„Fisch in Seenot“

Der gebürtige Schramberger Manfred Kriener hat ein Buch über Fische geschrieben

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Seit Jahresbeginn dürfen die Fischer im Obersee des Bodensees keine Felchen mehr fangen. „Rettung in letzter Sekunde“, titelte die Schwäbische Zeitung. Früher galten die Felchen als der Brotfisch der Bodenseefischerei. Überall am See standen sie auf den Speisekarten. Die Fischer hatten ein gutes Auskommen. Doch die Bestände sind im vergangenen Jahrzehnt massiv geschrumpft.

Schramberg/Berlin. Ähnliche Phänomene beobachten Fischereiexperten aber nicht nur am Bodensee, sondern in vielen anderen Seen und den Weltmeeren. Was ist da los?

Der aus Schramberg stammende Journalist und Sachbuchautor Manfred Kriener hat zusammen mit dem Gewässerökologen Stefan Linzmaier darüber ein Buch geschrieben: „Fische in Seenot“. Es befasst sich laut Untertitel mit dem „sorgsamen Umgang mit einer gefährdeten Ressource“.

Globaler Blick

„Wir werfen einen globalen Blick auf die Meere, beschäftigen uns in dem Buch auch mit dem Klimawandel und der Plastikflut“, erzählt Kriener im Gespräch mit der NRWZ.

Aber auch ganz praktisch möchten die Autoren den Leserinnen und Lesern helfen, die – so eine Kapitelüberschrift – „ratlos vor der Fischtheke“ stehen.

Bewegte Journalistenkarriere

Kriener, der in Schramberg aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, arbeitete als Lokalredakteur in Rottweil. Später hat er am Aufbau der Berliner „Tageszeitung TAZ“ mitgearbeitet. Von 2001 bis 2006 war er Chefredakteur der Zeitschrift „Slow Food“ und von 2008 bis 2013 leitete er das Umweltmagazin „Zeo2“. Er lebt als freier Journalist in Berlin.

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Manfred Kriener. Foto: privat

In den vergangenen drei Jahren schrieb er eine Reihe von Fischporträts im Wechsel mit Linzmaier nach dem Motto „Journalismus meets Wissenschaft“.  Die Serie reichte von Aal bis Zander.

„Wir hatten dann die Idee, daraus ein Buch zu machen“, erinnert sich Kriener, „aber der Verlag wollte etwas Politischeres.“ So sei die Idee entstanden, beides zu kombinieren, die Fischporträts und die Analyse, weshalb es den Fischen derzeit gar nicht gut geht.

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Stefan Linzmaier. Foto: privat

Krieners Ko-Autor, der Fischwissenschaftler Dr. Stefan Linzmaier, wohnt in Iffeldorf in Bayern am Tegernsee.

Fischfang weltweit

Nach einem Grundsatzkapitel über die Probleme der Fischerei weltweit – „Ozeane können nicht wachsen“ – beschäftigen sich Linzmaier und Kriener intensiv etwa mit der Aquakultur, die heute schon mehr Fisch und Meerestiere liefert als der Wildfang.

Natürlich beschäftigen sie sich mit den Problemen der Überfischung der Weltmeere, ohne aber in platte Schwarzmalerei zu verfallen. Sie gehen auch auf die zusätzlichen Gefahren für die Meeresbewohner wie die starke Erwärmung der Ozeane durch den Klimawandel ein.

Plastik, Klima, Bergbau

Der Plastikmüll und der mögliche Tiefsee-Bergbau würden die Fischbestände zusätzlich bedrohen. „Die beim Manganknollen-Abbau verursachten Schäden wären Schäden für die Ewigkeit“, fürchten sie.

In der Tiefsee daure es extrem lange, bis sich der frühere Zustand wieder herstelle, wenn das Sediment von Bodensaugern durchgewirbelt werde. Doch gegen den Tiefseebergbau rege sich international auch Widerstand.

In drei Kapiteln gehen die Autoren auf unsere drei nächsten „Seen“ ein: die Nord-, die Ost- und den Bodensee.

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Fischreiher am Bodensee. Foto: him

23 Fischporträts

Im zweiten Teil des Buches folgen dann die Fischporträts. Darin erfahren die Leserinnen und Leser beispielsweise, weshalb die Dorschbestände in der Ostsee möglicherweise zusammenbrechen können. Wir lernen, dass eine Kliesche ein Plattfisch ist, dem es, wie der Flunder, dagegen „richtig gut“ gehe.

Der Stuttgarter Sterne-Koch Vinzenz Klink lobt in seinem Geleitwort: „Vernünftig und logisch nehmen die beiden Autoren die Leserin und den Leser bei der Hand. Mit jedem Umblättern geht es hinein ins weltweit politische Unvermögen, in die Ignoranz und die Verbrechen an der Natur.“

Felchen aus Kasachstan

Und was ist nun mit den Bodenseefelchen? Die stammen laut Kriener und Linzmaier inzwischen unter anderem aus Kasachstan. Ihr Problem im Bodensee: „Dia hont nix zom Fressa!“, zitieren Kriener und Linzmaier den Bodenseefischer Wilhelm Böhler. Die Fische würden hungern, der See biete einfach zu wenig Nahrung, vor allem kaum noch Plankton. Die Klärwerke rings um den See sorgten für ein viel zu sauberes Wasser.

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Grafik aus: „Fische in Seenot“.

Weitere Probleme für die Felchen seien die Stichlinge, die Quaggamuschel und die Kormorane als Fischräuber. Alle drei keine heimischen Arten im Bodensee, ohne natürliche Feinde.

Weil die Bodenseefischer kaum noch Felchen fangen können, kämen heute vier von fünf „Bodenseefischen“ aus Finnland, Kasachstan, vom Gardasee oder Irland, Island und aus Kanada. Ob das dreijährige Fangverbot etwas bringt? Die Fischer wie Böhler bleiben skeptisch: „Wenn die Felchen im See verhungern, dann bringt auch eine lange Schonzeit nichts.“

Wie wäre es mit selbst Angeln?

Bei all den Problemen der Fischerei, wäre da selbst Angeln eine Lösung? Die beiden Autoren erörtern in einem eigenen Kapitel das Pro und Contra der Angelleidenschaft und fragen beispielsweise, ob Fische Schmerz empfinden. Das Angeln kann Fischbestände gefährden und zu Verhaltensänderungen bei den Fischen führen.

Sie weisen aber auch darauf hin, dass Angler viel für den Gewässerschutz tun. Beispiel Oderkatastrophe im Sommer 2022: „Ohne die Angler vor Ort wäre das massive Fischsterben viel später aufgefallen.“

Sie kommen zum Schluss, zumindest für die Gesundheit der Angler sei das Angeln förderlich: Laut einer Studie aus Großbritannien hätten Angler beispielsweise „ein verringertes Risiko, an Depressionen oder Angstzustanden zu leiden“.

Buchvorstellung in Schramberg?

Manfred Kriener geht mit dem Buch auch auf Reise. Gemeinsam mit Wilhelm Böhler hat er in Stuttgart das Buch bereits vorgestellt.

Jetzt planen die Autoren Lesungen und Diskussionsveranstaltungen. Über eine Einladung in seiner Heimatstadt würde er sich freuen. Den Kontakt stellen wir gerne her.

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Buchcover. Foto: pm

Info: „Fisch in Seenot“ ist im Hirzel-Verlag in Stuttgart im April 2024 erschienen, 236 Seiten kosten 22 Euro.

ISBN 978-3-7776-3399-2 (Print), ISBN 978-3-7776-3457-9 (E-Book, epub)

 

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.