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    Konventionelle Wurst zu Bio umetikettiert: Bauern aus dem Kreis Rottweil eher milde bestraft

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    Weil sie herkömmliche Metzgerei-Wurst auf ihrem Hof als Bioware verkauft haben, hatten sich zwei Landwirte aus einer Gemeinde bei Rottweil am Montag vor dem Amtsgericht zu verantworten. Zwar züchten sie in einem ihrer Betriebe Bio-Schweine, haben tatsächlich aber in großen Mengen Wurst hinzugekauft und dann falsch etikettiert. Das flog bei einer Kontrolle auf, der Hof wurde 2019 von der Polizei und Leuten des Landratsamts durchsucht. Die Landwirte standen nun vor dem Rottweiler Amtsgericht. Und schwiegen zunächst zu den Vorwürfen, ließen ihre Anwälte sprechen. Diese nutzen eine überraschende Vorlage durch die Richterin, das Verfahren wurde gegen eine Geldbuße eingestellt.

    Sonja und Bernd T.* sind Landwirte in einer Rottweiler Kreisgemeinde. Sie betreiben seit gut zehn Jahren einen inzwischen bio-zertifizierten Bauernhof samt Laden und kleiner Gastronomie. Und sollen dort falsch etikettierte Wurstwaren verkauft haben. So sollen sie in großen Mengen konventionelle, zugekaufte Wurst mit einem Bio-Label versehen haben – die sie dann verkaufen wollten und auch verkauft haben, so der Vorwurf. Daher erhielten die beiden Strafbefehle, denn Täuschung und Irreführung sind strafbar. Gegen diese Strafbefehle wehrten sie sich vor dem Amtsgericht Rottweil. Recht erfolgreich.

    Rückblick: Im September 2019 kam es zu einer Lebensmittelkontrolle bei einer Metzgerei im Zollernalbkreis. Der Kontrolleur fand eine Wurstdose, die offenkundig falsch etikettiert war. Darauf: ein Bio-Label. Drin: ganz gewöhnliche Wurst, so sein Verdacht. Er begann, dem nachzugehen.

    Massive Kontrolle

    Die Spur führte in die Nähe von Rottweil, denn die Zollernalb-Metzgerei belieferte damals den Betrieb der angeklagten Landwirte. Nur Tage später ist deshalb deren Bauernhof von Lebensmittelkontrolleuren kontrolliert worden. Man wurde laut der Behörde fündig: Mindestens 20 Bratwurstdosen mit je 300 Gramm, gekauft von der Metzgerei, sollen die Landwirte mit eigener Banderole beklebt haben. Bio, statt konventionell. Diese sollten auf dem eigenen Hof verkauft werden.

    Den Besuch der Kontrolleure erlebten die Landwirte als massiv. Man sei ein kleiner Familienbetrieb, komme kaum damit klar, wenn vier Amtspersonen so auftreten würden, schrieb die Bäuerin später in einer Mail an den Chef des Kreis-Veterinäramts. Zudem würde der Tagesablauf darunter leiden. Und man fühle sich zu schnellen, unüberlegten Aussagen gezwungen. Die gefundene Wurst sei jedenfalls nur für den Verbrauch in einer zum Betrieb gehörenden Gastronomie vorgesehen gewesen.

    Was die Kontrolleure beanstandeten: Es geht um Bratwurstdosen, gerauchte Würste und Landjäger, die zunächst konventionell von der Metzgerei hergestellt wurden. Die sind dann – auf dem Betrieb im Kreis Rottweil – mit eigener Bio-Banderole versehen worden. Auch Schwarz- und Leberwurst, Bierschinken, Landjäger und Speck haben die Landwirte so falsch gekennzeichnet, um sie zu verkaufen. So soll es seit Dezember 2018 gelaufen und auf der Hofladen-Website beworben worden sein. Erklärte jedenfalls die Staatsanwaltschaft. Einige Verhandlungsstunden später steht fest, dass es wohl so oder so ähnlich war. Aber vielleicht auch aus einem Unwissen heraus und nicht aus Gewinnerzielungsabsicht, viel Geld macht man in der Landwirtschaft heute ohnehin nicht mehr.

