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    Kalken des Waldes: Pro und Contra

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    Im August haben wir in unserer Online Ausgabe über eine große Waldkalkaktion im Raum Schramberg-Lauterbach-Schiltach berichtet. Am heutigen Samstag ist der Hubschrauber ein letztes Mal bei Schiltach unterwegs. Ob die Aktion dem Wald und seinen Bewohnern hilft, ist Ansichtssache.

    Vom Hubschrauber aus ließen die Kommunen insgesamt etwa 1200 Hektar Wald kalken. Je Hektar wurden gut drei Tonnen Kalk verstreut. Die Aktion kostet etwa 350.000 Euro, den Löwenanteil tragen das Land und die EU.  

    „Das Pulver ist Dolomitkalk aus Empfingen“, erläuterte Matthias Schupp, Sachgebietsleiter Privatwald im Forstamt im Landratsamt Rottweil, “es ist angefeuchtet, damit es nicht zu sehr staubt.“ Die Waldkalkung solle das Bodenmilieu verbessern und die Säure im Waldboden abpuffern, die die dort lebenden Kleinlebewesen schädige.

    Hubschrauber an einer Kalkladestation bei Sulzbach.

    Dank der Kalkung verbessere sich die Humusbildung und die Waldgesundheit insgesamt, versichert Schupp. Die Forstverwaltung lasse den Waldboden in der Forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg untersuchen, um zu bestimmen, wo mit welchem Material gekalkt wird und wo nicht. Biotope und Bäche sind  beispielsweise tabu.

    Darauf weist auch Wilhelm Brüstle aus Aichhalden hin. Der Vorsitzende des Bezirksimkervereins Oberndorf hat bei seinem Bienenstand in Rötenberg, 800 Meter von der Schenkenteller Gemarkungsgrenze, also außerhalb der Kalkungszone, beobachtet, dass „alles mit einer grauen Kalkschicht überdeckt (war), das Unterholz, der Waldboden, die Bäume und genauso auch der Bienenstapel“. Seine Bienen hätten „die honigenden Tannen beflogen und in der Kalkschicht nach Honigtau gesucht“. Weil es nicht geregnet habe, sei der Kalk aber nicht abgewaschen worden.

    Brüstle  findet, die Forstleute sollten sich mehr Gedanken über die Insekten und Kleinlebewesen des Waldes, wie Lachniden (Honigtauerzeuger) machen, „die unter dieser Aktion leiden oder ganz zerstört werden“.

    Biene auf Ringelblume. Foto: him

    Das sei „nicht ganz falsch“, bekennt Forstfachmann Schupp. Beim Kalken gehe es um eine Abwägung.  „Wir bewegen uns im Spannungsfeld Naturschutz – Umweltschutz.“ Will sagen:  Betrachtet man nur Pflanzen und Tiere, kommt man zu einem anderen Ergebnis, als wenn man das gesamte Ökosystem anschaut. Es gebe für beide Ansichten starke wissenschaftliche Argumente. Deshalb seien auch einige Bundesländer wie auch die Schweiz gegen das Kalken. Baden-Württemberg habe sich dafür entschieden.

    Was geschieht mit den Insekten?

    Das Kalken an sich sei für Bienen oder Ameisen nicht gefährlich, versichert Schupp. Insekten mache der entstehende Staub zu schaffen. „Der setzt sich auf den Fühlern und Atmungsorganen ab.“ Deshalb versuche man, beim Kalken die Staubentwicklung möglichst gering zu halten und feuchte das Material an. „Aber bei der Hitze in diesem Sommer….“

    Brüstle hat noch eine andere Beobachtung gemacht: „In Rötenberg gab es im Gewann Segelacker vor Jahrzehnten an einem Waldtrauf sechs bis acht überdimensionale Waldameisenhügel. Die Honigtauerzeuger liefern für die Waldameisen eine Nahrungsgrundlage, deshalb werden sie von den Ameisen so gepflegt wie die Milchkühe vom Landwirt.“ Zwei Jahre nach einer Waldkalkung seien die ganzen Ameisenhügel abgestorben gewesen.

    Ameisenhaufen.

    Förster Schupp ist überzeugt, der Kalk könne da nicht wirklich die Ursache gewesen sein. „Wenn Kalk am Boden liegt, krabbeln die Ameisen drüber und es passiert ihnen nichts.“ Dass einzelne Ameisen durch den Staub sterben, sei möglich, aber ein ganzes Volk?  Auch glaubt Schupp nicht, dass  die Waldameisen so abhängig von den Lachniden seien. „Es gibt ja immer wieder Jahre ohne Honigtau.“  Die Waldameisen seien „nicht nur Läusemelker, sondern ernähren sich von toten Insekten, Larven und Pflanzensäften“.  

    Warum nicht im Winter?

    Brüstle betont, er sei „kein Gegner von einer Kalkung des Waldes und selbst auch Waldbesitzer. Wenn eine Übersäuerung der Waldböden durch die Maßnahme verhindert wird, ist das ja auch sinnvoll.“ Nur den Zeitpunkt im Sommer hält er für falsch:  „Würden die Kalkungen von November bis März durchgeführt, wären die Bienen, Wildbienen und Ameisen in der Winterruhe.“ In diesem Zeitraum könnte durch eine Waldkalkung dem Ökosystem Wald kaum Schaden entstehen.

