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    NRWZ.deLandkreis Rottweil"Ich verkaufe keine Fußball-Tickets!" - Zimmerner wird gleich doppelt abgezockt

    „Ich verkaufe keine Fußball-Tickets!“ – Zimmerner wird gleich doppelt abgezockt

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    Er wollte nur das Spiel Freiburg-Gladbach erleben. Eine Fußball-Bundesligapartie, die bekanntlich zum Knaller geworden ist, Drama pur. Doch statt im Stadion mitzufiebern, wurde ein Zimmerner Bürger Opfer eines Betrügers – und das gleich doppelt. Das Stichwort: Identitätsmissbrauch. Vom Betrüger genutzt: Ebay Kleinanzeigen, WhatsApp, die Berliner sogenannte „Neobank“ N26 – und Ausweisfotos seines Opfers. So wurde der Zimmerner nicht nur um Geld geprellt, sondern tritt unfreiwillig auch noch selbst als vermeintlicher Ticketverkäufer auf.

    Nennen wir ihn Herrn Schulze. Tatsächlich trägt er einen seltenen Namen, lässt sich mit diesem und seinem Wohnort Zimmern leicht ergoogeln. Doch der Reihe nach: Schulze sucht online nach Tickets für die Bundesligapartie SC Freiburg gegen Borussia Mönchengladbach. Das war am vergangenen Dienstag. Weil Schulze ein Schnäppchenjäger ist, schaut er nicht bei einer offiziellen Ticketbörse vorbei, sondern versucht’s auf „Ebay Kleinanzeigen“. Und wird auch gleich fündig: „Ich habe vier Bundesliga-Tickets für das Spiel“, steht da. „Bitte kontaktieren Sie mich unter meiner WhatsApp-Nummer 0176-…“

    „Bin einem Betrug aufgesessen“ – doch es kommt noch dicker

    Schulze meldet sich beim Anbieter per WhatsApp, wie gewünscht. Dazu muss man sagen: Eigentlich verfügt Ebay Kleinanzeigen über eine Nachrichtenfunktion. Experten raten, diese zur Kommunikation zwischen Verkäufer und Käufer zu nutzen, weil das Unternehmen über Filter verfüge, die betrügerische Nachrichten erkennen könnten. Doch in diesem Fall läuft nun alles über einen privaten, verschlüsselten Chat-Dienst. Bei Schulze geht keine Warnlampe an, und falls doch, dann nicht hell genug. Die Tickets sind günstig, sie werden von privat verkauft, es sieht doch eigentlich alles gut aus.

    Es war aber nicht gut. „Ich bin einem Betrug aufgesessen“, erzählt Schulze einige Tage später der NRWZ. Er habe die 100 Euro für Fußballkarten bezahlt, „die ich nie erhalten werde.“

    Ware bezahlt, aber nicht erhalten: Darüber würden wir noch nicht berichten. Das sind Fälle für die Polizei und/oder den Anwalt. Für Schulze jedoch ging der Ärger hier erst richtig los. Er wird auch Opfer von Identitätsmissbrauch. Er erklärt uns per E-Mail und am Telefon, wie er zum Verkäufer von Bundesligatickets wurde – ohne je selbst ein Inserat aufgegeben zu haben.

    Die Identität genutzt

    Das passierte auf WhatsApp. „Ich habe mich dazu hinreißen lassen, der vermeintlichen Verkäuferin ein Bild meines Personalausweises zu übermitteln – in dem Glauben, dass dies zur Personalisierung von e-Tickets notwendig sei (ich weiß, ich weiß…)“, schreibt Schulze der NRWZ. Er habe also die Tickets gekauft, per Sofort-Überweisung bezahlt – und sich dann auch noch mit Bildern von sich und seinem Ausweis legitimiert, um die Tickets auf sich überschreiben zu lassen. Er spielte dem Abzocker damit in die Hände, der sogleich Anzeigen schaltete. „Nun hat der Betrüger für das Spiel Freiburg – Gladbach bereits sehr erfolgreich angebliche Karten unter meinem Namen verkauft und zur scheinbaren Legitimation mein Bild mit dem Ausweis genutzt“, berichtet Schulze.