    Der juristische Vorwurf: Das seien jeweils Verstöße gegen Paragraf 11, Absatz 1, Nummer 1 des Lebensmittel- und Futtergesetzes. Die beiden sollen Lebensmittelkennzeichnungen verfälscht haben, die so veränderten Lebensmittel in Verkehr gebracht und dafür auf ihrer Website geworben haben. Mithin geht es auch um Urkundenfälschung.

    Eisige Stimmung im Saal

    Im Juli 2021 erhielten die Hofbetreiber Strafbefehle, dagegen haben beide Einspruch eingelegt. Und wollten dann vor dem Amtsgericht „zum jetzigen Zeitpunkt“ keine Angaben machen. Der Fall wurde also komplett neu aufgerollt. Und war zunächst auf zwei Prozesstage terminiert.

    Die Stimmung im Saal: teils recht eisig, und das nicht nur, weil die Fenster zwischenzeitlich geöffnet sind, man an der frischen Luft prozessiert. „Ich möchte einfach, dass hier sauber verhandelt wird“ – der Verteidiger des Angeklagten will hier schon in der ersten Stunde Prozessdauer anscheinend den ersten dicken Nagel einschlagen. Spricht der Richterin – die sich dagegen verwehrt – die Unabhängigkeit ab, weil sie in seinen Augen ungenau die Besitzverhältnisse auf den am mutmaßlichen Betrug beteiligten Betrieben wiedergegeben hat. Bittet um eine Unterbrechung von fünf Minuten, um sich mit dem Kollegen, der die Angeklagte verteidigt, und mit den Mandanten zu beraten.

    Doch dann: Nebelkerze statt Nagel. Der zunächst aggressiv auftretende Rechtsanwalt verzichtet auf eine Erklärung, die Verhandlung kann fortgesetzt werden. Später wird er die Quittung für sein Verhalten bekommen – als sich die Richterin für eine Mittagspause entscheidet, die ihm erklärtermaßen viel zu lange erscheint.

    Wie alles aufflog

    Zurück zur Verhandlung, Aussage eines breitschultrigen, 40-jährigen Fleischermeisters aus dem Zollernalbkreis. Er kenne die Angeklagten „durch die Geschäftsbeziehung“, die inzwischen beendet, die ausgelaufen sei. Er arbeitete vertraglich als Subunternehmer für das Landwirtspaar. Anfänglich seien beide gemeinsam aufgetreten, dann habe der Landwirt Schweine aus einem Zweigbetrieb seines Hofs bei ihm schlachten lassen und zudem wöchentlich wohl für seinen Hofladen Wurstwaren gekauft. Schwarzwurst in Ringen, beispielsweise, Landjäger als Paare, jeweils in Kisten. Die Bestellung sei per Fax gekommen, donnerstags gegen halb Zehn wurde die Ware abgeholt, vom Angeklagten. Die Würste „gingen bei uns von der normalen Produktion weg.“ Konventionell hergestellte Wurst. Wer das Bestellfax gesendet, wer es unterschrieben habe, das wisse er nicht.

    Beispiel: Ein Landjäger kostete die Landwirte, das ergab eine Rechnungsaufstellung der Metzgerei, im Einkauf 95 Cent.

    Wie alles aufflog: Der Lebensmittelkontrolleur des Landratsamts Zollernalb fand eine nicht korrekt verschlossene Bratwurstdose. Diese hatte der angeklagte Landwirt zuvor zum Metzger zurückgebracht, weil dieser sie noch mal sehen wollte – und die war offenkundig inzwischen umgelabelt, mit Bio-Kennzeichen versehen. Diese fand dann der Kontrolleur, zufällig auch an diesem Tag vor Ort. Man habe festgestellt, dass die Wurst darin ausnahmsweise nicht richtig gekocht worden und – mutmaßlich absichtlich – schon gar nicht Bio sei. Dem ging die Behörde dann nach.

