Elfie Stadler, die „Grande Dame im Keramikdesign“

Ausstellung im Schramberger Stadtmuseum widmet sich der Nachkriegszeit in der Majolika

Die Ausstellungseröffnung „Elfi Stadler und SMF“ am Freitagabend geriet zu einem kleinen Familientreffen. Der Zufall wollte es, dass eine Cousine der Familie in Schiltach die Ankündigung gelesen und Kinder und Enkel der Künstlerin im Stuttgarter und Ulmer Raum informieren konnte. „Hochemotional“ sei der Abend für ihn, bekannte ihr Sohn Christof Nagel später.

Schramberg. Zunächst hatte Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr in die Ausstellung eingeführt. Sie lobte Leihgeberinnen und Leihgeber, würdigte die Kuratorin Gisela Roming, hob die Mitarbeit der früheren Museumsleiterin Gisela Lixfeld hervor und erwähnte die vielen Ehrenamtlichen im Museum.

Mit der Vorgängerfabrik der Schramberger Majolika Fabrik (SMF) habe die Industrialisierung Schrambergs um 1820 begonnen. Die Firma sei Teil der „DNA der Industriestadt“, auch wenn Ende der 80er Jahre die Majolika wegen des Strukturwandels die Produktion eingestellt habe.

Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr. Foto: him

Keramik Museumsschwerpunkt

Eisenlohr erinnerte an die NS-Verfolgung der Familie Meyer und daran, dass Moritz Meyer nach dem Krieg einer der wenigen Unternehmer gewesen sei, der aus dem Exil zurückgekehrt sei und seinen betrieb wieder aufgebaut habe.

Die Keramik-Produktion sei ein Schwerpunkt im Stadtmuseum, die Dauerausstellung vor ein paar Jahren ergänzt und erweitert worden.

Blick in die Ausstellung. Foto: him

Mit der Ausstellung zu Elfie Stadler nehme das Museum die Nachkriegszeit in den Blick. Stadler arbeitete von 1953 bis 63 in Schramberg. Sie starb bereits 1968 im Alter von erst 38 Jahren. Die Ausstellung sei eine angemessene Würdigung der Künstlerin, so Eisenlohr.

Sehnsucht nach der heilen Welt

Michael Melvin als Enkel von Moritz Meyer ging in seinem Grußwort auf die Nachkriegszeit ein. „Nierentisch, Petticoat, Heimatfilm, Fußballweltmeisterschaft und Adenauer verbinden wir mit diesen Jahren“, so Melvin. „Mit dem Kleinwagen gings ins Urlaubsglück.“ Das beschwingte Design und die bunten Farben der damaligen Majolika-Produkte spiegelten die Sehnsucht nach der kleinen, heilen Welt wider. Dank des Marshall-Plans sei das Wirtschaftswachstum im Westen stark angestiegen, während im Osten Planwirtschaft herrschte.

Michael Melvin. Foto: him

Melvin erinnert auch an die schwierige innerfamiliäre Phase, als Moritz und Peter Meyer/Melvin die amerikanische Verwandtschaft auszahlen mussten.

In den 50er Jahren seien etliche Gastarbeiter aus Italien nach Schramberg gekommen. Sein Vater habe sich sehr um deren Integration bemüht und ihnen Wohnungen beschafft. Die Keramikindustrie sei wieder aufgeblüht, man produzierte Alltagsgegenstände von rustikal bis elegant.

