Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) will die AfD als „Verdachtsfall“ einstufen und dann auch entsprechend mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen, so meldeten es am Mittwoch verschiedene Medien. Die Partei sei verdächtig, rechtsextrem zu sein. Am Freitag hat das Verwaltungsgericht Köln dem Amt allerdings untersagt, die AfD als Verdachtsfall zu bezeichnen, bis in der Hauptsache entschieden sei.
Schon vor zwei Jahren hatte der Verfassungsschutz zwei Untergliederungen, den „Flügel“ und die Jungen Alternativen, so eingestuft. Doch dieses Gutachten blieb nach einem Urteil der Kölner Verwaltungsrichter offiziell unter Verschluss. netzpolitik.org, nach eigenen Angaben Plattform für digitale Freiheitsrechte, hat das „Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD“ aber veröffentlicht.
Die NRWZ hat das Gutachten ausgewertet und um weiteres, selbst recherchiertes Material aus meist öffentlich zugänglichen Quellen ergänzt. Warum? Die Verfassungsschützer zitieren immer wieder einen JA- und AfD-Funktionäre mit seinen mutmaßlich rechtsextremen Ansichten: den Stadt- und Kreisrat Reimond Hoffmann aus Rottweil.
Schon im Januar 2019 sah das BfV „Anhaltspunkte dafür, dass die AfD verfassungsfeindlich“ sei. netzpolitik.org war damals überzeugt, das Dokument gehöre „in die Öffentlichkeit und nicht in einen Panzerschrank“. Das BfV hatte es weggeschlossen, weil das Verwaltungsgericht in Köln auf Antrag der AfD entschieden hatte, „der Bezeichnung als ‚Prüffall‘ komme in der Öffentlichkeit eine negative Wirkung zu“. Zum Inhalt des Gutachtens sagte das Urteil aber nichts: „Die inhaltliche Bewertung der Positionen der AfD war nicht verfahrensrelevant.“
Das Gutachten
Die Verfassungsschützer untersuchen in ihrem Gutachten ausführlich die „Junge Alternative“ (JA), deren stellvertretender Bundesvorsitzender Hoffmann jahrelang war und um deren Bundesvorsitz er sich vergebens beworben hat. Dabei geht es den Gutachtern etwa um die Verbindungen der JA zu anderen neurechten Gruppen, um das Geschichtsbild der JA, die Beziehungen zur rechtsextremen „Identitäten Bewegung“ und die Einstellung zu Flüchtlingen und Ausländern.
Wer ist Reimond Hoffmann?
Reimond Hoffmann, 1987 in Arad in Rumänien geboren, hat 2007 in Freiburg Abitur gemacht, anschließend an der Dualen Hochschule in Karlsruhe studiert. Er war Mitglied der Jungen Union und der CDU. Später macht er an einer ungarischen Privatuniversität seinen Master. Zur Information, wonach ihn die Konrad-Adenauerstiftung (KAS) gefördert hat, schreibt Hoffmann der NRWZ: „Soweit ich mich erinnere, hatte ich kein Stipendium der KAS. Ich wurde ausgezeichnet durch ein Stipendium der ‚Baden-Württemberg-Stiftung‘.“
Seit seiner Kandidatur als AfDler für die Bundestagswahl 2016 im Kreis Rottweil lebt er in Rottweil. In seiner Bewerbung für die Bundestagskandidatur gab er an, „Persönlicher Mitarbeiter“ im Landtag von Baden-Württemberg des AfD-Abgeordneten Rainer Podeswa zu sein. Auf Nachfrage der NRWZ erklärt er heute, er sei „aktuell parlamentarischer Berater im Landtag von Baden-Württemberg – also nicht persönlicher Mitarbeiter“.
Hoffmann und die Saxo-Silesia
Laut BfV-Gutachten sei Hoffmann aktiv in der Burschenschaft „Saxo-Silesia Freiburg“. Ebenfalls ein Saxo-Silese sei Dubravko Mandic. Bei der „Saxo-Silesia Freiburg“ sei bei zwei Veranstaltungen 2014 und 2015 in Mandics Anwesenheit „Heil Hitler“ skandiert, der Hitlergruß gezeigt und NS-Liedgut wiedergegeben worden sein, so die Gutachter.
Dazu erklärt Hoffmann der NRWZ, er sei „kein Mitglied einer deutschen Burschenschaft, unterstütze die Deutsche Burschenschaft aber natürlich“.
