Reden über Kunst“, einer Kooperation der Kunststiftung Erich Hauser, der St. Georgener Sammlung Grässlin, der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen sowie dem Projekt Fürstenberg Zeitgenössisch organisierten Tagung, bildete die Frage, wie politisch Kunst heute sein kann und soll.
Dieser Fragekomplex, der sich rasch auch als sensible Bestandsaufnahme aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen erwies, wurde in produktiver Weise aus verschiedenen Perspektiven in den Blick genommen: mit kunsttheoretischem Analyse-Instrumentarium, soziologisch, aber auch praxisorientiert anhand der Erfahrung von Ausstellungsmachern. Mit kreativen Impulsen wurde auch die Kunstproduktion eingebunden – am Freitagabend etwa anhand einer Performance rund um die Hauser-Kolosse im Skulpturenpark.
Eine besonders überzeugende Verschränkung von Gegenwartsanalyse und kreativer Reaktion präsentierte der Künstler Marc Lee. Er skizzierte zunächst die Logiken und Ausmaße der digitalen Produktion von Inhalten. Und zeigte dann anhand einer von ihm programmierten Plattform, mit der sich von jedermann im Netz Kampagnen starten lassen, welcher Tsunami an Informations- und Reizpartikeln permanent über die Nutzer hinweg brandet, wenn die digitalen Schleusen geöffnet sind. Der Erkenntnis-Mehrwert lag nicht zuletzt darin, dass Lee neben dem schieren Umfang der Inhalte manipulative Potenziale des Internets sinnlich erfahrbar machte.
Einen Schwerpunkt des Symposiums bildete die Frage, wie Kunst öffentlich wahrgenommen und gesellschaftlich verhandelt wird. Experten und ein aufmerksam lauschendes Auditorium waren sich einig, dass sich derzeit eine gesamtgesellschaftliche Polarisierung vollzieht. Der liberale Konsens der Nachkriegs- Jahrzehnte werde von rechtsnationalen Kräften offensiv attackiert, konstatierte etwa die Künstlerin Alice Kreischer. Letztlich gehe es um den Geltungsanspruch von Deutungsmustern: Kann die offene Gesellschaft ihre Akzeptanz bewahren oder wird sie zunehmend als Dekadenzmodell diffamiert und unterhöhlt?
Die Kunst wurde als ein wichtiger Kampfplatz dieser Auseinandersetzung identifiziert – erkennbar etwa am Versuch von AfD-Akteuren, auf Theater-Spielpläne Einfluss zu nehmen. Wiederholt wurde in diesem Zusammenhang zur kämpferischen Gegenwehr aufgerufen, etwa von Holger Kube Ventura, dem Leiter der Sammlung für konkrete Kunst am Kunstmuseum Reutlingen.
Mögliche Entwicklungslinien zeigten Referenten aus Österreich auf. Der in Wien lehrende Helmuth Draxler etwa verwies auf seit Jahren schlechter werdende Bedingungen für Künstler in seinem Land. Eine erhellende Vergleichsfolie bot indes der Blick nach Ungarn, das, wie der Künstler Georg Winter betonte, aufgrund eines repressiven Klimas in den vergangenen zehn Jahren bereits mehr kreative Köpfe verlassen haben, als nach der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956.
Deutlich wurde, dass der Legitimationsdruck für Kunst allenthalben wächst, etwa durch die Koppelung von Finanzierungen an Besucher-Zahlen. Eine solche Ökonomisierung und Unterordnung unter ein Effizienzdenken gefährde die Autonomie der Kunst – so eine weitgehend geteilte Einschätzung. Erschreckend populistische Argumentationsmuster selbst von Vertretern lange etablierter Parteien konstatierte etwa Annette Kuhlenkampff, die Geschäftsführerin der umstrittenen documenta 14.
Deutlich wurde aber auch, dass, wie der Kulturjournalist Stefan Koldehoff feststellte, beträchtliche Teile der Kunstproduktion gar keinen politischen Anspruch verfolgten, sondern lediglich auf Gefälligkeit und Markterfolg zielten. Auch dies stelle die gesellschaftliche Relevanz von Kunst in letzter Konsequenz infrage.
Trotz einer ausgeprägten Krisenwahrnehmung schloss das Symposium durchaus optimistisch. Es gelte, dem Rechtsruck allerorten mit künstlerischer Klugheit entgegenzutreten und vermeintlicher Eindeutigkeit die Vieldeutigkeit von Kunst entgegen zu setzen, die der Welt ungleich mehr entspreche, als der Tunnelblick von Ideologien.
Neben den Inhalten gab es noch einen wichtigen weiteren Ertrag: Die Gäste waren erkennbar beeindruckt. Immer wieder hörte man: Ein solches Symposium mit Teilnehmern aus ganz Deutschland, Belgien, Frankreich, Österreich und der Schweiz hätte man eher in einer größeren Stadt oder in Anbindung an eine Akademie oder Universität erwartet. Dass es nun in Rottweil als Ertrag des Netzwerks „Reden über Kunst“ stattfand, hat der Region nationale und internationale Aufmerksamkeit gebracht – und ihr Renommee gesteigert.
Für die Organisatoren Hannah Eckstein, Nila Weisser, Wendelin Renn und Dr. Heiderose Langer gab es abschließen daher viel Applaus. Ihnen ist mit diesem Symposium ein großer Wurf gelungen. Vielfach wurde denn auch bereits nach einer Fortsetzung gefragt.