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„Klassik meets Gipsy“ auf Gut Berneck in Schramberg

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Zu seinem zweiten Konzert in Gut Berneck hatte der Pianist Heiner Costabel die Geigerin Zorana Memedovic mitgebracht. Im Salon der einstigen Villa von Arthur Junghans hoch über Schramberg hieß Hausherr Hans-Jochem Steim eine große Schar Costabel- und Klassik-Fans willkommen.

Schramberg. Den ersten Teil widmeten Costabel und Zorana Memedovic der klassischen Musik. Zum Auftakt spielten sie von Antonio Vivaldi dessen Violinkonzert in a-Moll. Zuvor hatte Costabel in seiner typischen Art über das Leben und Werk Vivaldis geplaudert.

Er schilderte Vivaldis Aufgabe in Venedig in einem Waisenhaus. Dort habe er die Mädchen mit Streichinstrumenten ausgestattet und schon bald ein hervorragendes Kammerorchester beisammengehabt. Vivaldi habe hunderte Violinkonzerte geschrieben, auch weil er selbst ein Virtuose auf der Geige war. Virtuos spielte Memedovic die drei Sätze, begleitet von Costabel am Flügel.

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Heiner Costabel. Foto: him

Ausführlich ging Heiner Costabel auch auf die wichtigsten Komponisten der Klassik Haydn, Mozart und Beethoven und deren Zeit in Wien ein. Er hatte allerlei Anekdoten parat, wusste, dass Beethoven Mozart verehrte, dieser aber keine Zeit für Beethoven hatte. Eigentlich ging es aber um Franz Schubert, dessen Sonatine in D-Dur im Programm folgte. Einem eher getragenen ersten und zweiten Satz folgte ein heiterer, flotter dritter Satz.

Geschichte von Gut Berneck

Danach griff der Hausherr zum Mikrofon und berichtete über die Geschichte von Gut Berneck seit der Zeit des Bau 1910 bis zur Renovierung in jüngster Zeit. Auch die Sammlung der mechanischen Musikinstrumente stellt er vor mit der Schiedmayer Celesta, Harmonium und Orgel – und dem damit verbundenen Denkmalschutzärger.

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Hans-Jochem Steim. Foto: him

Steim vergaß auch nicht zu erzählen, dass der frühere Tresor der Firma Junghans inzwischen aus der Villa Junghans wieder auf Gut Berneck zurückgekehrt ist.  Vor der Pause kündigte Memedovic einen der slawischen Tänze von Antonín Dvořák an. Ein Vorgeschmack auf das, was nach der Pause kommen sollte.

Feurig nach der Pause

Da trat Zorana Memedovic in einem folkloristischen Kostüm auf, das an die Darstellung von Sinti in alten Filmen erinnerte. Sie stamme aus Serbien, habe dort erste musikalische Erfahrungen gesammelt und in Stuttgart Violine studiert, sie sei „eine „waschechte Zigeunergeigerin“, so Costabel.

Er berichtete von der Ausbildung dieser Musiker, die oft schon mit vier Jahren ihre erste Geige erhielten und dann, oft ohne Noten lesen oder schreiben zu können, ihr Instrument zu spielen lernten, „learning by doing“ sei das.

Die beiden spielten dann eine „Russische Phantasie“ von Leo Portnoff, und Zorana Memedovic konnte ein weiteres Mal ihre Virtuosität unter Beweis stellen.

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Zorana Memedovic. Foto: him

Beim Übergang zu Johannes Brahms schilderte Costabel die Jugend des Komponisten in Hamburg. Brahms Vater war Berufsmusiker und verdiente sich sein Geld in den Hafenkneipen. Am Morgen hätten dort häufig Musikerkollegen in der Küche gesessen. Costabel spekulierte, so habe Brahms ein Gefühl für diese Musik bekommen und diese Tänze geschrieben, obwohl er nie in Ungarn war.

Als letztes Stück im Programm spielten die beiden Vollblutmusiker dann noch einen von Zorana Memedovic bearbeiteten südamerikanischen Tanz.

Drei Zugaben

Das begeisterte Publikum erklatschte sich noch zwei Zugaben („Wir haben zufällig noch etwas vorbereitet.“) von Edward Elgards „Salut d’amour“ sowie die „Meditation“ von Jules Massenet aus seiner Oper “Thaïs”.

Nach einer dritten Zugabe bedankte sich Steim bei den Musizierenden mit Wein und Blumen und versicherte: „Es geht nichts über direkte Musik. Kein CD-Spieler, kein Radio, kein Fernsehen kann das ersetzen.“ Er entließ das Duo nur nach dem Versprechen, bald wieder zu kommen.

 

Kommentar: Recht auf Selbstbestimmung respektieren

In seiner Anmoderation zum zweiten Teil des Konzertes verwendete Costabel mehrfach das Wort „Zigeunermusik“ oder „Zigeunermusiker“. Er verband dies mit Kritik an einer seiner Ansicht nach schlechten Bundesregierung und insbesondere an Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Diese habe es den Zigeunern verboten, sich Zigeuner und ihre Musik Zigeunermusik zu nennen, so Costabel sinngemäß. Ein Sinti-Musiker habe ihm gesagt: „Ihr sollt uns anständig behandeln, aber uns unsere Kultur machen lassen.“

Nach dem Konzert auf den Vorwurf an Roth angesprochen, meinte Costabel, Roth habe ja auch vorgeschlagen, in Bayreuth andere Komponisten als Wagner aufzuführen. Eine Zeitungsredakteurin habe ihm den Begriff aus seiner Konzertankündigung gestrichen. Und das komme „ja von oben“. Einen Beleg dafür, dass Roth „Zigeunern“ verbiete, sich „Zigeuner“ zu nennen, konnte Costabel nicht liefern.

Roth hat als Bundestagsvizepräsidentin und Ministerin etliche Reden über die Verfolgung der Sinti und Roma gehalten. Darin hat sie das Publikum auch immer wieder aufgefordert, eine diskriminierungsfreie Sprache zu verwenden. Irgendwelche Verbote gibt es aber nicht.

Der Zentralrat der deutschen Sinti und Roma hat ausführlich dargelegt, weshalb der Begriff Zigeuner nicht verwendet werden sollte: „‘Zigeuner‘ ist eine von Klischees überlagerte Fremdbezeichnung der Mehrheitsgesellschaft, die von den meisten Angehörigen der Minderheit als diskriminierend abgelehnt wird – so haben sich die Sinti und Roma nämlich niemals selbst genannt.“

Am Ende der Erklärung heißt es: „Die Eigenbezeichnung Sinti und Roma ist wesentlicher Teil unserer Identität als Minderheit. In unserer pluralistischen Gesellschaft sollte dieses ureigenste Recht auf Selbstbestimmung respektiert werden.“

Ein Wunsch, denn man leicht erfüllen kann, wie ich meine. Heiner Costabel könnte „Sinti-Musik“ oder „Musik der Sinti“ ankündigen – niemand wäre diskriminiert und alles wäre ok.

Martin Himmelheber

 

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