Hoffmanns Verbindung zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB)
Auch zur „Identitären Bewegung“ (IB), die der Verfassungsschutz als rechtsextremistisch einstuft, hat Reimond Hoffmann mehrere Verbindungen. Das Verfassungsschutzgutachten berichtet, der Leverkusener AfD-Kreisverbandsvorsitzende und JA-Aktivist Yannick Noé sei gleichzeitig Chefredakteur des „Arcadi-Magazins“. Darin fänden sich „überwiegend Inhalte der Neuen Rechten“. Es berichte ausgiebig über Kampagnen und Inhalte der ‚Identitären Bewegung‘. Hoffmann warb auf seiner Facebookseite immer wieder für das Arcadi-Magazin.
Seine Verbindung zu Noe und dem Arcadi-Magazin bestätigt Hoffmann in seiner Mail an die NRWZ ausdrücklich: „Klar kenne ich Yannick Noe und das Arcadi-Magazin.“ Er sei stolz darauf, in diesem Magazin Artikel veröffentlicht zu haben.
„Fantastisch“
Mit dem Ultra-Rechts-Rapper Chris Ares alias Christoph Aljoscha Zloch kommt ein weiterer Bezugspunkt Hoffmanns zur IB: Am 29. Juli 2019 postet Hoffmann: „Fantastisch. Der patriotische Rapper Chris Ares kann sich in der Itunes hiphop-Parade platzieren.“ Dazu verlinkt er einen Artikel von „Arcadi online“
Ares klagt auf seiner Facebookseite einmal: „Mein Freund Martin Sellner wurde grundlos auf YouTube gelöscht.“ Sellner gilt als Kopf der IB in Österreich. An anderer Stelle zeigt Ares ein Foto einer IB-Demonstration in Augsburg.
Das Gutachten des Verfassungsschutzes zitiert zum Nachweis der Nähe Hoffmanns zur IB einen Facebookeintrag der JA vom November 2017. Da fordere der Bundesverband der JA in einem auf Facebook veröffentlichten Plakat mehr „eigene Kinder“ für das deutsche Volk. Dazu schreibe der Bundesvorstand:
„Die Deutschen haben das Kinderkriegen aufgegeben und das ist traurig. Unser stellvertretender Bundesvorsitzender Reimond Hoffmann dazu: ‚Der Fachkräftemangel muss aus eigener Kraft gedeckt werden. Wer glaubt, dass Deutschland nur mit Einwanderung gerettet werden könnte, vergisst, dass es ohne Deutsche kein Deutschland gibt.“
Einer der Schlüsselbegriffe der „Identitären“ ist die „Remigration“. Also das, was früher schlicht „Ausländer raus!“ hieß. Dazu das Verfassungsschutzgutachten: „Der AfD-Landtagsreferent und ehemalige JA-Funktionär Reimond Hoffmann stellte in einem Facebook-Beitrag vom Mai 2018 fest: „Wir brauchen dringend konsequente Remigration.“
Das Geschichtsbild der JA und Reimond Hoffmanns
Auch mit seinen Ansichten zur deutschen Geschichte fällt Hoffmann auf. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte am 8. Mai 2020, man könne Deutschland „nur mit gebrochenem Herzen lieben.“ Das kommentiert Hoffmann auf seiner Facebookseite so: „Ich kann Deutschland mit ganzem vollem, und ungebrochenem Herzen lieben“ Und er fügt an: „Wer bis zum Sankt Nimmerleinstag 12 Jahre aus 2000 Jahren deutscher Geschichte zum kompletten Dreh- und Angelpunkt seines Denkens macht, der hat echt psychische Probleme oder will Böses.“
Das passt zum Gaulandschen „Vogelschiss“ und zu Aussagen vom „vermeintlich die Deutschen gefangen haltenden Schuldkult“, die die Verfassungsschützer bei den Jungen Alternativen feststellen.
Bismarck und das Deutsche Reich
Seltener würden allerdings gebietsrevisionistische Ansichten innerhalb der JA öffentlich vertreten, so die Gutachter vom Verfassungsschutz. Aber Reimond Hoffmann macht‘s: Im Oktober 2017 hat er in seinem Facebook-Profil eine Grafik der Jungen Alternative veröffentlicht, auf der Otto von Bismarck sowie die Worte „Heimat, Volk, Tradition“ mit einer angedeuteten Karte Deutschlands in den Grenzen von 1937 hinterlegt wurden. Auch sei ein Reiter erkennbar, der sein Schwert in Richtung Osten richtet, haben die VS-Gutachter geschrieben.
