Der Fall der Familie Iseni, die in ihre Heimat Nordmazedonien abgeschoben werden soll, sorgt weiter für Aufregung. Peter Lachenmaier aus Schenkenzell, der Refet Isfeni seit 2022 in seinem Malerbetrieb beschäftigt hat, hat eine Petition im Internet gestartet, die bereits fast 28.000 Menschen unterstützen. Nun hat sich auch die SPD-Bundestagsabgeordnete, Derya Türk-Nachbaur, die den Schwarzwald-Baar-Kreis und die Landkreise Rottweil und Tuttlingen betreut, zu Wort gemeldet. Allerdings gibt es offene Fragen.
Schenkenzell. Während die SPD-geführte Bundesregierung gerade mehr und schnellere Abschiebungen von ausreisepflichtigen Menschen fordert und ihnen sämtliche Unterstützung streichen möchte, übt Türk Nachbaur „scharfe Kritik und völliges Unverständnis an der drohenden Abschiebung von Refet Iseni, einem gut integrierten Familienvater und erfahrenen Facharbeiter, der in einem kleinen Handwerksbetrieb in Schenkenzell beschäftigt ist“.
Iseni, der seit 2022 im Maler- und Stuckateurbetrieb von Peter Lachenmaier arbeite, habe sich in Schenkenzell hervorragend eingelebt, spreche gut Deutsch
und habe gemeinsam mit seiner Frau und vier Kindern eine neue Heimat
gefunden. Doch nun drohe ihm und seiner Familie die Abschiebung nach
Nordmazedonien – eine Entscheidung, die Türk-Nachbaur als fatal und
unverständlich bezeichnet.
Ein Betrieb in Gefahr – Abschiebung bringt Unternehmen in Not
Der Maler- und Stuckateurbetrieb von Peter Lachenmaier, der seit etwa 20 Jahren in der Region aktiv ist, sei mit nur zwei Vollzeitkräften, darunter Refet Iseni, auf jeden einzelnen Mitarbeiter angewiesen. „“Herr Iseni ist nicht nur ein vorbildlicher
Arbeitnehmer, sondern auch eine erfahrene, verlässliche Fachkraft. Seine langjährige Berufserfahrung ist für unseren Betrieb unverzichtbar“, so Lachenmaier.
Iseni besaß eine Arbeitserlaubnis bis Ende August 2025, und Lachenmaier hatte fest darauf vertraut, dass er Iseni noch mindestens ein weiteres Jahr beschäftigen kann. Die vollen Auftragsbücher des Betriebs beruhen auf dieser Planung, und die plötzliche Entziehung der Arbeitserlaubnis mit drohender Abschiebung bringen den Betrieb in große Schwierigkeiten, heißt es in einer Pressemitteilung des Büros der Bundestagsabgeordneten.
„Wir haben Aufträge an Kunden im Landkreis Rottweil vergeben, die wir ohne Herrn Iseni nicht erfüllen können. Das ist für uns und unsere Kunden ein schwerer Schlag“, erklärt
Lachenmaier besorgt.
Familie Iseni – ein Vorbild an Integration und Fleiß
„Refet Iseni und seine Familie gehören zu den Menschen, die wir in Deutschland brauchen“, betonte Türk-Nachbaur. „Er kam als top ausgebildete Fachkraft nach Deutschland, arbeitet hart, bezahlt Steuern, und seine Kinder lernen fleißig in der Schule, sind bestens integriert. Es ist ein starkes Bekenntnis für unser Land und unsere Werte, wenn eine Familie sich nach all den Herausforderungen eines Neuanfangs hier so gut eingelebt hat.“
Auch Peter Lachenmaier fand lobende Worte für seinen Mitarbeiter: „Ich habe in meiner gesamten Laufbahn selten jemanden getroffen, der so zuverlässig und kompetent ist wie Herr Iseni. Sein Verlust wäre für uns alle ein herber Schlag.“
Ein Schicksal, das Menschlichkeit fordert
Refet Iseni und seine Familie flohen aus Nordmazedonien nach Deutschland, nachdem sie in ihrer Heimat mit dem Tod bedroht wurden. Iseni hatte sich dort geweigert, “Gelder zu veruntreuen” – eine Entscheidung, die ihn und seine Familie in Gefahr brachte. Nun droht der Familie die Abschiebung in ein Land, in dem sie nicht nur mit Verfolgung rechnen muss, sondern auch zu dem die Kinder keinerlei Bezug mehr haben.
Die beiden jüngsten Kinder der Familie haben ihre gesamte Schullaufbahn in Deutschland verbracht, sprechen akzentfrei Deutsch und sind fest in die örtliche Gemeinschaft integriert. Eine Abschiebung würde sie mitten im Schuljahr in ein fremdes Land reißen und ihre Zukunftsaussichten erheblich beeinträchtigen.
Diese Unsicherheit und die ständige Angst vor der Abschiebung belasten die Familie psychisch enorm und gefährden ihre Existenz.
