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    Vor 80 Jahren: Treibjagd auf den Rottenburger Bischof Sproll

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    KREIS ROTTWEIL – Am 9. August vor 80 Jahren wurde der Rottenburger Bekennerbischof Dr. Joannes Baptista Sproll in Heiligenbronn durch das mutige Eingreifen von Metzgermeister Ludwig Kimmich aus Waldmössingen vor dem Zugriff der SA gerettet.

    Hitler war an der Macht. Nach dem Gleichschaltungsgesetz von 1933 und dem Beginn des Kirchenkampfes im Jahr 1934 hatte die Partei inzwischen das Sagen in allen öffentlichen Angelegenheiten und übte die Pressezensur aus. Bischof Joannes Baptista Sproll war am 24. Oktober 1937 in Rottweil. Der „Kirchenanzeiger für die Katholischen Stadtpfarreien Rottweil und Altstadt„ enthält in den Wochen vor und nach diesem Datum aber keinerlei Hinweis auf einen Besuch des Bischofs in Rottweil.

    Auch in der „Volkszeitung Schwarzwälder Volksfreund“ ist kein Hinweis auf einen Besuch des Bischofs zu finden. Das ist verständlich, denn bei der quasi Aufhebung der Pressefreiheit wurden solche Mitteilungen nicht geduldet. Sein Reisetagebuch vermerkt aber diesen Termin in Rottweil.

    Die Rottweilerin Emmy Gruber, damals neun Jahre alt, kann sich an einen Besuch zwar nicht erinnern. Sie erinnert sich aber, dass in ihrem elterlichen Gasthaus „Zum Goldenen Apfel“ davon gesprochen wurde, dass Rottweiler und Schwenninger SA-Männer nach Rottenburg ins Bischofshaus gefahren seien und die Abwesenheit des Bischofs genutzt hätten, um dort zu randalieren und dass sie sogar ihre Notdurft in das Bett des Bischofs verrichtet hätten.

    Das hätten viele alte Rottweiler gewusst. Im Rottweiler Kirchenanzeiger vom 3. Oktober 1937 ist auf der Titelseite ein sieben mal sechs Zentimeter großes Feld der Zensur zum Opfer gefallen und ausgeschnitten worden, auf dem der Hinweis auf einen Gottesdienst mit dem Bischof gestanden haben könnte. Dieser Kirchenanzeiger liegt im Pfarrarchiv. Das Stadtarchiv ist verständlicherweise nicht im Besitz kirchlicher Mitteilungen aus jener Zeit.

    Zensierter Kirchenanzeiger vom 3. Oktober 1937 im Pfarrarchiv Rottweil. Foto: Hildebrand

    „Seid stark im Glauben, seid tadellos im Wandel, seid selbständig im Urteil“,  so rief Bischof Sproll an Bischofs- und Jugendtagen den Gläubigen zu. Er kritisierte die Gleichschaltung der Katholischen Jugend in der Hitlerjugend und wandte sich schon früh in seinen deutlichen und grundsatzfesten Predigten gegen die Ideologie des Nationalsozialismus. Christentum und Nationalsozialismus seien nicht vereinbar. Als er dann demonstrativ am 10. April 1938 nicht an der Volksabstimmung zur Angliederung Österreichs und gleichzeitig der Zustimmung zum „Großdeutschen Reichstag“ und zur „Liste unseres Führers“ teilgenommen hatte, begann eine regelrechte Treibjagd auf den streitbaren und unbequemen, inzwischen 68-jährigen Sproll.

    Bestellter Mob verwüstete bei sieben Demonstrationen in Rottenburg die Amtsräume des Bischofs. Das steht auch auf der Gedenktafel für Sproll am Bischofshaus in Rottenburg geschrieben. Sproll zog sich immer wieder ins Kloster Heiligenbronn zurück. Am 19. August 1938 ließ Reichskirchenminister Hanns Kerrl Joannes Baptista Sproll das Aufenthaltsverbot für Württemberg mitteilen. Bereits fünf Tage später wurde er von der Staatspolizei aus seinem Amtszimmer abgeführt, nachdem er gesagt hatte, er weiche nur der Gewalt.

    Die Gestapo schickte den Bischof in die Verbannung ins badische Freiburg im Breisgau. Er wechselte daraufhin mehrere Male aus Sicherheitsgründen seinen Aufenthaltsort. Auf seine Stellung als Bischof nahmen Gestapo und SA keinerlei Rücksicht. Die Katholische Nachrichten Agentur schreibt am 10. August 1988, „buchstäblich wie ein Vogelfreier irrte Sproll vom 10. April 1938 bis 24. Januar 1941 durch Süddeutschland.“ Bis zum Ende des Krieges fand der inzwischen an Multipler Sklerose erkrankte Sproll dann im bayerisch-schwäbischen Heilbad Krumbach eine Bleibe.