    „SCHULZE“ kommuniziert zunächst schnell, bietet superbillige Tickets an …

    Die NRWZ macht den Test. Die Partie Freiburg-Gladbach ist zwar Vergangenheit, doch es gibt ein weiteres Inserat auf Ebay Kleinanzeigen: „Ich habe vier Bundesliga-Tickets für das Spiel“, steht da. „Bitte kontaktieren Sie mich unter meiner WhatsApp-Nummer 0176-…“ Dieselbe Nummer wie oben, nun sind es angeblich Eintrittskarten für eine noch anstehende Partie in Niedersachsen. „Hi, habe Interesse an 2 Karten“, meldet sich der NRWZ-Redakteur über die Ebay Kleinanzeigen-Nachrichtenfunktion, aber auch unter der angegebenem Nummer bei WhatsApp. Er will wissen, was die Tickets kosten.

    Die Direktnachricht auf der Ebay-Plattform bleibt unbeantwortet. Über WhatsApp schreibt der angebliche Verkäufer nach 15 Minuten zurück. „SCHULZE“ nennt er sich dort, nutzt den Namen in Großbuchstaben. Im Profil hat er das Bild einer Katze. „Nur Gott hat das letzte Wort“, lautet sein Wahlspruch. Er hat ihn vor zehn Tagen eingegeben.

    Der NRWZ-Mann als vermeintlicher Käufer und „SCHULZE“ werden rasch handelseinig. Block 45, die Plätze 6 bis 9 seien verfügbar, 50 Euro das Ticket, 100 zusammen. Das ist absolut billig. Online kostet die Karte für die Osttribüne 45 an diesem Montagmorgen 159 pro Stück. Inklusive „Servicegebühr“ ergibt sich ein Gesamtbestellwert von 394,02 Euro. Man könnte satte 300 Euro sparen. Wenn das Angebot denn echt wäre.

    „Okay, cool“, antwortet der Reporter, fragt, was nun zu tun sei, um an die Tickets zu kommen. „Okey Ich benötige Ihre E-Mail-Adresse und Ihren Namen, um sie Ihnen direkt nach dem Kauf zuzusenden“, schreibt „SCHULZE“. Und bestätigt, dass es e-Tickets seien. Er drückt hier auf die Tube, die WhatsApp-Nachrichten kommen im Minutentakt, auch die Nachfragen „Okey?“ Es ist offenbar Eile geboten. Man solle bitte bei der Überweisung „die Echtzeit-Option“ nutzen. „Ich schicke Ihnen die Tickets umgehend zu.“

    Es folgt sein angeblicher Name, in Großbuchstaben: „SCHULZE JÜRGEN HEINZ“ (von der Redaktion geändert). Dazu eine IBAN.

    Angeblicher Schulze schickt Fotos

    Der Reporter antwortet: „Vielen Dank. Bitte nennen Sie mir aber zunächst noch Ihre Adresse!“ Und dann passiert’s: Es kommen per WhatsApp Bilder des NRWZ-Lesers, des Mannes aus Zimmern. Die Fotos, die er vergangenen Dienstag an den Betrüger geschickt hat. Dieser will sich damit nun offenbar gegenüber seinem neuen Opfer legitimieren. Frisch rasiert, sitzt der echte Schulze da, schaut etwas übermüdet aus, der Personalausweis ist in Großaufnahmen dabei (Unkenntlichmachung von uns).

    Nun bricht der Kontakt ab – Anzeige bleibt aber online

    Der Reporter hat genug gesehen und will dem Betrüger nicht auch noch 100 Euro überweisen. Also gibt er sich zu erkennen, schreibt: „Ich bin Journalist und ich kenne Jürgen Heinz Schulze persönlich. Er hat keine Tickets zu verkaufen, sondern ist von Ihnen betrogen worden, sagt er. Er hat Karten für Freiburg gegen Gladbach von Ihnen kaufen wollen und sie nie bekommen. Und nun nutzen Sie seine Identität. Herr Schulze hat bereits die Polizei eingeschaltet und einen Anwalt kontaktiert. Was sagen Sie zu den Vorwürfen?“

    Die WhatsApp-Version von „SCHULZE“ antwortet nicht mehr. Eine Nachfrage des Reporters wird schon blockiert, nicht mehr gelesen.

