Es ist die emotionalste Pressemitteilung des Landratsamts Rottweil seit, na: seit Menschengedenken. Sie geht so: „Nach langem Warten ist jetzt im Landkreis Rottweil endlich zusätzliche Schutzausrüstung angekommen.“ Die Adjektive „langem“ und „endlich“ stammen von der Behörde, nicht von uns, der Presse. Auch sonst hat die Mitteilung des Landratsamts ein paar nette Details zu bieten.
Die Nachricht dahinter: Das Land hat dem Landkreis 1000 MNS-Masken (Mund-Nasenschutz), 2500 FFP2-Masken sowie 5000 Einmalhandschuhe (entspricht 2500 Paar, vergisst das Amt nicht zu erwähnen) geliefert.
Klingt gut. Aber: „Dennoch reicht das Material in keinster Weise aus, um die Kliniken und Altenpflegeeinrichtungen im Landkreis zufriedenstellend und auf längere Zeit mit Schutzmaterialien auszustatten“, so die Behörde weiter. Anmerkung für Semantiker, Germanisten und Besserwisser: Ja, „in keiner Weise“ hätte vollauf genügt, „kein“ ist nicht steigerbar.
Die Behörde gibt sich darüber hinaus nicht zufrieden gestellt: „Es muss dringlichst zeitnah weiterer Nachschub vom Land kommen. Wenn jetzt einzelnen ambulanten Pflegediensten nur ein Päckchen mit zehn Mundschutzmasken zur Verfügung gestellt werden kann, dann ist alles gesagt“, so Kopp zur eingetroffenen Lieferung. Der aufmerksame Leser wundert sich: Wer ist dieser Kopp? Er taucht da erstmals in der Pressemitteilung auf und dann so ohne Vornamen und Titel? Aufklärung: Es ist der Erste Landesbeamte, der ständige allgemeine Stellvertreter des Landrats, mit Vornamen Hermann, Anm. d. Red.
Die Materialien seien am Freitagmorgen um 9.45 Uhr zentral angeliefert worden. Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel habe dann „sogleich um 10.30 Uhr“ den Verteilerausschuss einberufen, der die Aufteilung der überschaubaren Menge an die Einrichtungen in die Wege geleitet habe. Haben Sie’s bemerkt, liebe Leser? „Sogleich“ ist bei einem Landratsamt ein Äquvalent für eine dreiviertel Stunde.
Diesem Verteilerausschuss gehören, so heißt es in der Mitteilung weiter, neben Vertretern des Landratsamts auch welche der Kliniken und des Pflegebereichs im Landkreis an. Bereits um die Mittagszeit sei dann der Transport durch die Feuerwehr an die dringend wartenden Kliniken erfolgt, an 25 Pflegeeinrichtungen und 19 ambulante Dienste sowie das Gesundheitsamt.
„Wir sind sehr dankbar, dass uns die Feuerwehren so zuverlässig unterstützen und auch zunächst noch Kleinmengen zur Erprobung der Lieferkette ausfahren“, so Landrat Michel abschließend.
„Kleinmengen.“ Und oben schon „überschaubar“. Da sind doch glatt noch Ohrfeigen fürs Land im Text versteckt. Wir haben hart gelacht.
PS: Auf Anregung einer Leserin liefern wir hier eine bereits vorliegende Stellungnahme des Gesundheitsministeriums zum eigentlichen Vorwurf der Minderlieferung:
Das Land Baden-Württemberg arbeitet mit Hochdruck an der Beschaffung weiterer Schutzmasken sowie weiterer persönlicher Schutzausrüstung und Beatmungsgeräte. Erste Lieferungen wurden bereits an die baden-württembergischen Stadt- und Landkreise verteilt, teilt das Gesundheitsministerium mit.
Mit Hochdruck arbeitet die Landesregierung demnach an der Beschaffung weiterer Schutzmasken sowie weiterer persönlicher Schutzausrüstung (Schutzanzüge, -brillen, -handschuhe und so weiter) und invasiver sowie nicht-invasiver Beatmungsgeräte. Dies ist für eine gute und sichere medizinische sowie pflegerische Versorgung unabdingbar.
Erste große Lieferungen erfolgt
Erste Lieferungen für medizinisches Personal und den Pflegebereich seien im Land eingetroffen und unverzüglich an die baden-württembergischen Stadt- und Landkreise verteilt worden. Weitere Tranchen in größerem Umfang würden in den nächsten Tagen und Wochen erwartet.
In den ersten Tranchen seien mehr als 300.000 Schutzhandschuhe sowie über 300.000 Schutzmasken verschiedener Kategorien zur Verfügung gestellt worden. Außerdem habe das Unternehmen Daimler rund 110.000 FFP2-Masken bereitgestellt, von denen ein Teil bereits an die Landkreise weitergegeben worden sei.
Gesundheitsminister Manne Lucha: „Die in meinem Haus angesiedelte Task Force Beschaffung arbeitet Tag und Nacht. Im Kampf um weltweit knappe Ressourcen geben wir wirklich alles. Gleichzeitig müssen wir die Angebote sorgfältig prüfen, denn nicht alle Anbieter sind seriös. Es besteht sonst die Gefahr, dass wir wertvolle Zeit verlieren, unbrauchbare Ware erhalten und das Geld am Ende weg ist. Wir arbeiten in unserer Task Force rund um die Uhr an der Beschaffung weiterer Schutzausrüstung.“
Eine entsprechende Lieferung des Bundes mit Schutzausrüstung wurde bereits über die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg an niedergelassene Ärztinnen und Ärzte im Land verteilt.
Verteilschlüssel vereinbart
Das Ministerium für Soziales und Integration hat ein Logistikzentrum damit beauftragt, die Weiterverteilung der Schutzausrüstung an die Stadt- und Landkreise zu organisieren. Sämtliche Lieferungen werden zentral bei einer Spedition im Land zusammengeführt und nach einem mit den Kommunalen Landesverbänden vereinbarten Schlüssel unmittelbar verteilt:
- Stadt- und Landkreise: 70 Prozent
- Universitätsklinika (insgesamt fünf Einrichtungen): 15 Prozent
- Innenministerium: 10 Prozent
- Justizministerium: 5 Prozent
Die Landkreise übernehmen dann die Verteilung an alle Versorger im Kreis, einschließlich der Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Zahnärzte. Die Stadt- und Landkreise kennen die Einrichtungen vor Ort am besten – unter anderem Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, ambulante Pflegedienste und Zahnärzte – und können diese nach deren akutem Bedarf beliefern. Diese dezentrale Steuerung erlaubt einen zielgenauen Einsatz des Materials, welcher angesichts der Knappheit von Schutzausrüstung auf dem Weltmarkt das Gebot der Stunde ist.
„Ich möchte mich bereits heute bei allen Pflegerinnen und Pflegern, den Ärztinnen und Ärzten und dem medizinischen Personal im Land für den großen Einsatz und riesige Engagement in dieser schwierigen Zeit bedanken. Wir muten Ihnen eine Menge zu, und ich freue mich, dass wir uns auf Sie verlassen können“, so Minister Lucha.