    Aufarbeitung des Falles

    Nächste Aussage vor dem Amtsgericht: Der 58-jährige Lebensmittelkontrolleur des Landratsamts Rottweil hatte nach eigenen Angaben „von den Kollegen der Überwachung Balingen“ Hinweise darauf bekommen, dass es bei der Wurst aus dem Betrieb der Angeklagten Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Von der Metzgerei gekaufte Wurstdosen seien reklamiert und der Metzgerei zurückgebracht worden. Dort habe sie der Kollege Kontrolleur gefunden – zwischenzeitlich wie von Zauberhand als Bio-Ware gekennzeichnet. „Bei diversen Würsten haben wir über ein Labor in Freiburg festgestellt“, dass darin keine Biowurst enthalten gewesen sei. Auch habe das Landwirteppaar auf der eigenen Website den Verbrauchern suggeriert, dass sie Biowurst verkaufen würden:

    „Da wurde Biowurst ausgelobt, und das war nicht in jedem Fall gegeben“, so der Kontrolleur. Die Folge: Polizei eingeschaltet, Hausdurchsuchung beim Betrieb im Kreis Rottweil.

    Die Mitarbeiter des Landratsamts Rottweil und die Landwirte kannten sich zu dem Zeitpunkt laut dem Lebensmittelkontrolleur schon seit Jahren. Die Behörde habe insgesamt viermal versucht, auf die Bauern einzuwirken, die Kennzeichnung ihrer Wurst richtig vorzunehmen. Unabhängig von der Bio-Labelung muss es schon Etikettierprobleme mit dem Betrieb gegeben habe. „Ich wüsste nicht, ob ein fünftes Gespräch das Ganze noch vertieft hätte“, so der Mann vom Rottweiler Landratsamt vor dem Amtsgericht. Es geht um die Verwendung von EU-Labeln, die so, wie von den Landwirten an den Waren angebracht, den Metzger als Produzenten ausgewiesen hätten und auch als rechtlich Verantwortlichen. Nicht sie. Unterdessen füllt sich der Verhandlungssaal allmählich, etwa auch Mitarbeiterinnen des Landratsamts interessieren sich für den Verhandlungsverlauf. Auch der Lebensmittelkontrolleur bleibt nach seiner Aussage als Zuhörer im Saal.

    Ein Balinger Lebensmittelkontrolleur sagt aus. Der 54-Jährige schildert den Fall für seinen Kollegen, war damals nicht selbst in der Metzgerei im Zollernalbkreis. Seiner Erinnerung nach gab es einen Rückruf von Bauernbratwurst-Dosen, die nicht richtig verschlossen gewesen seien, seitens der Metzgerei. Man habe festgestellt, dass nunmehr auf den Dosen ein Bio-Label geklebt habe. Auch habe es vermeintliche Bio-Landjäger gegeben, obschon die Metzgerei grundsätzlich keine solche herstelle. „Da ging ja die Sache los.“ Das Landratsamt Zollernalb schaute sich zunächst den Betrieb bei Balingen genau an. Gab dann an die Rottweiler Kollegen ab.

    Der 52-jährige Rottweiler Veterinär, der den Betrieb in der Kreisgemeinde mit zwei Kolleginnen und einem Kollegen aufgesucht hat, erinnert sich daran, dass dieser über die Jahre in mehrere Unternehmensbereiche gewachsen sei. Ein Gesamtbereich, der unter der Überwachung der Rottweiler Behörde stehe. „Es war uns bekannt, dass nicht alles vor Ort produziert wird, sondern auch im Service beziehungsweise im Einzelhandel bezogen wird.“ Und bei jener Kontrolle, ausgelöst durch die Kollegen aus dem Nachbarkreis, hätten die Rottweiler festgestellt, dass „hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht.“ Schon allein die Tatsache, dass der Bio-Mastbetrieb der Landwirte die Menge, die in ihrem Hofladen später als Bioware dann verkauft worden sei, bei weitem nicht selbst erbracht habe. Ein Punkt, an dem die Verteidigung ansetzen wollte – denn diese Aussage könne der Veterinär nicht auf Unterlagen stützen, so der Vorwurf eines eines Verteidigers. Es gebe schlicht keine. Der Veterinär zeigte dagegen Lieferscheine vor. Der Knackpunkt: Die vorliegenden Lieferscheine hat die Metzgerei ausgestellt. Wie viele Schweine gewissermaßen als Rohprodukt der Bio-Mastbetrieb der beiden Landwirte an die Metzgerei geliefert hat, sei aber nicht erfasst.