    Doch hat der Mensch offenbar keine Angst, aufzufliegen. Seine Anzeige bleibt online, ist auch einen Tag später abrufbar. Er hat allenfalls zwischenzeitlich gezweifelt, sie für ein paar Stunden offline genommen.

    Ärger statt Fußballtickets

    Davon erfahren, dass der Betrüger nun seine Identität nutzt, hat der echte Schulze vergangene Woche. „An die zehn Personen haben mich übers Internet ausfindig gemacht und den Kontakt gesucht.“ Sie alle hätten sich beschwert, Tickets bei ihm gekauft und dann nicht zugesandt bekommen zu haben. Er sei aus allen Wolken gefallen. Ihm wurde klar: Er wurde nicht nur um 100 Euro erleichtert, sondern ist auch noch Identitätsmissbrauch zum Opfer gefallen.

    Die Masche ist verbreitet, die Meldungen darüber sind offenkundig neu. So wird am 31. März 2022 davor gewarnt, auf Ebay-Kleinanzeigen einer Julia M. J. einzugehen. Es würden darin Tickets für Fußballspiele angeboten, die weitere Kontaktaufnahme erfolge dann über WhatsApp. Wie im Fall des Zimmerners. Ein Opfer schreibt auf der Plattform „Betrugsalarm„: „Eine Frechheit …benutzt Bilder von sich oder der Frau – Personalausweis und Foto um Glaubhaftigkeit zu erschleichen. bin leider wegen meiner Gutgläubigkeit drauf reingefallen.“

    Ende 2021 berichtet der „Spiegel“ online: „Kriminelle geben sich auf Ebay Kleinanzeigen mit Ausweisfotos als jemand anderes aus. Wer ihnen Geld überweist, hat kaum Chancen, es zurückzubekommen.“ Oft fragten die Täter nach der Handynummer eines Interessenten, „um die Verhandlungen auf WhatsApp fortzusetzen“, so der Spiegel „Werden die gehackten Accounts gesperrt, weil die eigentlichen Besitzer merken, dass jemand Kleinanzeigen in ihrem Namen veröffentlicht, bekommen die Interessenten das möglicherweise schon nicht mehr mit, weil sie auf eine andere Plattform gelockt wurden.“

    Ebay warnt und gibt Tipps

    Ebay Kleinanzeigen ruft in seinen Sicherheitshinweisen dazu auf, persönliche Informationen zu schützen. „Die sogenannte Cyberkriminalität nimmt immer mehr zu. Schütze daher unbedingt deine persönlichen Daten.“ Niemals übermitteln solle man, Zitat:

    • Kopie des Personalausweis oder andere persönliche Dokumente: die Person kann sich nun im Internet für andere Käufer oder Verkäufer als dich ausgeben und diese betrügen
    • Genaue Adresse, voller Name und Geburtsdatum: wenn ihr euch zur Übergabe des Artikels treffen wollt, reicht eine ungefähre Angabe bzw. ein neutraler Ort. Die Person kann über deine näheren Angaben, Rechnungen auf dich ausstellen lassen.
    • Persönliche Fotos, Videos: auch hier ist ein Missbrauch nicht ausgeschlossen, beispielsweise durch die Nutzung deiner Bilder für einen Fakeaccount in einem sozialen Netzwerk

    Auch rät Ebay dazu, seine Funktion „sicher bezahlen“ zu nutzen. Hier greift ein Treuhanddienst, der die Zahlungen der Käufer erst freigibt, wenn diese den Erhalt der Ware bestätigt haben.

    Die Rolle der smarten Online-Bank

    Zum Geldfluss: Dem Zimmerner und dem NRWZ-Reporter ist zur Bezahlung der vermeintlichen Fußballtickets eine IBAN der N26 Bank Berlin angegeben worden. Das ließ sich über einen IBAN-Prüfer herausfinden. Ein Institut, das sich selbst „Neobank“ nennt, und das über sich schreibt:

    Dein N26 Bankkonto erleichtert dir den Alltag. Dank Banking in Echtzeit und innovativen Features verlierst du nie den Überblick und kannst ganz einfach mehr aus deinem Geld machen. Mit wenigen Klicks, direkt in deinem Smartphone. Eröffne dein Konto in weniger als 8 Minuten. Einfach, sicher, 100 % mobil.