Hoffmann erklärt dazu, es sei ein Aufkleber der JA gewesen „mit einer Figur von Bismarck vor stilisierter schwarz-rot-goldenen Farben mit angedeuteten Figuren. Irgendwelche Grenzen daraus zu interpretieren ist weit hergeholt.“
Bismarck ist für Hoffmann eine große Nummer: „Ich finde natürlich, dass Bismarck in unserem Land zu wenig geschätzt wird“, schreibt er der NRWZ. In seiner Bewerbung um die Bundestagskandidatur 2016 im Kreis Rottweil sagte er: „Ja zu einer Berliner Republik, die ihre souveränen Interessen im Bismarckschen Stil vertritt. Das heißt: Deutsche Interessen zuerst.“
Was steckt hinter diesen Ansichten?
Nach Ansicht des Verfassungsschutzes würde durch die Forderungen nach einer grundlegenden Umkehr in der Erinnerungspolitik an die Zeit des Nationalsozialismus „nicht nur diese so prägende Epoche der deutschen Geschichte relativiert“. Vielmehr werde „eine Anschlussfähigkeit der geäußerten Positionen an im Rechtsextremismus verbreitete geschichtsrevisionistische Motive geschaffen, die in letzter Konsequenz bis zur Kriegsschuld- und Holocaustleugnung führen könnten“, heißt es in dem Gutachten.
Hoffmann und die Asylfrage
Das wichtigste Thema für die „Junge Alternative“ bleibt aber die Ablehnung des Zuzugs von Flüchtlingen aus wirtschaftlichen Gründen. Das, so die Verfassungsschützer, stelle „zwar für sich genommen noch nicht die Menschenwürde von Flüchtlingen in Frage. Die Verwendung der bekannten rechtsextremistischen Parole „Deutschland den Deutschen“ deute aber darauf hin, „dass hier entgegen der Garantie der Menschenwürde ein ethnisch-biologisch beziehungsweise ethnisch-kulturell begründetes Volksverständnis vertreten“ werde.
Ein vollwertiger Deutscher könne also nur ein ethnischer Deutscher sein. In diesem Zusammenhang zitiert das VS-Gutachten einmal mehr Reimond Hoffmann: „Wir brauchen dringend konsequente Remigration.“
Am 17. Juli 2017 forderte der JA-Bundesverband in einem Facebook-Eintrag die Einführung einer „Verabschiedungskultur statt Vergewaltigungskultur“: Nach einer angeblichen Randale in Schorndorf schreibt der JA-Bundesvorstand auf Facebook: „1000 Jugendliche und junge Erwachsene zum ‚Großteil mit Migrationshintergrund‘ machen Randale – die Polizei muss Kräfte aus verschiedenen Kreisen zusammenziehen Unser stellvertretender JA-Bundesvorsitzender Reimond Hoffmann sagt dazu: Die Menschen, die herkommen um zu randalieren, zu belästigen, zu überfallen und Banden zu bilden müssen konsequent in ihre Heimat gebracht werden: Verabschiedungskultur statt Vergewaltigungskultur also.“
„Wenn wir kommen…“
In seinem Gutachten von 2019 kommt das Bundesamt für Verfassungsschutz zum Ergebnis, dass die JA zum Verdachtsfall erhoben werde. „Dem BfV liegen klare Anhaltspunkte für eine migrations- und insbesondere islamfeindliche Haltung der JA vor.“ Die Analyse der Aussagen der JA lege nahe, „dass sie die Würde des Menschen als obersten Wert der Verfassung nicht respektiert“.
Die JA richte sich nach den bisherigen Erkenntnissen auch gegen das Demokratieprinzip. Sie würden die Regierung und das gesamte politische System pauschal verächtlich machen. Den etablierten Parteien werde unverhohlen gedroht, heißt es im Gutachten. Ein Beispiel:
„Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk.“ Das sagte 2015 bei einer AfD-Demonstration in Erfurt der Vorsitzende der Jungen Alternative, Markus Cornel Frohnmaier, wie Hoffmann übrigens in Rumänien geboren.
Hoffmann war damals in führender Rolle dabei: „In Erfurt habe ich im letzten Jahr die Großdemonstrationen mit bis zu 8000 Demonstranten mitorganisiert und habe zuerst als Co-Chef und später als Chef der Ordnertruppe für die reibungslose Durchführung gesorgt“, berichtet er in seiner Bewerbung um die Bundestagskandidatur 2016. Frohnmaier ist heute AfD-Bundestagsabgeordneter und guter Freund Hoffmanns:
Reimond Hoffmann sitzt seit 2019 im Rottweiler Gemeinderat und im Kreistag.