    Es ist eine Episode bekannt, die sich vor 80 Jahren in der Nacht vom 9. auf den 10. August 1938 im Kloster Heiligenbronn zugetragen hat, also eine Woche vor seiner Verbannung. Der Bischof war ja ständig auf der Flucht und kam so über München und Fulda wieder einmal zu den Schwestern nach Heiligenbronn. Als die SA dies herausbekommen hatte, drang abends eine Horde SA-Männer laut grölend ins Kloster ein. Der gerade im Kloster beschäftigte Metzgermeister Ludwig Kimmich aus Waldmössingen, selber Parteimitglied, schnappte sich den Bischof und floh mit diesem durch einen Hinterausgang in den nahen Wald.

    Kimmich erzählte später, sie hätten „nebeneinander wie Soldaten auf Wache vom Straßengraben aus, von den hin und her fahrenden Auto- und Motorradstreifen unbemerkt, die ‚Demonstranten‘ beobachtet. Wir konnten das Grölen der SA-Männer gut hören und das Klirren der Fensterscheiben.“ Erst nach Stunden sei es dann möglich gewesen, den Bischof im Pfarrhaus in Waldmössingen in Sicherheit zu bringen.

    Gerhard Kimmich aus Waldmössingen, der Sohn des Metzgermeisters, ist im Besitz des Briefes, den Bischof Sproll 1946 an seinen Vater zur Vorlage bei der Entnazifizierung geschrieben hatte. Darin schreibt Sproll unter anderem: „Es würde mich freuen, wenn diese wackere Tat des Herrn Kimmich, die er dem als Landesverräter gebrandmarkten Bischof von Rottenburg erwiesen hat, stets allerseits gewürdigt würde.“ Bischof Joannes Baptista Sproll starb im Alter von 78 Jahren am 4. März 1949.

    Bischof Gebhard Fürst ist es ein großes Anliegen, das Andenken seines mutigen Vorgängers in der Diözese Rottenburg-Stuttgart stärker zu würdigen. Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass 2012 das Seligsprechungsverfahren für den Glaubenszeugen Joannes Baptista Sproll eröffnet wurde.

    Anmerkung der Rdaktion: Zu diesem Artikel hat uns ergänzend ein Leserbrief von Hubert Haas erreicht, der auf Kimmichs Nicht-Mitgliedschaft in der NSDAP hinweist.

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    Hitler war an der Macht. Nach dem Gleichschaltungsgesetz von 1933 und dem Beginn des Kirchenkampfes im Jahr 1934 hatte die Partei inzwischen das Sagen in allen öffentlichen Angelegenheiten und übte die Pressezensur aus. Bischof Joannes Baptista Sproll war am 24. Oktober 1937 in Rottweil. Der „Kirchenanzeiger für die Katholischen Stadtpfarreien Rottweil und Altstadt„ enthält in den Wochen vor und nach diesem Datum aber keinerlei Hinweis auf einen Besuch des Bischofs in Rottweil.

    Auch in der „Volkszeitung Schwarzwälder Volksfreund“ ist kein Hinweis auf einen Besuch des Bischofs zu finden. Das ist verständlich, denn bei der quasi Aufhebung der Pressefreiheit wurden solche Mitteilungen nicht geduldet. Sein Reisetagebuch vermerkt aber diesen Termin in Rottweil.

    Die Rottweilerin Emmy Gruber, damals neun Jahre alt, kann sich an einen Besuch zwar nicht erinnern. Sie erinnert sich aber, dass in ihrem elterlichen Gasthaus „Zum Goldenen Apfel“ davon gesprochen wurde, dass Rottweiler und Schwenninger SA-Männer nach Rottenburg ins Bischofshaus gefahren seien und die Abwesenheit des Bischofs genutzt hätten, um dort zu randalieren und dass sie sogar ihre Notdurft in das Bett des Bischofs verrichtet hätten.

    Das hätten viele alte Rottweiler gewusst. Im Rottweiler Kirchenanzeiger vom 3. Oktober 1937 ist auf der Titelseite ein sieben mal sechs Zentimeter großes Feld der Zensur zum Opfer gefallen und ausgeschnitten worden, auf dem der Hinweis auf einen Gottesdienst mit dem Bischof gestanden haben könnte. Dieser Kirchenanzeiger liegt im Pfarrarchiv. Das Stadtarchiv ist verständlicherweise nicht im Besitz kirchlicher Mitteilungen aus jener Zeit.