    N26

    Diese acht Minuten, die wird auch die WhatsApp-Variante von Schulze gerne aufgewendet haben. Er verfügt nun über ein „Girokonto, das sich deinem Lifestyle anpasst“, so die Eigenwerbung der Bank.

    N26 – dieses Kürzel taucht zuletzt öfter im Zusammenhang mit betrügerischen Ebay Kleinanzeigen auf. Es scheint sich um die Bank der Wahl für Abzocker zu handeln. Das „Manager Magazin“ schrieb im August 2021, N26 habe „ein massives Problem mit Fake-Konten.“ Es folgte im November eine Anordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die die N26 dazu verdonnerte, „Maßnahmen zu ergreifen, um wieder eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation herzustellen und Risiken für die operationelle Resilienz einzudämmen.“ Ein von der BaFin bestellter Sonderbeauftragter werde die Umsetzung der angeordneten Maßnahmen überwachen.

    Das mögliche Ausmaß bezifferte das „Handelsblatt“ ebenfalls im August 2021: „Betrüger könnten mehr als 1000 Konten von N26 genutzt haben“, hieß es in einem Bericht. Die Smartphonebank kämpfe nach wie vor mit großen Schwierigkeiten bei der Abwehr von Kriminellen. Dem Blatt liege eine Liste von „beinahe 1600 Konten der Neobank vor, die zwischen Mai 2019 und Juli 2021 eröffnet wurden und die anscheinend im Internet für Fakeshops oder betrügerische Ebay-Konten eingesetzt wurden. Allein in diesem Jahr wurden mehr als 1000 solcher Kontonummern bekannt.“

    N26 betreibt allerdings einen Online-Blog, widmet sich dort auch Sicherheitsthemen. Gleich die aktuelle Meldung betrifft Ebay Kleinanzeigen – hier aber, wie man sich als Verkäufer schützt.

    Doch erst vor wenigen Tagen erschien dort der Beitrag „Warum blockiert N26 einige Konten?„. Zitat: „Das Blockieren und Schließen von Konten ist ein wichtiger Bestandteil der Maßnahmen, die N26 als Bank ergreifen muss, um gezielt gegen Finanzkriminalität vorzugehen.“ Hier scheint die Bank teilweise selbst zu weit zu gehen, wie sie zugibt: „Von Zeit zu Zeit kann es vorkommen, dass wir eine:n seriöse:n Kund:in fälschlicherweise als potenzielle:n Betrüger:in identifizieren, da die von unserem Anti-Finanzkriminalität-Team gefundenen Beweise möglicherweise nicht zweifelsfrei sind.“

    IBAN reicht, Banken müssen Zahlung nicht prüfen

    Schulzes Geld ist jedenfalls weg. „Die Banken und Sparkassen brauchen nicht zu prüfen, ob Name und Kontodaten des Empfängers in sich stimmig sind. Es zählt allein die Kundenkennung, also die IBAN“, erklären Verbraucherschützer. Und: „Der Kunde kann von seinem kontoführenden Institut verlangen, an seinem Versuch mitzuwirken, das Geld zurückzuerhalten. Eine Zahlungsgarantie ist damit aber nicht verbunden. Weigert sich der Empfänger, das Geld zu erstatten, so müssen die Banken und Sparkassen seine Daten an den Zahler weitergeben, damit er notfalls gerichtliche Schritte einleiten kann. Eine Verletzung des Bankgeheimnisses ist damit nicht verbunden. Die Geldinstitute dürfen sich ihre Hilfe bezahlen lassen. Dies sehen die gesetzlichen Regelungen vor.“

    Ebay-Kleinanzeige bleibt online

    Schulze empfindet es derweil als „peinlich und ärgerlich“, so hereingelegt worden zu sein. Hatte überlegt, zunächst unter vollem Namen an die Öffentlichkeit zu gehen, um potenzielle Käufer der Tickets, die er laut der weiteren Kleinanzeigen vermeintlich anbot, zu warnen. Dass, wer seinen Namen und den Wohnort im Internet recherchiert, auf einen Beitrag stößt à la „Schulze: „Ich verkaufe keine Fußball-Tickets!“ Damit habe er sein „wuchtiges Eigentor“ ausbügeln wollen, das er geschossen habe.

