Bei einem öffentlichen Termin diese Woche fiel das auf: Rottweils Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel war von Herren in schwarzen Anzügen umgeben, die ihn und seine Umgebung offensichtlich im Blick behalten haben. Zudem waren die Herren mit Ohrhörern ausgestattet, mit Kommunikationsmitteln. Offenbar also Leibwächter. Steht der Landrat unter Personenschutz?
Das Landratsamt, erste Anlaufstelle für die NRWZ, machte am Mittwoch dazu keine Angaben. Man erteile zu Sicherheitsfragen keine Auskunft, erklärte eine Sprecherin, die damit die offensichtliche Tatsache bestätigte, dass ihr Dienstherr unter Schutz steht. Für Sicherheitsfragen sei die Polizei zuständig, man möge sich bitte an das Polizeipräsidium Konstanz wenden, erklärte die Sprecherin.
Auch aus dem Polizeipräsidium sind die Informationen dürftig, weswegen ein dortiger Sprecher gleich um Verständnis bittet. Er könne nicht auf jedes sicherheitsrelevante Detail eingehen, sagte er. Dafür haben wir Verständnis.
Und doch wurde er ein wenig genauer: „Landrat Dr. Michel hat keinen Personenschutz in unserem Sinne“, so der Sprecher des Präsidiums. „Dieser Begriff ist zwar geläufig, aber im polizeilichen Sinne in der Regel nur gefährdeten Mandatsträgern vorbehalten“, erklärt er. Wie neulich, beim Besuch des Bundespräsidenten, erkenne man den polizeilichen Personenschutz an der Begleitung durch zivile Beamte und gepanzerte Fahrzeuge.
Die Landespolizei führe dennoch, aber jeweils nur in geprüften Einzelfällen, Schutzmaßnahmen durch. „Das kann zum Beispiel bei Veranstaltungen erfolgen, bei denen auftretende Redner vor irrational handelnden Personen geschützt werden müssen“, ergänzt der Polizeisprecher. „Dies kann bei Bürgermeistern genauso der Fall sein, wie bei Abgeordneten oder eben dem Landrat.“ Das bedeutet offenbar, dass sich Landrat Dr. Michel nicht in einer akuten Bedrohungslage befindet. Sondern dass die Polizei die Möglichkeit sieht, dass ein verwirrter Mensch ihn im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung angreift. Dies soll durch die Leibwächter verhindert werden, wie es scheint.
Mit der aktuellen politischen Lage und ihren Herausforderungen – „die Flüchtlingskrise“ von 2015, die Coronamaßnahmen, die Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine – bringt der Sprecher des Polizeipräsidiums die Schutzmaßnahmen für den Landrat aber ausdrücklich nicht in Verbindung. Ohne freilich ins Detail gehen zu können.
Bei der Polizei gebe es explizit Fachbereiche, die sich um solche Sicherheitslagen kümmern und diese analysieren, so der Konstanzer Polizeisprecher. „Wird es notwendig, werden eben Schutzmaßnahmen angeordnet.“
Allerdings könne es auch bei Behörden sein, dass private Dienste in Anspruch genommen werden. Bei der Zulassungsstelle war etwa ebenfalls ein Sicherheitsdienst eingesetzt, der die Maskenpflicht kontrollierte. „Hierauf haben wir allerdings keinen Einfluss“, so der Polizeisprecher abschließend, das habe mit den Herren, die den Landrat schützen, nichts zu tun.
Bereits im Juli 2019 ist beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg eine Hotline für Amts- und Mandatsträger eingerichtet worden, die zunehmend mit Respektlosigkeit, Anfeindungen und aggressivem Verhalten konfrontiert werden – auch schon auf kommunaler Ebene. Innenminister Thomas Strobl damals: „Wir gewährleisten eine kompetente Beratung für diejenigen, die sich in unsere Gesellschaft einbringen.“ Die bei der Fachabteilung Staatsschutz angebundene Ansprechstelle bewertet, berät und vermittelt bei Bedarf unmittelbaren Kontakt zu den bereits vorhandenen spezialisierten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern vor Ort bei den regionalen Polizeipräsidien.