    Zensierter Kirchenanzeiger vom 3. Oktober 1937 im Pfarrarchiv Rottweil. Foto: Hildebrand

    „Seid stark im Glauben, seid tadellos im Wandel, seid selbständig im Urteil“,  so rief Bischof Sproll an Bischofs- und Jugendtagen den Gläubigen zu. Er kritisierte die Gleichschaltung der Katholischen Jugend in der Hitlerjugend und wandte sich schon früh in seinen deutlichen und grundsatzfesten Predigten gegen die Ideologie des Nationalsozialismus. Christentum und Nationalsozialismus seien nicht vereinbar. Als er dann demonstrativ am 10. April 1938 nicht an der Volksabstimmung zur Angliederung Österreichs und gleichzeitig der Zustimmung zum „Großdeutschen Reichstag“ und zur „Liste unseres Führers“ teilgenommen hatte, begann eine regelrechte Treibjagd auf den streitbaren und unbequemen, inzwischen 68-jährigen Sproll.

    Bestellter Mob verwüstete bei sieben Demonstrationen in Rottenburg die Amtsräume des Bischofs. Das steht auch auf der Gedenktafel für Sproll am Bischofshaus in Rottenburg geschrieben. Sproll zog sich immer wieder ins Kloster Heiligenbronn zurück. Am 19. August 1938 ließ Reichskirchenminister Hanns Kerrl Joannes Baptista Sproll das Aufenthaltsverbot für Württemberg mitteilen. Bereits fünf Tage später wurde er von der Staatspolizei aus seinem Amtszimmer abgeführt, nachdem er gesagt hatte, er weiche nur der Gewalt.

    Die Gestapo schickte den Bischof in die Verbannung ins badische Freiburg im Breisgau. Er wechselte daraufhin mehrere Male aus Sicherheitsgründen seinen Aufenthaltsort. Auf seine Stellung als Bischof nahmen Gestapo und SA keinerlei Rücksicht. Die Katholische Nachrichten Agentur schreibt am 10. August 1988, „buchstäblich wie ein Vogelfreier irrte Sproll vom 10. April 1938 bis 24. Januar 1941 durch Süddeutschland.“ Bis zum Ende des Krieges fand der inzwischen an Multipler Sklerose erkrankte Sproll dann im bayerisch-schwäbischen Heilbad Krumbach eine Bleibe.

    Es ist eine Episode bekannt, die sich vor 80 Jahren in der Nacht vom 9. auf den 10. August 1938 im Kloster Heiligenbronn zugetragen hat, also eine Woche vor seiner Verbannung. Der Bischof war ja ständig auf der Flucht und kam so über München und Fulda wieder einmal zu den Schwestern nach Heiligenbronn. Als die SA dies herausbekommen hatte, drang abends eine Horde SA-Männer laut grölend ins Kloster ein. Der gerade im Kloster beschäftigte Metzgermeister Ludwig Kimmich aus Waldmössingen, selber Parteimitglied, schnappte sich den Bischof und floh mit diesem durch einen Hinterausgang in den nahen Wald.

    Kimmich erzählte später, sie hätten „nebeneinander wie Soldaten auf Wache vom Straßengraben aus, von den hin und her fahrenden Auto- und Motorradstreifen unbemerkt, die ‚Demonstranten‘ beobachtet. Wir konnten das Grölen der SA-Männer gut hören und das Klirren der Fensterscheiben.“ Erst nach Stunden sei es dann möglich gewesen, den Bischof im Pfarrhaus in Waldmössingen in Sicherheit zu bringen.

    Gerhard Kimmich aus Waldmössingen, der Sohn des Metzgermeisters, ist im Besitz des Briefes, den Bischof Sproll 1946 an seinen Vater zur Vorlage bei der Entnazifizierung geschrieben hatte. Darin schreibt Sproll unter anderem: „Es würde mich freuen, wenn diese wackere Tat des Herrn Kimmich, die er dem als Landesverräter gebrandmarkten Bischof von Rottenburg erwiesen hat, stets allerseits gewürdigt würde.“ Bischof Joannes Baptista Sproll starb im Alter von 78 Jahren am 4. März 1949.

    Bischof Gebhard Fürst ist es ein großes Anliegen, das Andenken seines mutigen Vorgängers in der Diözese Rottenburg-Stuttgart stärker zu würdigen. Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass 2012 das Seligsprechungsverfahren für den Glaubenszeugen Joannes Baptista Sproll eröffnet wurde.

    Anmerkung der Rdaktion: Zu diesem Artikel hat uns ergänzend ein Leserbrief von Hubert Haas erreicht, der auf Kimmichs Nicht-Mitgliedschaft in der NSDAP hinweist.

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