    Er hat sich anders entschieden. Sein Umfeld habe ihm geraten, sich zurückzuhalten. Er versucht nun, den Weg über Ebay zu gehen, um die betrügerischen Anzeigen in seinem Namen zu stoppen. Doch auf die laut dem Zimmerner mehrfach erfolgten Meldungen, dass es sich um Fakeanzeigen handelte, hat Ebay offenbar bislang nicht reagiert. Der falsche „SCHULZE“ ist weiterhin als Nutzer von Ebay Kleinanzeigen aktiv. Und bietet an diesem Montagmorgen Tickets für eine weitere Partie an.

    Wieder mit Verweis auf die Handynummer. Unter dieser meldet er sich nicht. Reagiert ebensowenig auf weitere WhatsApp-Nachrichten der NRWZ.

    Die Katze aus seinem WhatsApp-Profil, die hat er inzwischen gelöscht. Warum auch immer.

    Der echte Schulze hat sich einen Anwalt genommen.

    Linktipp zum Thema: „So erkennen Sie Betrugsversuche bei ebay Kleinanzeigen

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    Peter Arnegger (gg)
    Peter Arnegger (gg)
    … ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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    Er wollte nur das Spiel Freiburg-Gladbach erleben. Eine Fußball-Bundesligapartie, die bekanntlich zum Knaller geworden ist, Drama pur. Doch statt im Stadion mitzufiebern, wurde ein Zimmerner Bürger Opfer eines Betrügers – und das gleich doppelt. Das Stichwort: Identitätsmissbrauch. Vom Betrüger genutzt: Ebay Kleinanzeigen, WhatsApp, die Berliner sogenannte „Neobank“ N26 – und Ausweisfotos seines Opfers. So wurde der Zimmerner nicht nur um Geld geprellt, sondern tritt unfreiwillig auch noch selbst als vermeintlicher Ticketverkäufer auf.

    Nennen wir ihn Herrn Schulze. Tatsächlich trägt er einen seltenen Namen, lässt sich mit diesem und seinem Wohnort Zimmern leicht ergoogeln. Doch der Reihe nach: Schulze sucht online nach Tickets für die Bundesligapartie SC Freiburg gegen Borussia Mönchengladbach. Das war am vergangenen Dienstag. Weil Schulze ein Schnäppchenjäger ist, schaut er nicht bei einer offiziellen Ticketbörse vorbei, sondern versucht’s auf „Ebay Kleinanzeigen“. Und wird auch gleich fündig: „Ich habe vier Bundesliga-Tickets für das Spiel“, steht da. „Bitte kontaktieren Sie mich unter meiner WhatsApp-Nummer 0176-…“

    „Bin einem Betrug aufgesessen“ – doch es kommt noch dicker

    Schulze meldet sich beim Anbieter per WhatsApp, wie gewünscht. Dazu muss man sagen: Eigentlich verfügt Ebay Kleinanzeigen über eine Nachrichtenfunktion. Experten raten, diese zur Kommunikation zwischen Verkäufer und Käufer zu nutzen, weil das Unternehmen über Filter verfüge, die betrügerische Nachrichten erkennen könnten. Doch in diesem Fall läuft nun alles über einen privaten, verschlüsselten Chat-Dienst. Bei Schulze geht keine Warnlampe an, und falls doch, dann nicht hell genug. Die Tickets sind günstig, sie werden von privat verkauft, es sieht doch eigentlich alles gut aus.

    Es war aber nicht gut. „Ich bin einem Betrug aufgesessen“, erzählt Schulze einige Tage später der NRWZ. Er habe die 100 Euro für Fußballkarten bezahlt, „die ich nie erhalten werde.“

    Ware bezahlt, aber nicht erhalten: Darüber würden wir noch nicht berichten. Das sind Fälle für die Polizei und/oder den Anwalt. Für Schulze jedoch ging der Ärger hier erst richtig los. Er wird auch Opfer von Identitätsmissbrauch. Er erklärt uns per E-Mail und am Telefon, wie er zum Verkäufer von Bundesligatickets wurde – ohne je selbst ein Inserat aufgegeben zu haben.