    Herkömmlich statt Bio

    Die angebliche Bioware im Verkauf: „Seit drei Monaten hat es sich nur um konventionelle Ware gehandelt.“ Das habe die Kontrolle ergeben, so der Veterinär. Gestützt auch auf Laborproben, bei denen etwa die Gewürze bestimmt worden seien, die in den Würsten waren. Es sei Senf darin gewesen, der nur in konventioneller Ware vorkommen dürfe. Der zudem als Allergen gilt, entsprechend ausgewiesen sein müsste. Auch sei Fleisch festgestellt worden, tonnenweise, das aus einem gewöhnlichen Großhandel stammt. Auch dieses könnte als Bio-Ware ausgegeben worden sein, so der Verdacht der Ermittler. Belegen konnten sie das freilich nicht.

    Eine von den Behördenvertretern erstellte Liste mit Wurstwaren, die bei der knapp zweistündigen, richterlich genehmigten Durchsuchung des Hofs durch die Polizei und das Landratsamt aufgefunden und die mutmaßlich falsch gekennzeichnet worden seien, geht über vier DIN-A-4-Seiten. Nicht verkehrsfähige Ware, wie die Kontrolleure das nennen. Sie sei dann von den Hofbetreibern umetikettiert worden. Einen Tag später sei das erledigt gewesen. Nun wurde die Wurst so verkauft, wie es ihr entspricht: als konventionell.

    Die wiederum im hofeigenen Bio-Mastbetrieb gehaltenen Schweine seien fast alle an EDEKA gegangen, um dort geschlachtet zu werden. Es gibt da ein Nachverfolgungssystem für Tiere, so die Behördenvertreter unisono. Dieses könne das nachweisen.

    Heute kein Bio mehr

    Inzwischen haben die Landwirte ihren Bio-Mastbetrieb ausgebaut, kennzeichnen ihre zugekaufte Ware nach Ansicht des Landratsamts Rottweil nun korrekt. Die Wurst stammt nun von einer Metzgerei in der Kreisgemeinde, nicht weitab vom Betrieb der beiden.

    Im Prozess zeigten die Verteidiger der angeklagten Landwirte ihren Ansatz: nämlich die jeweilige Verantwortung ihrer Mandanten abzugrenzen. Wer wann was unterschieben, wer wann für den jeweiligen Betrieb zuständig gewesen sei, etwa. Welcher Betrieb beauftragte wann was. Der zugrundeliegende Rechtsgrundsatz: In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten. Einer der kontrollierenden Veterinäre legte sich da schon fest: „In der Regel“ seien der Behörde gegenüber beide Angeklagten als Ansprechpartner aufgetreten.

    Dann die überraschende Wende

    Überraschenderweise machte die Richterin in diesem Prozessstadium – die Angeklagten schwiegen beharrlich, die Rechtsanwälte verbissen sich in Details, knapp eine Stunde lang waren prozessrelevante Dokumente wie etwa Rechnungen verlesen worden – ein Angebot: Weil den Kunden des Bauernhofs gesundheitlich nicht geschadet worden sei, könne vielleicht auf ein Urteil verzichtet werde. Weil die beiden Angeklagten zuvor nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren, zudem. Wenngleich sie auch klarmachte, dass sie den vorgeworfenen Straftatbestand verwirklicht sah.

    Einer der Prozessbeteiligten fasste sich schnell: „Man kämpft jeden Tag, man hat versucht, durch den Abverkauf der Produkte ein neues Marktfeld aufzumachen. Übrig ist kein Geld.“ So schilderte der Anwalt des Landwirts dessen Situation. Die Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt Rottweil sei außerdem nicht immer fruchtbar gewesen, den beiden Bauern nicht immer geholfen worden. Ferner sei sein Mandant „nur der Ehemann“ gewesen, sei nie der Geschäftsführer des Betriebs oder seiner Teile gewesen.

