Eine nächtliche Ausgangssperre gibt es im Kreis Rottweil nicht – jedenfalls noch nicht. Dies teilte Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel bei der telefonischen Pressekonferenz mit.
Eine der Voraussetzungen dafür, eine entsprechende Allgemeinverfügung zu erlassen, liegt zwar laut Michel heute Abend vor: Dann sind es sieben Tage in Folge, dass die Inzidenz über 50 liegt. Verordnungsgeber und Gerichte haben aber noch weitere Voraussetzungen dafür gesetzt, dass zwischen 21 und 5 Uhr das Haus nur in Ausnahmefällen verlassen werden darf: „Eine Ausgangsbeschränkung muss verhältnismäßig sein“, beschrieb Michel das. Da muss zunächst ein „diffuses“ Infektionsgeschehen festgestellt werden. Und das sei „schwierig“ (Michel), denn fast die Hälfte der Ansteckungen sind ganz konkret den Ausbrüchen in drei Pflegeheimen und der Rottweiler Helios-Klinik zuzurechnen (Gesundheitsamts-Chef Dr. Heinz-Joachim Adam: „Wenn wir die alle herausrechnen, ist die Inzidenz bei 70.“). Sodann muss die konkrete Gefahr bestehen, dass den Intensivstationen der Kliniken im Kreis Überlastung droht – und das ist nicht der Fall. Eine Rolle spielt auch der Anteil der Virus-Mutationen an den Ansteckungen, der gerade die 20 Prozent erreicht hat.
Die Verantwortlichen im Kreis beobachten das Geschehen und werden dann auch ihre Entscheidung treffen: „Wir müssen die Lage in ein, zwei Tagen bewerten“, sagte Landrat Michel. „Das ist noch nicht in Zement gegossen.“
Die Ausbrüche in Zahlen: In Sulz sind in einem Pflegeheim 14 Menschen an Covid-19 erkrankt, davon acht Bewohner. Ins Krankenhaus musste aber nur eine Person – in diesem Heim wurde einmal geimpft, und daher war der Verlauf der Krankheit wesentlich leichter. „Die Impfung bewahrt vor schweren Verläufen“, betonte Michel. In einem zweiten Heim in Sulz waren es sechs Bewohner und fünf Beschäftigte. 16 Infizierte waren es in einem Oberndorfer Heim. Zehn Patienten und 20 Beschäftigte waren in der Helios-Klinik angesteckt.
Angesteckt haben sich laut Dr. Adam über 30 Menschen mit einer Virus-Mutation, überwiegend der britischen Variante. „Das lässt sich gut identifizieren“, berichtete er: Beispielsweise war eine Reiserückkehrerin aus Bosnien infiziert eingereist. Sie war zwar in Quarantäne, hatte aber während dieser Zeit Kontakt zu Arbeitskollegen. „Wir müssen schauen, dass die Quarantäne auch eingehalten wird“, bemerkte der Gesundheitsamts-Chef. Eine Überwachung „ist aber flächig nicht möglich“, bedauerte er. Ein Reisender aus einer Universitätsstadt und ein tschechischer Fernfahrer waren weitere Importeure von Mutationen.
Unter den Angesteckten bilden nicht die Ältesten (70 plus) die größte Gruppe, es sind vielmehr die 50- bis 59-Jährigen, die den größten Anteil haben. Und auch die Twens (20 – 29 Jahre) sind gut dabei.
Der Betrieb im Kreisimpfzentrum (KIZ) läuft. Inzwischen ist es an fünf Tagen in der Woche offen, und das lässt sich auf sieben Tage mit Doppelschicht ausweiten, wie Kreisbrandmeister Nicos Laetsch sagte. Verabreicht werden in dieser Woche 1300 Dosen Biontech-Impfstoff und 1350 von Astrazeneca. „Wenn jemand seine Astrazeneca-Dosen nicht loskriegt, kann er sie gerne zu uns schicken, hier werden sie verimpft“, kommentierte Michel die aktuelle Diskussion über den Impfstoff.
Keine Impfung zwischen 65 und 79
Auf eine seltsame Blüte im Impfgeschehen machte die ärztliche Leiterin des KIZ, Martine Hielscher, aufmerksam: Der Impfstoff von Biontech sei derzeit den über 80-Jährigen vorbehalten. Der Astrazeneca-Stoff darf andererseits an über 65-Jährige nicht ausgegeben werden. „Zwischen 65 und 80 gibt es also keine Möglichkeit zum Impfen“, sagte sie. Und Landrat Michel kommentierte. Wenn aber die Menschen immer länger arbeiten sollen, sollten sie auch Schutz bekommen, wenn sie dem Virus exponiert seien.