Der Louvre, Lady Gaga und Werner Mezger

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Es ist das größte Kunstmuseum der Welt. Und eine der besten Adressen für erstklassige Ausstellungen: Das Musée du Louvre im Herzen von Paris. Aktuell macht dort eine große historische Schau zur Figur des Narren Furore. Mit erarbeitet hat sie ein Rottweiler: Professor Dr. Werner Mezger. 

In Rottweil war es anders. Ganz ist die Fasnets-Tradition hier nie erloschen. Aber sie loderte auf kleiner Flamme, als nach dem aufklärerischen Kult des reinen Rationalismus im 19. Jahrhundert wieder breiteres Interesse am Närrischen erwachte. Der Roman „Der Glöckner von Notre Dame“ oder die Oper „Rigoletto“ zeugen vom der damals neu entfachten Aufmerksamkeit.

An diese Faszination des 19. Jahrhunderts knüpft die Ausstellung „Figures du fou“ im Pariser Musée du Louvre an. Sie bleibt dort jedoch nicht stehen.  Vielmehr macht sie einen weiten historischen Horizont auf, „vom Mittelalter bis zur Romantik“, wie es im Titel der Schau heißt.

Anhand von gut 300 oft herausragenden Schaustücken aus Sammlungen in Berlin, Wien, Brüssel, Amsterdam, Madrid, Florenz, London, Oxford, New York und anderen Orten – darunter Gemälde, Skulpturen, Manuskripte, Wandteppiche und Alltagsgegenstände – geht sie detektivisch der Spur des Narren in der europäischen Geistes- und Alltagsgeschichte nach. Und zeigt, dass der Narr, eine zwiespältige Figur zwischen Weisheit und Wahnsinn, Torheit und Gesellschaftskritik war.

Schule von Martin van Cleve: Fastnacht in einem flämischen Dorf, Antwerpen 1579. Foto: privat

Im Mittelalter verkörperte er oft denjenigen, der Gott ablehnte und deshalb als irr und töricht galt. Er wurde als Symbol der fleischlichen Liebe und der Unzucht abgebildet – zugleich jedoch an den Höfen als Unterhalter geschätzt, der mit seinen Späßen amüsierte. Und die gesetzte Ordnung subversiv in Frage stellte.

Auch im Alltagsleben war der Narr präsent. Etwa als Figur auf dem Schachbrett und als Joker im Kartenspiel. Oder auf Festen, wo er sich unter das Volk mischte und sich über die Leute lustig machte – immer verbunden mit der Frage, wer eigentlich die wahren Narren seien: er oder die andern. Dieses Ankratzen des Anscheins, der Grenzen zwischen Vernunft und Wahnsinn, Ordnung und Chaos, wird in der Ausstellung vielfach verdeutlicht.

2. Die Welt als Narrenkopf, kolorierter Kupferstich von Jacques Gourmond, Paris um 1590. Foto: privat

Seit fast zweit Jahren in die Erarbeitung der Schau eingebunden war Werner Mezger. Kein Wunder, gehört der langjährige Professor für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie (vormals Volkskunde) mit Schwerpunkt südwestdeutsche Regionalkultur im europäischen Kontext und Direktor des Instituts für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europas in Freiburg doch zu den weltweit profiliertesten Experten für dieses Themenfeld – und ist einem breiten Publikum seit Jahren als Kommentator von SWR-Fernsehsendungen zum Thema Fasnet bekannt.

„Eine große Freude“ sei es gewesen, an diesem Projekt im Kreis der Berater und Autoren für Ausstellungstexte sowie den illustren Begleitband mitzuwirken, berichtete Megzer im Gespräch mit der NRWZ. Auf höchstem Niveau wissenschaftlich arbeiten zu können, in direktem Austausch mit der Chefetage des Louvre – das sei ein schöner Kontrast zum oft kleinteilig-administrativen Denken im deutschen Universitätsbetrieb gewesen, ließ der seit 2019 emeritierte Lehrstuhlinhaber mit leichtem Schmunzeln durchblicken.