    Er bekomme als Angestellter einen monatlichen Nettolohn von 960 Euro.

    „Man hat versucht, an die richtigen Infos zur Etikettierung zu kommen“, das EU-Recht sei inzwischen so kompliziert, dass es den beiden Angeklagten schwer gefallen sei, alles richtig zu machen. So ließ sich der Anwalt der Landwirtin ein.

    Sie habe durch Corona 15.000 bis 20.000 Euro Minus gemacht, erklärte diese. Sie wie auch ihr Mann hatten da die Sprache wiedergefunden.

    Es wurde noch ein wenig verhandelt. Am Ende stand das Strafangebot für den Landwirt fest: 900 Euro, zahlbar in sechs Raten. Der ursprüngliche Strafbefehl lag bei Weitem darüber, wie hoch genau, erfuhr die NRWZ auch auf Nachfrage nicht. Die Geldstrafe für die Landwirtin: ein Gesamtbetrag von 1500 Euro, auch in Raten zahlbar.

    Gegen diese Zahlungen ist in Abstimmung mit der Vertreterin der Staatsanwaltschaft das Verfahren nach Paragraf 153a, Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt worden. Ein Teil der Summe geht an das DRK Rottweil.

    Es war zunächst ein zweiter Verhandlungstag angesetzt. Die Richterin verkürzte mit ihrem Vorstoß damit das gesamte Verfahren.

    *Namen von der Redaktion geändert.

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    Peter Arnegger (gg)
    Peter Arnegger (gg)
    … ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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    Massive Kontrolle

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    Was die Kontrolleure beanstandeten: Es geht um Bratwurstdosen, gerauchte Würste und Landjäger, die zunächst konventionell von der Metzgerei hergestellt wurden. Die sind dann – auf dem Betrieb im Kreis Rottweil – mit eigener Bio-Banderole versehen worden. Auch Schwarz- und Leberwurst, Bierschinken, Landjäger und Speck haben die Landwirte so falsch gekennzeichnet, um sie zu verkaufen. So soll es seit Dezember 2018 gelaufen und auf der Hofladen-Website beworben worden sein. Erklärte jedenfalls die Staatsanwaltschaft. Einige Verhandlungsstunden später steht fest, dass es wohl so oder so ähnlich war. Aber vielleicht auch aus einem Unwissen heraus und nicht aus Gewinnerzielungsabsicht, viel Geld macht man in der Landwirtschaft heute ohnehin nicht mehr.

    Der juristische Vorwurf: Das seien jeweils Verstöße gegen Paragraf 11, Absatz 1, Nummer 1 des Lebensmittel- und Futtergesetzes. Die beiden sollen Lebensmittelkennzeichnungen verfälscht haben, die so veränderten Lebensmittel in Verkehr gebracht und dafür auf ihrer Website geworben haben. Mithin geht es auch um Urkundenfälschung.

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    Im Juli 2021 erhielten die Hofbetreiber Strafbefehle, dagegen haben beide Einspruch eingelegt. Und wollten dann vor dem Amtsgericht „zum jetzigen Zeitpunkt“ keine Angaben machen. Der Fall wurde also komplett neu aufgerollt. Und war zunächst auf zwei Prozesstage terminiert.

    Die Stimmung im Saal: teils recht eisig, und das nicht nur, weil die Fenster zwischenzeitlich geöffnet sind, man an der frischen Luft prozessiert. „Ich möchte einfach, dass hier sauber verhandelt wird“ – der Verteidiger des Angeklagten will hier schon in der ersten Stunde Prozessdauer anscheinend den ersten dicken Nagel einschlagen. Spricht der Richterin – die sich dagegen verwehrt – die Unabhängigkeit ab, weil sie in seinen Augen ungenau die Besitzverhältnisse auf den am mutmaßlichen Betrug beteiligten Betrieben wiedergegeben hat. Bittet um eine Unterbrechung von fünf Minuten, um sich mit dem Kollegen, der die Angeklagte verteidigt, und mit den Mandanten zu beraten.

