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    Schließung der Notfallpraxis Oberndorf: Hier sind die Reaktionen

    Schließung der Notfallpraxis Oberndorf: Hier sind die Reaktionen

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    Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg hat heute offiziell bekannt gegeben, dass 18 Notfallpraxen im Land geschlossen werden sollen. Dazu gehören unter anderem die ärztliche Notfall-Praxis in Oberndorf sowie die für die westlichen Teile des Landkreises Rottweil relevante Notfall-Praxis in Wolfach. Hierzu gibt es einige kontroverse Reaktionen.

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    Gesundheitsminister Lucha: „Es ist jetzt die Zeit, die Weichen zu stellen für eine zukunftsfeste Gesundheitsversorgung.

    Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) reagierte am Montag wie folgt: „Wir müssen ehrlich sein zu den Bürgerinnen und Bürgern und ihnen reinen Wein einschenken: Ohne Veränderungen geht es angesichts knapper werdender personeller und finanzieller Ressourcen nicht. Wenn wir die ambulante Regelversorgung dauerhaft sicherstellen wollen, brauchen wir auch eine Neustrukturierung der Bereitschaftsdienste. Dazu gehört, dass knapper werdende Ressourcen gebündelt werden müssen und nun die Wege zu den ärztlichen Bereitschaftspraxen teilweise länger werden. Dabei gilt: Die Notfallversorgung muss und wird nach wie vor gesichert sein! Daran wird sich nichts ändern. Für Notfälle gilt also weiterhin: Rettungsdienst, Notärzte, Notaufnahmen der Krankenhäuser stehen wie bisher zur Verfügung. Bei dem jetzt von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) ausgearbeiteten Reformkonzept geht es um den ärztlichen Bereitschaftsdienst – also eine Überbrückung für medizinische Fälle, die nicht warten können, bis der Hausarzt wieder Sprechstunde hat.

    Jeder kann sich selber fragen: Wie oft hat er oder sie in seinem Leben abends oder am Wochenende einen Bereitschaftsdienst aufgesucht? Im Durchschnitt nutzt nach Auskunft der KVBW jeder Bürger dieses Angebot alle 5 bis 6 Jahre. Wir können den demografischen Wandel, die bevorstehende Verrentungswelle in der Ärzteschaft und den zunehmenden Wunsch nach Teilzeitarbeit bei Medizinern sowie den zunehmenden Ärztemangel schlicht nicht ignorieren: Wichtig ist, dass die wohnortnahe hausärztliche Versorgung gewährleistet bleibt. Und das geht nur, wenn wir Ressourcen effizient einsetzen. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass künftig auch bei uns der Grundsatz gilt: digital vor ambulant vor stationär. Deshalb ist es richtig und zukunftsweisend von der KV, heute ein entsprechendes Standortkonzept vorzulegen.

    Meine Forderungen sind diesbezüglich klar: Die KVBW muss das telemedizinische Angebot weiter massiv ausbauen und die Erreichbarkeit der Rufnummer 116 117 optimieren. Viele Fälle können zunächst auch so abgeklärt werden. Das ist im Übrigen auch für die Patientinnen und Patienten bequemer. Und der Fahrdienst muss ausgebaut werden, damit auch Menschen, die nicht mobil sind, erreicht werden.

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    Minister für Soziales, Gesundheit und Integration des Landes BW: Manne Lucha. (Foto: Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg / Jan Potente)

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    Bundestagsabgeordnete Weiss (CDU): „Ein herber Schlag“

    Bundestagsabgeordnete Maria-Lena Weiss kritisiert die Pläne der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, die Notfallpraxen in Oberndorf und Wolfach zu schließen, scharf. „Diese Entscheidung ist ein herber Schlag für die Notfallversorgung in unserer Region und kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt“, so Weiss. Die Notfallversorgung war bereits durch das letztjährige Urteil zur Sozialversicherungspflicht von Poolärzten erheblich beeinträchtigt worden. Nun steht mit der geplanten Schließung weiterer Notfallpraxen die Versorgungssicherheit für viele Menschen im ländlichen Raum erneut auf dem Spiel.