Prof. Dr. Werner Mezger Foto: privat

Mezger bringt in die Pariser Schau vor allem seine Expertise für die Epochenwende vom 15. zum 16. Jahrhundert ein. Damals wurde der Typus des Narren zu einer der Schlüsselfiguren der europäischen Geistesgeschichte.

„Als Sebastian Brant 1494 in Basel sein Buch „Das Narrenschiff“ schrieb, den ersten Bestseller nach der Bibel, deutete er die tiefgreifenden und beunruhigenden Umbrüche seiner Epoche als ein epidemisches Umsichgreifen der Narrheit“, verdeutlicht Mezger diese Entwicklung.

„Plötzlich war die Figur des Narren in ganz Europa präsent. Die klügsten Köpfe der Renaissance wie etwa Erasmus von Rotterdam beschäftigten sich mit dem Phänomen der Narrheit, und ganz nebenbei hielten die Narren damals auch Einzug in die Fastnacht“, erläutert der Experte und verweist damit auf Verbindungslinien zum Brauchtum bis heute.

Unter der Pyramide des Louvre ist die Ausstellung bis Februar zu sehen. Foto: privat

Zu den Erfahrungen im Kontext der Ausstellung direkt unter der berühmten gläsernen Pyramide in Paris gehört auch, wie ein globaler Player wie der Louvre für so ein Projekt wirbt: Mit einer einstündigen Filmdokumentation von ARTE – und einem Videoclip der Pop-Diva Lady Gaga. Zwei Millionen Mal wurde das angeklickt. In knapp zwei Tagen. Und das Trommeln wirkt: Die Ausstellung findet lebhaftes Interesse. Auch eine Gruppe aus Rottweil war vor einigen Tagen bereits dort. Ehrensache, wenn ein Rottweiler an so einem Weltklasse-Projekt mitgewirkt hat.

Info: „Figures du fou: du Moyen-Âge aux Romantiques“ (Figuren des Narren: Vom Mittelalter bis zur Romantik) im Musée du Louvre in Paris ist bis 3. Februar 2025 zu sehen.

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Es ist das größte Kunstmuseum der Welt. Und eine der besten Adressen für erstklassige Ausstellungen: Das Musée du Louvre im Herzen von Paris. Aktuell macht dort eine große historische Schau zur Figur des Narren Furore. Mit erarbeitet hat sie ein Rottweiler: Professor Dr. Werner Mezger. 

In Rottweil war es anders. Ganz ist die Fasnets-Tradition hier nie erloschen. Aber sie loderte auf kleiner Flamme, als nach dem aufklärerischen Kult des reinen Rationalismus im 19. Jahrhundert wieder breiteres Interesse am Närrischen erwachte. Der Roman „Der Glöckner von Notre Dame“ oder die Oper „Rigoletto“ zeugen vom der damals neu entfachten Aufmerksamkeit.

An diese Faszination des 19. Jahrhunderts knüpft die Ausstellung „Figures du fou“ im Pariser Musée du Louvre an. Sie bleibt dort jedoch nicht stehen.  Vielmehr macht sie einen weiten historischen Horizont auf, „vom Mittelalter bis zur Romantik“, wie es im Titel der Schau heißt.

Anhand von gut 300 oft herausragenden Schaustücken aus Sammlungen in Berlin, Wien, Brüssel, Amsterdam, Madrid, Florenz, London, Oxford, New York und anderen Orten – darunter Gemälde, Skulpturen, Manuskripte, Wandteppiche und Alltagsgegenstände – geht sie detektivisch der Spur des Narren in der europäischen Geistes- und Alltagsgeschichte nach. Und zeigt, dass der Narr, eine zwiespältige Figur zwischen Weisheit und Wahnsinn, Torheit und Gesellschaftskritik war.

Schule von Martin van Cleve: Fastnacht in einem flämischen Dorf, Antwerpen 1579. Foto: privat

Im Mittelalter verkörperte er oft denjenigen, der Gott ablehnte und deshalb als irr und töricht galt. Er wurde als Symbol der fleischlichen Liebe und der Unzucht abgebildet – zugleich jedoch an den Höfen als Unterhalter geschätzt, der mit seinen Späßen amüsierte. Und die gesetzte Ordnung subversiv in Frage stellte.