    Doch dann: Nebelkerze statt Nagel. Der zunächst aggressiv auftretende Rechtsanwalt verzichtet auf eine Erklärung, die Verhandlung kann fortgesetzt werden. Später wird er die Quittung für sein Verhalten bekommen – als sich die Richterin für eine Mittagspause entscheidet, die ihm erklärtermaßen viel zu lange erscheint.

    Wie alles aufflog

    Zurück zur Verhandlung, Aussage eines breitschultrigen, 40-jährigen Fleischermeisters aus dem Zollernalbkreis. Er kenne die Angeklagten „durch die Geschäftsbeziehung“, die inzwischen beendet, die ausgelaufen sei. Er arbeitete vertraglich als Subunternehmer für das Landwirtspaar. Anfänglich seien beide gemeinsam aufgetreten, dann habe der Landwirt Schweine aus einem Zweigbetrieb seines Hofs bei ihm schlachten lassen und zudem wöchentlich wohl für seinen Hofladen Wurstwaren gekauft. Schwarzwurst in Ringen, beispielsweise, Landjäger als Paare, jeweils in Kisten. Die Bestellung sei per Fax gekommen, donnerstags gegen halb Zehn wurde die Ware abgeholt, vom Angeklagten. Die Würste „gingen bei uns von der normalen Produktion weg.“ Konventionell hergestellte Wurst. Wer das Bestellfax gesendet, wer es unterschrieben habe, das wisse er nicht.

    Beispiel: Ein Landjäger kostete die Landwirte, das ergab eine Rechnungsaufstellung der Metzgerei, im Einkauf 95 Cent.

    Wie alles aufflog: Der Lebensmittelkontrolleur des Landratsamts Zollernalb fand eine nicht korrekt verschlossene Bratwurstdose. Diese hatte der angeklagte Landwirt zuvor zum Metzger zurückgebracht, weil dieser sie noch mal sehen wollte – und die war offenkundig inzwischen umgelabelt, mit Bio-Kennzeichen versehen. Diese fand dann der Kontrolleur, zufällig auch an diesem Tag vor Ort. Man habe festgestellt, dass die Wurst darin ausnahmsweise nicht richtig gekocht worden und – mutmaßlich absichtlich – schon gar nicht Bio sei. Dem ging die Behörde dann nach.

    Aufarbeitung des Falles

    Nächste Aussage vor dem Amtsgericht: Der 58-jährige Lebensmittelkontrolleur des Landratsamts Rottweil hatte nach eigenen Angaben „von den Kollegen der Überwachung Balingen“ Hinweise darauf bekommen, dass es bei der Wurst aus dem Betrieb der Angeklagten Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Von der Metzgerei gekaufte Wurstdosen seien reklamiert und der Metzgerei zurückgebracht worden. Dort habe sie der Kollege Kontrolleur gefunden – zwischenzeitlich wie von Zauberhand als Bio-Ware gekennzeichnet. „Bei diversen Würsten haben wir über ein Labor in Freiburg festgestellt“, dass darin keine Biowurst enthalten gewesen sei. Auch habe das Landwirteppaar auf der eigenen Website den Verbrauchern suggeriert, dass sie Biowurst verkaufen würden:

    „Da wurde Biowurst ausgelobt, und das war nicht in jedem Fall gegeben“, so der Kontrolleur. Die Folge: Polizei eingeschaltet, Hausdurchsuchung beim Betrieb im Kreis Rottweil.