    „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Kassenärztliche Vereinigung gerade jetzt Schritte unternimmt, die die Versorgung weiter gefährden, während im Bundestag eine Lösung erarbeitet wird“, erklärt Weiss weiter. Sie fordert die Kassenärztliche Vereinigung auf, die Schließungen vorerst auszusetzen: „Ich appelliere an die KV, keine voreiligen Maßnahmen zu ergreifen, bis der Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung, der in der vergangenen Woche in erster Lesung im Bundestag beraten wurde, beschlossen ist.“

    Weiss betont, dass die CDU/CDU-Fraktion bereits 2023 im Bundestag konkrete Entlastungen für die Notfallversorgung gefordert hat. „Die Bundesregierung hat nun auf den Druck der Opposition reagiert und – wenn auch spät – unsere Vorschläge in ihrem neuen Gesetzentwurf aufgegriffen. Ich werde mich in den anstehenden Parlamentsberatungen dafür einsetzen, dass die Notfallversorgung in Deutschland insbesondere auch im ländlichen Raum nachhaltig gestärkt wird“, so Weiss.

    Hinweis: Diese Stellungnahme ist vor der Veröffentlichung der genauen Pläne der Kassenärztlichen Vereinigung abgegeben worden.

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    Maria-Lena Weiss. Foto: pm

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    Karrais: „Überlastung der Rettungsdienste und Notaufnahmen ist vorprogrammiert!

    Die Schließungspläne kritisiert der Rottweiler Landtagsabgeordnete Daniel Karrais (FDP): 
    „Der breite, öffentliche Protest, den die Schließungspläne in den letzten Tagen hervorgerufen hat und der sich auch heute bei der Verkündung zeigt, spricht für sich. Auch wenn wir hier nicht über lebensbedrohliche, medizinische Notfälle sprechen, lehne ich die Schließung der Notfallpraxis in Oberndorf und in Wolfach entschieden ab. Die Planungen werden massive Auswirkungen auf den Rettungsdienst haben und die Situation in den Notaufnahmen insbesondere in Oberndorf im kommenden Jahr dramatisch verschärfen. Es ist utopisch zu glauben, dass Pläne, die auf statistischen Annahmen für ganz Baden-Württemberg beruhen, die Versorgungslage für die Bevölkerung im Landkreis stabil halten. Daher haben wir als FDP-Kreistagsfraktion eine Resolution in den Kreistag eingebracht, die den Erhalt beider Standorte in Oberndorf und Wolfach fordert. Der Gesundheitsminister darf sich nicht weiter aus der Verantwortung wegducken. Alle Beteiligten sollten jetzt an einen Tisch geholt werden, um für die Bevölkerung eine akzeptable Lösung zu erarbeiten.“

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    Daniel Karrais. Foto: pm

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    SPD-Kreisverband Rottweil: „Schließung ist für Menschen fatal“

    Die medizinische Versorgung im ländlichen Raum wird immer schwieriger. Es fehlt an Fachärzten, aktuell besonders in der Kinder- und Jugendmedizin, große Herausforderungen sind zu meistern. Mit der Ankündigung, dass 17 Notfallpraxen in Baden-Württemberg geschlossen werden sollen, geht der Kahlschlag in der Gesundheitsversorgung weiter. Der SPD-Kreisverband Rottweil sieht diese Entwicklung mit größter Sorge und wehrt sich massiv gegen die Schließung der Notfallpraxis in Oberndorf. 

    SPD-Kreisvorsitzender Mirko Witkowski (Bild) wird deutlich: „Die Schließung der Notfallpraxis in Oberndorf wäre für die Menschen im Landkreis Rottweil fatal. Im Notfall schnell zum Arzt – genau dafür sind die Notfallpraxen da. Aber genau das funktioniert nicht mehr, wenn es im ganzen Kreis nur noch eine Notfallpraxis geben wird“, ist er überzeugt. Die Wege werden je nach Wohnort im Kreis sehr lang. Für viele Menschen mit einem gesundheitlichen Problem ist es nicht zumutbar, rund 45 Minuten bis zur nächsten Notfallpraxis zu fahren. Hinzu kommt, dass die Wartezeiten in der einzig verbleibenden Notfallpraxis deutlich länger werden.  