    Prinzipiell gibt ihm Schupp Recht: „Es wäre eigentlich richtig, im Winter zu kalken.“ Bisher dauert die Kalkungsphase vom 1. Juli bis Ende Oktober. Das Frühjahr scheidet für Kalkungen wegen der Brutzeit der Vögel aus. Würde man im November beginnen, bestehe immer die Gefahr eines Wintereinbruchs.  

    Da der Kalk angefeuchtet werde, könnte er zu gefährlichen Klumpen zusammenfrieren und eine Kalkung unmöglich machen.  „Wir hätten dann auch enorme logistische Probleme, die Hubschrauberpiloten müssten ihre Arbeit einstellen und wieder  beginnen, wenn der Schnee weg ist.“ Auch der Transport des Kalks zu den Ladeplätzen wäre sehr viel schwieriger. Auf ebenen Flächen könnte auch im Winter mit großen Gebläsen der Kalk in die Wälder geblasen werden, im Schwarzwald gehe das aber kaum.

    Das feuchte Material würde im Winter zu Klumpen gefrieren.

    Für Brüstle spricht gegen den Sommer auch, dass bei Gewitter und Starkregengüssen „ein Teil des Kalks weg gespült wird und in den Bächen und Flüssen ankommt und nicht  den Waldboden verbessert“. Das sei im Winter oder im Frühjahr bei der Schneeschmelze noch stärker ein Problem, meint dagegen Schupp.

    Brüstle berichtet, er habe immer wieder die Förster darauf hingewiesen, dass das Kalken im Winter besser wäre.  Bei zwei Jahren Vorlaufzeit „müsste doch auch ein Zeitpunkt im Winterhalbjahr möglich sein“. Auch der für den Raum Lauterbach-Schiltach zuständige Förster Holger Wöhrle hielte es für sinnvoller, „eher im Oktober, November bei uns zu kalken, auch mit Rücksicht auf den Tourismus“. Schupp erläutert, dass die Termine nicht vor Ort, sondern zentral vom Regierungspräsidium aus bestimmt würden. Die Bedenken des Aichhaldener Imkers kann er im Prinzip nachvollziehen. Vielleicht werde ja der Klimawandel eine Änderung bringen: „Wenn die Winter immer milder und die Sommer immer heißer werden?“

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    Martin Himmelheber (him)
    Martin Himmelheber (him)
    ... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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    Im August haben wir in unserer Online Ausgabe über eine große Waldkalkaktion im Raum Schramberg-Lauterbach-Schiltach berichtet. Am heutigen Samstag ist der Hubschrauber ein letztes Mal bei Schiltach unterwegs. Ob die Aktion dem Wald und seinen Bewohnern hilft, ist Ansichtssache.

    Vom Hubschrauber aus ließen die Kommunen insgesamt etwa 1200 Hektar Wald kalken. Je Hektar wurden gut drei Tonnen Kalk verstreut. Die Aktion kostet etwa 350.000 Euro, den Löwenanteil tragen das Land und die EU.  

    „Das Pulver ist Dolomitkalk aus Empfingen“, erläuterte Matthias Schupp, Sachgebietsleiter Privatwald im Forstamt im Landratsamt Rottweil, “es ist angefeuchtet, damit es nicht zu sehr staubt.“ Die Waldkalkung solle das Bodenmilieu verbessern und die Säure im Waldboden abpuffern, die die dort lebenden Kleinlebewesen schädige.

    Hubschrauber an einer Kalkladestation bei Sulzbach.

    Dank der Kalkung verbessere sich die Humusbildung und die Waldgesundheit insgesamt, versichert Schupp. Die Forstverwaltung lasse den Waldboden in der Forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg untersuchen, um zu bestimmen, wo mit welchem Material gekalkt wird und wo nicht. Biotope und Bäche sind  beispielsweise tabu.

    Darauf weist auch Wilhelm Brüstle aus Aichhalden hin. Der Vorsitzende des Bezirksimkervereins Oberndorf hat bei seinem Bienenstand in Rötenberg, 800 Meter von der Schenkenteller Gemarkungsgrenze, also außerhalb der Kalkungszone, beobachtet, dass „alles mit einer grauen Kalkschicht überdeckt (war), das Unterholz, der Waldboden, die Bäume und genauso auch der Bienenstapel“. Seine Bienen hätten „die honigenden Tannen beflogen und in der Kalkschicht nach Honigtau gesucht“. Weil es nicht geregnet habe, sei der Kalk aber nicht abgewaschen worden.

    Brüstle  findet, die Forstleute sollten sich mehr Gedanken über die Insekten und Kleinlebewesen des Waldes, wie Lachniden (Honigtauerzeuger) machen, „die unter dieser Aktion leiden oder ganz zerstört werden“.