Von Elfie Stadler gestaltete Majolika-Gegenstände. Foto: him

Versprechen von Freiheit

Die Designs waren anfangs strenger, dann organisch, um Ende der 50er Jahre „modern“ zu werden, weg von der „guten, alten Zeit“. Versprochen wurde Freiheit, Lockerheit, Zivilität, so Melvin. In dieser Zeit habe Elfie Stadler „Großartiges geschaffen“. In seiner Familie sei oft von ihr die Rede gewesen: „Das hätte Elfie genauso gestalten können…“

Per Anhalter zum ersten Job

Ausführlich hat Ausstellungsmacherin Gisela Roming die Designerin Elfie Stadler vorgestellt. Ihr Weg nach Schramberg begann in Stockholm. Dorthin war Stadler nach dem Studium in Wien voller Hoffnung gereist. Sie hatte sich eine Stelle in der Keramikindustrie erhofft, wurde aber enttäuscht. Da sei die Anfrage aus Schramberg gerade recht gekommen.

Weil Stadler kein Geld für die Bahnfahrt hatte, sei sie per Anhalter in einer Woche nach Schramberg getrampt. Wenige Wochen nach dem Vorstellungsgespräch bei Moritz Meyer trat sie ihre Stelle an.

Zwei Freundinnen: Elfie Stadler/Nagel (links) mit Julie Meyer, der Ehefrau von Peter Meyer. Foto: him

Anders als etliche ihrer Kolleginnen, die vor dem Krieg nur für kurze Zeit in Schramberg bei der Majolika gearbeitet hatten, blieb Stadler zehn Jahre hier. Roming schilderte die verschiedenen Stilarten, die Stadler pflegte. Da die Designer für die eigentliche Produktion in den Augen der Betriebsleiter nicht so bedeutsam waren, ist oft nicht dokumentiert, welche Form und welches Design wem zuzuschreiben ist. „An der Produktion waren ja viele beteiligt“, so Roming. Neben den Designern auch die Modelleure und die Keramikingenieure. In der Ausstellung habe sie „den Objekten ihre Bühne geben“ wollen, so Roming.

Geschirr und Schmuckgegenstände. Foto: him

Familie lernt die Mutter kennen

Zu einem spontanen Grußwort ergriff Elfie Stadler/Nagels Sohn Christof Nagel das Mikrofon. Erst diese Woche hätte die Familie von der Ausstellung erfahren: „Es ist für uns eine tolle Gelegenheit, mehr über unsre Mutter zu erfahren.“ Sie war ja gestorben, als ihre Söhne noch ganz klein waren. „Wir hatten beispielsweise keinen Schimmer davon, dass sie aus Schweden nach Schramberg getrampt war.“

Ihr Zuhause und ihre Kindheit sei geprägt gewesen von Gegenständen, die ihre Mutter entworfen hatte: „Die Kuchenplatte, das Zimtdöschen oder die Salatschüssel.“ Alles SMF.

Christof Nagel. Foto: him

Die Familie stamme ursprünglich aus der Salzburger Gegend, der Großvater habe gemalt, auch andere Familienmitglieder waren künstlerisch tätig. Das Leben und Werk ihrer Mutter sei dagegen in der Familie nicht so bekannt. „Die Ausstellung ist eine schöne Gelegenheit für uns, unsere Mutter näher kennen zu lernen.“

Entwürfe für die SMF. Foto: him

Forschung beginnt

Abschließend versicherte Museumsleiter Carsten Kohlmann, die Ausstellung sei nicht das Ende der Recherche, sondern ein Anfang. Auch dank der zufälligen Kontakte zur Familie werde man sicher weiteres über Elfie Stadler, die „ Grande Dame der Nachkriegszeit im Keramikdesign“, erfahren. Er dankte Roming für ihre kenntnisreiche Arbeit mit einem Frühlingsstrauß und meinte lachend: „Ich hoffe, Sie haben eine Stadler-Vase zu Hause.“

Carsten Kohlmann bedankt sich mit Blumen bei Gisela Roming. Foto: him

Info: Die Ausstellung im Stadtmuseum Schramberg ist bis zum 22. Juni zu sehen. Das Museum ist geöffnet Dienstag bis Samstag von 13 bis 17 Uhr, Sonn- und Feiertage von 11 bis 17 Uhr.




Martin Himmelheber (him)

... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.



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