    Beim Blick über die Kreisgrenze wird außerdem schnell klar, dass durch die zusätzlich geplanten Schließungen von Wolfach und Herrenberg weitere Menschen im Landkreis Rottweil künftig von einer zunehmend schlechteren medizinischen Versorgung betroffen sein werden. 

    Die Pläne der Kassenärztlichen Vereinigung bedeuten einen nie dagewesenen Kahlschlag in der ambulanten Versorgung in Baden-Württemberg.  Innerhalb von 18 Monaten hätte die KVBW 30 Prozent aller allgemeinen Notfallpraxen im Land geschlossen. Die Leidtragenden sind die Kommunen, das Krankenhaus Oberndorf und ganz besonders all diejenigen Patientinnen und Patienten, die besonders dringend versorgt werden müssen“, so Witkowski weiter.  Es stehe die ernste Frage im Raum, ob die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg ihren gesetzlichen Sicherstellungsauftrag erfüllt. Sozialminister Lucha hat die Rechtsaufsicht über die KVBW und muss unmittelbar einschreiten, den KV-Vorstand einbestellen und den unverzüglichen Stopp dieser Pläne einfordern. 

    „Man kann sich gut vorstellen, wie die einzig verbleibende Notfallpraxis im Landkreis in Rottweil schnell an ihre Grenzen kommen wird, weil sie den großen Zustrom an Patientinnen und Patienten nicht mehr bewältigen kann. Das darf so nicht sein“, ist sich der SPD-Kreisvorstand einig und betont: „Wir alle hoffen, dass die KVBW die Schließungen zurücknimmt.“

     Mit einer Unterschriftenaktion und einem Infostand am Freitag, 25. Oktober, ab 9 Uhr auf dem Schuhmarktplatz in Oberndorf will der SPD-Kreisverband Rottweil zusammen mit dem direkt betroffenen SPD-Ortsverein Oberndorf möglichst viele Menschen im Kreis dazu bewegen, sich gegen die Schließungspläne der KVBW auszusprechen. Nur wenn wir uns im Landkreis Rottweil gemeinsam gegen die Pläne wehren und deutlich machen, dass der ländliche Raum durch solche Maßnahmen weiter von einer zwingend notwendigen gesundheitlichen Versorgung abgehängt wird, gibt es vielleicht eine Chance. Die SPD ruft in dieser Sache auch dazu auf, mit allen demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten, um die Schließung der Notfallpraxis in Oberndorf zu verhindern.

    Hinweis: Diese Stellungnahme ist vor der Veröffentlichung der genauen Pläne der Kassenärztlichen Vereinigung abgegeben worden.

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    Mirko Witkowski. Foto: pm

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    Stefan Teufel: „Werden dieses Vorhaben kritisch begleiten“

    Stefan Teufel, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzende und Landtagsabgeordneter, Rottweil: „Mit der geplanten Schließung der Notfallpraxen in Oberndorf und Wolfach entstehen für die Menschen in den Regionen eine wesentliche Verschlechterung des Zugangs zur medizinischen Versorgung. Die Kassenärztliche Vereinigung begründet das Vorhaben mit Engpässen in der Regelversorgung und Änderungen der Rahmenbedingungen. „Diese Begründung ist für mich nicht nachvollziehbar, da neben der Erreichbarkeit auch die tatsächliche Inanspruchnahme der Notfallpraxen von wichtiger Bedeutsamkeit ist. Des Weiteren muss die demografische Entwicklung gerade in einem Flächenlandkreis berücksichtigt werden. Die bestehenden Notfallpraxen entlasten auch den Rettungsdienst im Landkreis Rottweil. Die Kassenärztliche Vereinigung in Baden-Württemberg hat den Sicherstellungsauftrag im Land. Die CDU-Landtagsfraktion wird dieses Vorhaben der Kassenärztlichen Vereinigung parlamentarisch kritisch begleiten.“

    Hinweis: Diese Stellungnahme ist vor der Veröffentlichung der genauen Pläne der Kassenärztlichen Vereinigung abgegeben worden.