    Biene auf Ringelblume. Foto: him

    Das sei „nicht ganz falsch“, bekennt Forstfachmann Schupp. Beim Kalken gehe es um eine Abwägung.  „Wir bewegen uns im Spannungsfeld Naturschutz – Umweltschutz.“ Will sagen:  Betrachtet man nur Pflanzen und Tiere, kommt man zu einem anderen Ergebnis, als wenn man das gesamte Ökosystem anschaut. Es gebe für beide Ansichten starke wissenschaftliche Argumente. Deshalb seien auch einige Bundesländer wie auch die Schweiz gegen das Kalken. Baden-Württemberg habe sich dafür entschieden.

    Was geschieht mit den Insekten?

    Das Kalken an sich sei für Bienen oder Ameisen nicht gefährlich, versichert Schupp. Insekten mache der entstehende Staub zu schaffen. „Der setzt sich auf den Fühlern und Atmungsorganen ab.“ Deshalb versuche man, beim Kalken die Staubentwicklung möglichst gering zu halten und feuchte das Material an. „Aber bei der Hitze in diesem Sommer….“

    Brüstle hat noch eine andere Beobachtung gemacht: „In Rötenberg gab es im Gewann Segelacker vor Jahrzehnten an einem Waldtrauf sechs bis acht überdimensionale Waldameisenhügel. Die Honigtauerzeuger liefern für die Waldameisen eine Nahrungsgrundlage, deshalb werden sie von den Ameisen so gepflegt wie die Milchkühe vom Landwirt.“ Zwei Jahre nach einer Waldkalkung seien die ganzen Ameisenhügel abgestorben gewesen.

    Ameisenhaufen.

    Förster Schupp ist überzeugt, der Kalk könne da nicht wirklich die Ursache gewesen sein. „Wenn Kalk am Boden liegt, krabbeln die Ameisen drüber und es passiert ihnen nichts.“ Dass einzelne Ameisen durch den Staub sterben, sei möglich, aber ein ganzes Volk?  Auch glaubt Schupp nicht, dass  die Waldameisen so abhängig von den Lachniden seien. „Es gibt ja immer wieder Jahre ohne Honigtau.“  Die Waldameisen seien „nicht nur Läusemelker, sondern ernähren sich von toten Insekten, Larven und Pflanzensäften“.  

    Warum nicht im Winter?

    Brüstle betont, er sei „kein Gegner von einer Kalkung des Waldes und selbst auch Waldbesitzer. Wenn eine Übersäuerung der Waldböden durch die Maßnahme verhindert wird, ist das ja auch sinnvoll.“ Nur den Zeitpunkt im Sommer hält er für falsch:  „Würden die Kalkungen von November bis März durchgeführt, wären die Bienen, Wildbienen und Ameisen in der Winterruhe.“ In diesem Zeitraum könnte durch eine Waldkalkung dem Ökosystem Wald kaum Schaden entstehen.

    Prinzipiell gibt ihm Schupp Recht: „Es wäre eigentlich richtig, im Winter zu kalken.“ Bisher dauert die Kalkungsphase vom 1. Juli bis Ende Oktober. Das Frühjahr scheidet für Kalkungen wegen der Brutzeit der Vögel aus. Würde man im November beginnen, bestehe immer die Gefahr eines Wintereinbruchs.  

    Da der Kalk angefeuchtet werde, könnte er zu gefährlichen Klumpen zusammenfrieren und eine Kalkung unmöglich machen.  „Wir hätten dann auch enorme logistische Probleme, die Hubschrauberpiloten müssten ihre Arbeit einstellen und wieder  beginnen, wenn der Schnee weg ist.“ Auch der Transport des Kalks zu den Ladeplätzen wäre sehr viel schwieriger. Auf ebenen Flächen könnte auch im Winter mit großen Gebläsen der Kalk in die Wälder geblasen werden, im Schwarzwald gehe das aber kaum.

    Das feuchte Material würde im Winter zu Klumpen gefrieren.

    Für Brüstle spricht gegen den Sommer auch, dass bei Gewitter und Starkregengüssen „ein Teil des Kalks weg gespült wird und in den Bächen und Flüssen ankommt und nicht  den Waldboden verbessert“. Das sei im Winter oder im Frühjahr bei der Schneeschmelze noch stärker ein Problem, meint dagegen Schupp.

    Brüstle berichtet, er habe immer wieder die Förster darauf hingewiesen, dass das Kalken im Winter besser wäre.  Bei zwei Jahren Vorlaufzeit „müsste doch auch ein Zeitpunkt im Winterhalbjahr möglich sein“. Auch der für den Raum Lauterbach-Schiltach zuständige Förster Holger Wöhrle hielte es für sinnvoller, „eher im Oktober, November bei uns zu kalken, auch mit Rücksicht auf den Tourismus“. Schupp erläutert, dass die Termine nicht vor Ort, sondern zentral vom Regierungspräsidium aus bestimmt würden. Die Bedenken des Aichhaldener Imkers kann er im Prinzip nachvollziehen. Vielleicht werde ja der Klimawandel eine Änderung bringen: „Wenn die Winter immer milder und die Sommer immer heißer werden?“

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