Abschiebung ist der falsche Weg – Kritik an der schwarz-grünen Landesregierung
Türk-Nachbaur stellt sich entschieden gegen die geplante Abschiebung und fordert die Landesregierung von Baden-Württemberg auf, im Sinne der Menschen und der Betriebe in der Region zu handeln.
„Wir erleben hier ein Paradebeispiel dafür, wie Integration scheitern kann, wenn Politik und Verwaltung falsche Entscheidungen treffen. Es ist unverständlich, dass ein gut integrierter, deutsch sprechender, fleißiger Vater mit seiner Familie abgeschoben werden soll, während wir gleichzeitig über Arbeitskräfte klagen.“
Die Abgeordnete betonte, dass es gerade die schwarz-grüne Landesregierung in Baden-Württemberg sei, die Verantwortung dafür trage, solche Fehlentwicklungen zu korrigieren.
Fachkräftemangel und falsche Prioritäten
Auch Stimmen in der Bundespolitik stehen in der Verantwortung, weil sie durch überzogene Abschiebequoten und populistische Forderungen nach „immer mehr Abschiebungen“ den Fokus auf die falschen Personen richten: „Wir können es uns nicht leisten, gut integrierte und dringend benötigte Arbeitskräfte abzuschieben. Die Prioritäten müssen klar sein: Wir müssen diejenigen unterstützen, die bereits einen wertvollen Beitrag leisten.“
Türk-Nachbaur verwies auf den Fachkräftemangel im Handwerk, der durch Entscheidungen wie diese weiter verschärft werde. „Es ist absolut unverständlich, einen so wertvollen
Mitarbeiter wie Herrn Iseni zu verlieren, während seine Familie und er bereits fest in unserer Gesellschaft verankert sind.“
Appell an Innenminister Strobl und Ministerpräsident Kretschmann
In einem eindringlichen Appell fordert Türk-Nachbaur Innenminister Strobl und Ministerpräsident Kretschmann auf, die Abschiebung von Refet Iseni zu verhindern und eine Lösung zu finden, die es ihm ermöglicht, weiterhin in Deutschland zu arbeiten und zu leben.
„Deutschland darf nicht jene Menschen abschieben, die hier alles richtig gemacht haben. Wir brauchen ein Umdenken in der Abschiebepolitik – Menschlichkeit und Vernunft müssen Vorrang haben. Familie Iseni soll bleiben“, heißt es abschließend in der Erklärung der SPD-Bundestagsabgeordneten.
Nordmazedonien sicheres Herkunftsland?
Dass Nordmazedonien ein sicheres Herkunftsland wurde, haben die Innenminister des Bundes und der Länder jahrelang gefordert. Die Bundesregierung hat es dann Ende 2023 beschlossen. Menschen aus diesen Ländern haben dennoch in Deutschland individuelles Asylrecht. Sie müssen aber Nachweise für ihre Verfolgung liefern.
Asylantrag abgelehnt – kein Widerspruch eingelegt
Laut Lachenmaier hatte Refet Isfeni Asyl beantragt. Dieser Antrag sei abgelehnt worden. „Ein Einspruch gegen die Ablehnung von Refet wurde nie eingelegt, weil Refets Anwalt dieses Schreiben wohl nie erhalten haben soll…“, schreibt Lachenmaier in seinem Petitionsappell.
Mit seiner Petition wendet sich Lachenmaier an das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration, die Bundesregierung und die Härtefallkommission. Dieses beim Landesjustizministerium angesiedelte Gremium kann in Fällen wie der Familie Iseni aktiv werden. Einen Antrag können der Betroffene, ein Anwalt oder auch andere stellen.
Keinen Ablehnungsbescheid erhalten?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF) behaupte, den Bescheid dem Anwalt zugestellt zu haben und dies auch belegen zu können, berichtet Lachenmaier im Gespräch mit der NRWZ. Diesen Nachweis vorzulegen weigere sich das BaMF allerdings.
Die Familie Iseni und er selbst hätte aber keinen Ablehnungsbescheid erhalten. Das Landratsamt verweise mit Nachdruck an das Bundesamt, das zuständig sei.
Kein Antrag bei der Härtefallkommission
Auf Nachfrage der NRWZ, ob sich Isenis oder er schon an die Härtefallkommission des Landes gewandt haben, reagiert Lachenmaier erstaunt. Nein, das habe man noch nicht gemacht – und bedankt sich für den Tipp. Die unabhängige Kommission kann nur auf Antrag tätig werden, nicht von sich aus.
Bisher sei die Familie nur aus zwei Gründen noch nicht abgeschoben worden: Zum einen haben sie keine Pässe, zum anderen läuft noch das Asylverfahren der jüngsten Tochter.
Da habe der Anwalt Widerspruch gegen die Ablehnung eingelegt, „weil wir dem Anwalt Druck gemacht haben“. (him)