    Die Mitarbeiter des Landratsamts Rottweil und die Landwirte kannten sich zu dem Zeitpunkt laut dem Lebensmittelkontrolleur schon seit Jahren. Die Behörde habe insgesamt viermal versucht, auf die Bauern einzuwirken, die Kennzeichnung ihrer Wurst richtig vorzunehmen. Unabhängig von der Bio-Labelung muss es schon Etikettierprobleme mit dem Betrieb gegeben habe. „Ich wüsste nicht, ob ein fünftes Gespräch das Ganze noch vertieft hätte“, so der Mann vom Rottweiler Landratsamt vor dem Amtsgericht. Es geht um die Verwendung von EU-Labeln, die so, wie von den Landwirten an den Waren angebracht, den Metzger als Produzenten ausgewiesen hätten und auch als rechtlich Verantwortlichen. Nicht sie. Unterdessen füllt sich der Verhandlungssaal allmählich, etwa auch Mitarbeiterinnen des Landratsamts interessieren sich für den Verhandlungsverlauf. Auch der Lebensmittelkontrolleur bleibt nach seiner Aussage als Zuhörer im Saal.

    Ein Balinger Lebensmittelkontrolleur sagt aus. Der 54-Jährige schildert den Fall für seinen Kollegen, war damals nicht selbst in der Metzgerei im Zollernalbkreis. Seiner Erinnerung nach gab es einen Rückruf von Bauernbratwurst-Dosen, die nicht richtig verschlossen gewesen seien, seitens der Metzgerei. Man habe festgestellt, dass nunmehr auf den Dosen ein Bio-Label geklebt habe. Auch habe es vermeintliche Bio-Landjäger gegeben, obschon die Metzgerei grundsätzlich keine solche herstelle. „Da ging ja die Sache los.“ Das Landratsamt Zollernalb schaute sich zunächst den Betrieb bei Balingen genau an. Gab dann an die Rottweiler Kollegen ab.

    Der 52-jährige Rottweiler Veterinär, der den Betrieb in der Kreisgemeinde mit zwei Kolleginnen und einem Kollegen aufgesucht hat, erinnert sich daran, dass dieser über die Jahre in mehrere Unternehmensbereiche gewachsen sei. Ein Gesamtbereich, der unter der Überwachung der Rottweiler Behörde stehe. „Es war uns bekannt, dass nicht alles vor Ort produziert wird, sondern auch im Service beziehungsweise im Einzelhandel bezogen wird.“ Und bei jener Kontrolle, ausgelöst durch die Kollegen aus dem Nachbarkreis, hätten die Rottweiler festgestellt, dass „hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht.“ Schon allein die Tatsache, dass der Bio-Mastbetrieb der Landwirte die Menge, die in ihrem Hofladen später als Bioware dann verkauft worden sei, bei weitem nicht selbst erbracht habe. Ein Punkt, an dem die Verteidigung ansetzen wollte – denn diese Aussage könne der Veterinär nicht auf Unterlagen stützen, so der Vorwurf eines eines Verteidigers. Es gebe schlicht keine. Der Veterinär zeigte dagegen Lieferscheine vor. Der Knackpunkt: Die vorliegenden Lieferscheine hat die Metzgerei ausgestellt. Wie viele Schweine gewissermaßen als Rohprodukt der Bio-Mastbetrieb der beiden Landwirte an die Metzgerei geliefert hat, sei aber nicht erfasst.

    Herkömmlich statt Bio

    Die angebliche Bioware im Verkauf: „Seit drei Monaten hat es sich nur um konventionelle Ware gehandelt.“ Das habe die Kontrolle ergeben, so der Veterinär. Gestützt auch auf Laborproben, bei denen etwa die Gewürze bestimmt worden seien, die in den Würsten waren. Es sei Senf darin gewesen, der nur in konventioneller Ware vorkommen dürfe. Der zudem als Allergen gilt, entsprechend ausgewiesen sein müsste. Auch sei Fleisch festgestellt worden, tonnenweise, das aus einem gewöhnlichen Großhandel stammt. Auch dieses könnte als Bio-Ware ausgegeben worden sein, so der Verdacht der Ermittler. Belegen konnten sie das freilich nicht.

    Eine von den Behördenvertretern erstellte Liste mit Wurstwaren, die bei der knapp zweistündigen, richterlich genehmigten Durchsuchung des Hofs durch die Polizei und das Landratsamt aufgefunden und die mutmaßlich falsch gekennzeichnet worden seien, geht über vier DIN-A-4-Seiten. Nicht verkehrsfähige Ware, wie die Kontrolleure das nennen. Sie sei dann von den Hofbetreibern umetikettiert worden. Einen Tag später sei das erledigt gewesen. Nun wurde die Wurst so verkauft, wie es ihr entspricht: als konventionell.