Auch im Alltagsleben war der Narr präsent. Etwa als Figur auf dem Schachbrett und als Joker im Kartenspiel. Oder auf Festen, wo er sich unter das Volk mischte und sich über die Leute lustig machte – immer verbunden mit der Frage, wer eigentlich die wahren Narren seien: er oder die andern. Dieses Ankratzen des Anscheins, der Grenzen zwischen Vernunft und Wahnsinn, Ordnung und Chaos, wird in der Ausstellung vielfach verdeutlicht.

2. Die Welt als Narrenkopf, kolorierter Kupferstich von Jacques Gourmond, Paris um 1590. Foto: privat

Seit fast zweit Jahren in die Erarbeitung der Schau eingebunden war Werner Mezger. Kein Wunder, gehört der langjährige Professor für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie (vormals Volkskunde) mit Schwerpunkt südwestdeutsche Regionalkultur im europäischen Kontext und Direktor des Instituts für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europas in Freiburg doch zu den weltweit profiliertesten Experten für dieses Themenfeld – und ist einem breiten Publikum seit Jahren als Kommentator von SWR-Fernsehsendungen zum Thema Fasnet bekannt.

„Eine große Freude“ sei es gewesen, an diesem Projekt im Kreis der Berater und Autoren für Ausstellungstexte sowie den illustren Begleitband mitzuwirken, berichtete Megzer im Gespräch mit der NRWZ. Auf höchstem Niveau wissenschaftlich arbeiten zu können, in direktem Austausch mit der Chefetage des Louvre – das sei ein schöner Kontrast zum oft kleinteilig-administrativen Denken im deutschen Universitätsbetrieb gewesen, ließ der seit 2019 emeritierte Lehrstuhlinhaber mit leichtem Schmunzeln durchblicken.

Prof. Dr. Werner Mezger Foto: privat

Mezger bringt in die Pariser Schau vor allem seine Expertise für die Epochenwende vom 15. zum 16. Jahrhundert ein. Damals wurde der Typus des Narren zu einer der Schlüsselfiguren der europäischen Geistesgeschichte.

„Als Sebastian Brant 1494 in Basel sein Buch „Das Narrenschiff“ schrieb, den ersten Bestseller nach der Bibel, deutete er die tiefgreifenden und beunruhigenden Umbrüche seiner Epoche als ein epidemisches Umsichgreifen der Narrheit“, verdeutlicht Mezger diese Entwicklung.

„Plötzlich war die Figur des Narren in ganz Europa präsent. Die klügsten Köpfe der Renaissance wie etwa Erasmus von Rotterdam beschäftigten sich mit dem Phänomen der Narrheit, und ganz nebenbei hielten die Narren damals auch Einzug in die Fastnacht“, erläutert der Experte und verweist damit auf Verbindungslinien zum Brauchtum bis heute.

Unter der Pyramide des Louvre ist die Ausstellung bis Februar zu sehen. Foto: privat

Zu den Erfahrungen im Kontext der Ausstellung direkt unter der berühmten gläsernen Pyramide in Paris gehört auch, wie ein globaler Player wie der Louvre für so ein Projekt wirbt: Mit einer einstündigen Filmdokumentation von ARTE – und einem Videoclip der Pop-Diva Lady Gaga. Zwei Millionen Mal wurde das angeklickt. In knapp zwei Tagen. Und das Trommeln wirkt: Die Ausstellung findet lebhaftes Interesse. Auch eine Gruppe aus Rottweil war vor einigen Tagen bereits dort. Ehrensache, wenn ein Rottweiler an so einem Weltklasse-Projekt mitgewirkt hat.

Info: „Figures du fou: du Moyen-Âge aux Romantiques“ (Figuren des Narren: Vom Mittelalter bis zur Romantik) im Musée du Louvre in Paris ist bis 3. Februar 2025 zu sehen.

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