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    Stefan Teufel. Foto: pm
    NRWZ-Redaktion
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    Unter dem Label NRWZ-Redaktion beziehungsweise NRWZ-Redaktion Schramberg veröffentlichen wir Beiträge aus der Feder eines der Redakteure der NRWZ. Sie sind von allgemeiner, nachrichtlicher Natur und keine Autorenbeiträge im eigentlichen Sinne.Die Redaktion erreichen Sie unter redaktion@NRWZ.de beziehungsweise schramberg@NRWZ.de

    2 Kommentare

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    Stefan Weidle
    Stefan Weidle
    2 Monate her

    Die CDU-Landtagsfraktion wird dieses Vorhaben der Kassenärztlichen Vereinigung parlamentarisch kritisch begleiten.“
    Auch so eine drollige Aussage, wenn man nicht mehr weiter weiß, oder einen das Geschwätz von Gestern adenauernd nicht mehr interessiert, aber heute flott um die Ohren der eigenen Stammwählerschaft fliegt.

    Darum hier, die nächste Fehlkonstruktion: Die Pflegeversicherung
    Ausgerechnet nämlich die Südwest-CDU hat lange Zeit in den 1980er-Jahren nicht nur die Notwendigkeit einer Pflegeversicherung kategorisch bestritten, sondern auch Vorreiter in der SPD dazu scharf kritisiert. Die CDU-Alleinregierung unter Ministerpräsident Lothar Späth brachte 1990 dann doch einen von vielen Experten als unzulänglich beurteilten Gesetzentwurf für eine teilprivate Lösung in den Bundesrat ein.
    Der nächste CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel riskierte mit dem ausschlaggebenden Ja Baden-Württembergs in der Länderkammer entgegen aller Absprachen sogar den Fortbestand der Koalition mit der SPD. Deren Sozialpolitiker Werner Weinmann, selbst Unternehmer übrigens, nannte das Modell „niemals tragfähig über Jahrzehnte“.
    Zur Finanzierung des Arbeitgeberanteils wurde schlussendlich ein Feiertag, der Buß- und Bettag, abgeschafft.

    Quelle: Kontext Wochenzeitung, Ausgabe 707 vom 16.10.2024

    Zuletzt bearbeitet 2 Monate her von Stefan Weidle
    Stefan Weidle
    Stefan Weidle
    2 Monate her

    Das wird richtig übel werden und wir dürfen uns wohl in Zukunft auf das Schlimmste gefasst machen.
    Ob mir das weiterhilft, wenn ich nun die versammelte Parteienlandschaft zu Gehör bekomme, die mir zu erklären versucht, dass es jeweils immer nur an der jeweiligen Untätigkeit in der Regierungszeit des jeweiligen politischen Gegners liegt? Ich glaube kaum, denn dafür waren seit 1990 allesamt Alle ausreichend lange an der Macht, um etwas geändert gehabt haben zu können.
    Ich denke wir kriegen das was kommt für uns jeweils nur schön argumentiert, wenn wir unser jeweiliges Gegenüber in den Dreck ziehen, um von der eigentlichen Misere abzulenken.
    Helikoptereltern überfüllen mit ihren gegen alles allergischen Bälgern die Kinderärzte, die Alten sitzen aus Langeweile den Hausarzt zu, nur um mit Jemandem quatschen zu können, die ganzen Jugendlichen, die, die ja noch nie was geschafft und immer nur gekostet haben, verbrauchen sämtliche Therapeuten mit ihren Psycho-Problemen, kiffen halt alle und dann kommen noch die faulen Bürgergeldempfänger und sellade Flichtleng, die machen gar nix recht und allesamt sind wir ja sowieso kollektive schamlose Notaufnahmenausnutzer.
    Schöne neue Welt, ich frag mich nur eines. Wenn die Agenda 2010 so toll war, weil es keine Lohnsteigerungen gab, kaum eine Überstunde noch bezahlt wurde harte Hartz Gesetze alle Faulpelze zur Arbeit zwangen, kein Mindestlohn die Bilanzen trübte, das Russengas billig und kaum Flüchtlinge zu sehen waren, warum nur, ja warum nur, wenn genau das heute wieder als Allheillösung propagiert wird, warum nur ist dann heute alles so „am Arsch“? Da passt doch was nicht, oder?