Eine elfköpfige Familie ist überraschend am Sonntag in Villingendorf aufgetaucht. Die bereits abgelehnten Asylbewerber aus Bosnien-Herzegowina wollen es erneut versuchen, in Deutschland, in Villingendorf Fuß zu fassen. Sie wurden vorübergehend von der Gemeinde untergebracht. Aus humanitären Gründen, wie Bürgermeister Karl-Heinz Bucher erklärt. Er hat zugleich die Ausländerbehörde eingeschaltet.
„Was sollen wir machen, die Leute sind ja obdachlos.“ Bürgermeister Bucher begründete am Morgen gegenüber der NRWZ sein Engagement für die Familie aus Bosnien-Herzegowina. Diese war, die NRWZ berichtete, am Sonntag überraschend wieder in Buchers Gemeinde aufgeschlagen.
Es handele sich um eine elfköpfige Familie, zwei Erwachsene, neun Kinder. Man kenne die Leute in Villingendorf schon. Vor ihrem gescheiterten Asylantrag waren sie dort untergekommen, hätten erste Freundschaften geschlossen. So habe ein Junge aus Villingendorf jetzt am Sonntag gleich mitgeholfen, die Familie zu versorgen, „er und ein Junge aus der Familie sind miteinander befreundet“, erzählt Bucher.
Der Bürgermeister wirkt gewohnt gut gelaunt während des Gesprächs mit der NRWZ, scherzt ein wenig, etwa: „Als die Leute damals gegangen sind, waren sie noch zu Zehnt. Jetzt sind sie zu Elft.“ Er sagt, dass die Familie zwar abgelehnt worden und tatsächlich, um ihrer Abschiebung zuvorzukommen, seinerzeit auch ausgereist sei – aber nun, so ist das Leben, eben wieder da stehe. Man könne die Leute ja nicht einfach wegschicken, „wohin denn“. Die Polizei habe sie auch nicht mitnehmen wollen – ebenfalls: wohin denn. Bucher lässt durchklingen: Da schienen ihm manche ein wenig überfordert.
Der Bürgermeister und sein Hauptamtsleiter Armin Mei haben die Geschichte halt dann geregelt. Und die Leute untergebracht. In einem Gebäude, wo elf Menschen eben ein Dach über dem Kopf haben, eine Dusche, eine Heizung. Wo, will er nicht in der Zeitung lesen. Um die Familie vor möglichen Übergriffen zu schützen. In der Gemeinde selbst wisse eh jeder Bescheid, aber überregional solle das nicht verbreitet werden.
Bucher und Mei haben dann noch für Essen gesorgt – „der Bäcker Geiger hatte noch geöffnet“, so Bucher. Und das örtliche Rote Kreuz hat Decken gebracht. Auch hätten sich einheimische Familien an der spontanen Hilfsaktion beteiligt.
Doch die Unterkunft ist nicht auf Dauer. Zunächst einmal sei die Familie rechtmäßig hier, erklärt Michael Gundel, der Leiter der Ausländerbehörde im Rottweiler Landratsamt, auf Nachfrage der NRWZ. Die EU hat die Visa-Pflicht für Bosnien-Herzegowina 2010 aufgehoben. Die Leute dürften sich visumfrei bis zu 90 Tage hier aufhalten. Danach erst werde der Aufenthalt unerlaubt, „das ist eine Straftat, dann werden aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet“, erklärt Gundel.
Der Chef der Ausländerbehörde erwartet allerdings, dass die Familie erneut Asyl beantragt. Dieser Antrag war schon einmal gestellt worden und wurde dann abschlägig beschieden. Daher war die Familie offenbar vor Jahresfrist schon einmal wieder heimgekehrt, freiwillig, um der Abschiebung zuvor zu kommen, erfuhr die NRWZ schon am Sonntagabend.
Einen Asylantrag könne die Familie nur in einer Erstaufnahmestelle stellen, so Gundel weiter. Diese befinden sich in Karlsruhe und in Freiburg, „wir werden die Leute nach wenigen Tagen dorthin schicken“. Die kleine Verschnaufpause bekämen sie wiederum aus humanitären Gründen.
Die Unterkunft in Villingendorf werde also nur ganz kurzfristig gewährt werden können und müssen, da sind sich Gundel und Bucher einig. „Das ist eine Obdachlosenunterbringung“, so Gundel. Die Menschen bekämen „ein paar Tage Zeit.“ Mehr nicht.
Es könne, so erklärt der Leiter der Ausländerbehörde, aber durchaus sein, dass die Familie während des angelaufenen Asylverfahrens wieder dort auftauche – so schicke die Erstaufnahmestelle diese Leute, die es ein zweites Mal versuchten, „in der Regel“ wieder in den ursprünglichen Landkreis zurück. Und das Landratsamt weise, wenn möglich, durchaus wieder die ursprüngliche Gemeinde zu. Alles aus humanitären Gründen.
Es komme im Übrigen immer wieder vor, dass eine eigentlich abgelehnte Familie erneut auftaucht. Mit ungewisser Zukunftsprognose, allerdings. Das Asylverfahren gehe seinen Gang und könne durchaus wieder in eine Ablehnung und eine drohende Abschiebung münden.
Die elf Leute aus Bosnien-Herzegowina seien im Übrigen „ganz friedliche Mitbürger“, sagt Bürgermeister Bucher. „Sie können einem auch menschlich leid tun.“ Einer von ihnen sei in Villingendorf bereits in der Schule gewesen, das sei jetzt eine zweite Heimat. „Das ist von der menschlichen Seite her eine besondere Nummer. Aber sie sind eigentlich abgelehnt worden.“ Sie müssten also wahrscheinlich wieder ausreisen.