    Die wiederum im hofeigenen Bio-Mastbetrieb gehaltenen Schweine seien fast alle an EDEKA gegangen, um dort geschlachtet zu werden. Es gibt da ein Nachverfolgungssystem für Tiere, so die Behördenvertreter unisono. Dieses könne das nachweisen.

    Heute kein Bio mehr

    Inzwischen haben die Landwirte ihren Bio-Mastbetrieb ausgebaut, kennzeichnen ihre zugekaufte Ware nach Ansicht des Landratsamts Rottweil nun korrekt. Die Wurst stammt nun von einer Metzgerei in der Kreisgemeinde, nicht weitab vom Betrieb der beiden.

    Im Prozess zeigten die Verteidiger der angeklagten Landwirte ihren Ansatz: nämlich die jeweilige Verantwortung ihrer Mandanten abzugrenzen. Wer wann was unterschieben, wer wann für den jeweiligen Betrieb zuständig gewesen sei, etwa. Welcher Betrieb beauftragte wann was. Der zugrundeliegende Rechtsgrundsatz: In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten. Einer der kontrollierenden Veterinäre legte sich da schon fest: „In der Regel“ seien der Behörde gegenüber beide Angeklagten als Ansprechpartner aufgetreten.

    Dann die überraschende Wende

    Überraschenderweise machte die Richterin in diesem Prozessstadium – die Angeklagten schwiegen beharrlich, die Rechtsanwälte verbissen sich in Details, knapp eine Stunde lang waren prozessrelevante Dokumente wie etwa Rechnungen verlesen worden – ein Angebot: Weil den Kunden des Bauernhofs gesundheitlich nicht geschadet worden sei, könne vielleicht auf ein Urteil verzichtet werde. Weil die beiden Angeklagten zuvor nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren, zudem. Wenngleich sie auch klarmachte, dass sie den vorgeworfenen Straftatbestand verwirklicht sah.

    Einer der Prozessbeteiligten fasste sich schnell: „Man kämpft jeden Tag, man hat versucht, durch den Abverkauf der Produkte ein neues Marktfeld aufzumachen. Übrig ist kein Geld.“ So schilderte der Anwalt des Landwirts dessen Situation. Die Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt Rottweil sei außerdem nicht immer fruchtbar gewesen, den beiden Bauern nicht immer geholfen worden. Ferner sei sein Mandant „nur der Ehemann“ gewesen, sei nie der Geschäftsführer des Betriebs oder seiner Teile gewesen.

    Er bekomme als Angestellter einen monatlichen Nettolohn von 960 Euro.

    „Man hat versucht, an die richtigen Infos zur Etikettierung zu kommen“, das EU-Recht sei inzwischen so kompliziert, dass es den beiden Angeklagten schwer gefallen sei, alles richtig zu machen. So ließ sich der Anwalt der Landwirtin ein.

    Sie habe durch Corona 15.000 bis 20.000 Euro Minus gemacht, erklärte diese. Sie wie auch ihr Mann hatten da die Sprache wiedergefunden.

    Es wurde noch ein wenig verhandelt. Am Ende stand das Strafangebot für den Landwirt fest: 900 Euro, zahlbar in sechs Raten. Der ursprüngliche Strafbefehl lag bei Weitem darüber, wie hoch genau, erfuhr die NRWZ auch auf Nachfrage nicht. Die Geldstrafe für die Landwirtin: ein Gesamtbetrag von 1500 Euro, auch in Raten zahlbar.

    Gegen diese Zahlungen ist in Abstimmung mit der Vertreterin der Staatsanwaltschaft das Verfahren nach Paragraf 153a, Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt worden. Ein Teil der Summe geht an das DRK Rottweil.

    Es war zunächst ein zweiter Verhandlungstag angesetzt. Die Richterin verkürzte mit ihrem Vorstoß damit das gesamte Verfahren.

    *Namen von der Redaktion geändert.

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