    Die Identität genutzt

    Das passierte auf WhatsApp. „Ich habe mich dazu hinreißen lassen, der vermeintlichen Verkäuferin ein Bild meines Personalausweises zu übermitteln – in dem Glauben, dass dies zur Personalisierung von e-Tickets notwendig sei (ich weiß, ich weiß…)“, schreibt Schulze der NRWZ. Er habe also die Tickets gekauft, per Sofort-Überweisung bezahlt – und sich dann auch noch mit Bildern von sich und seinem Ausweis legitimiert, um die Tickets auf sich überschreiben zu lassen. Er spielte dem Abzocker damit in die Hände, der sogleich Anzeigen schaltete. „Nun hat der Betrüger für das Spiel Freiburg – Gladbach bereits sehr erfolgreich angebliche Karten unter meinem Namen verkauft und zur scheinbaren Legitimation mein Bild mit dem Ausweis genutzt“, berichtet Schulze.

    „SCHULZE“ kommuniziert zunächst schnell, bietet superbillige Tickets an …

    Die NRWZ macht den Test. Die Partie Freiburg-Gladbach ist zwar Vergangenheit, doch es gibt ein weiteres Inserat auf Ebay Kleinanzeigen: „Ich habe vier Bundesliga-Tickets für das Spiel“, steht da. „Bitte kontaktieren Sie mich unter meiner WhatsApp-Nummer 0176-…“ Dieselbe Nummer wie oben, nun sind es angeblich Eintrittskarten für eine noch anstehende Partie in Niedersachsen. „Hi, habe Interesse an 2 Karten“, meldet sich der NRWZ-Redakteur über die Ebay Kleinanzeigen-Nachrichtenfunktion, aber auch unter der angegebenem Nummer bei WhatsApp. Er will wissen, was die Tickets kosten.

    Die Direktnachricht auf der Ebay-Plattform bleibt unbeantwortet. Über WhatsApp schreibt der angebliche Verkäufer nach 15 Minuten zurück. „SCHULZE“ nennt er sich dort, nutzt den Namen in Großbuchstaben. Im Profil hat er das Bild einer Katze. „Nur Gott hat das letzte Wort“, lautet sein Wahlspruch. Er hat ihn vor zehn Tagen eingegeben.

    Der NRWZ-Mann als vermeintlicher Käufer und „SCHULZE“ werden rasch handelseinig. Block 45, die Plätze 6 bis 9 seien verfügbar, 50 Euro das Ticket, 100 zusammen. Das ist absolut billig. Online kostet die Karte für die Osttribüne 45 an diesem Montagmorgen 159 pro Stück. Inklusive „Servicegebühr“ ergibt sich ein Gesamtbestellwert von 394,02 Euro. Man könnte satte 300 Euro sparen. Wenn das Angebot denn echt wäre.

    „Okay, cool“, antwortet der Reporter, fragt, was nun zu tun sei, um an die Tickets zu kommen. „Okey Ich benötige Ihre E-Mail-Adresse und Ihren Namen, um sie Ihnen direkt nach dem Kauf zuzusenden“, schreibt „SCHULZE“. Und bestätigt, dass es e-Tickets seien. Er drückt hier auf die Tube, die WhatsApp-Nachrichten kommen im Minutentakt, auch die Nachfragen „Okey?“ Es ist offenbar Eile geboten. Man solle bitte bei der Überweisung „die Echtzeit-Option“ nutzen. „Ich schicke Ihnen die Tickets umgehend zu.“

    Es folgt sein angeblicher Name, in Großbuchstaben: „SCHULZE JÜRGEN HEINZ“ (von der Redaktion geändert). Dazu eine IBAN.

    Angeblicher Schulze schickt Fotos

    Der Reporter antwortet: „Vielen Dank. Bitte nennen Sie mir aber zunächst noch Ihre Adresse!“ Und dann passiert’s: Es kommen per WhatsApp Bilder des NRWZ-Lesers, des Mannes aus Zimmern. Die Fotos, die er vergangenen Dienstag an den Betrüger geschickt hat. Dieser will sich damit nun offenbar gegenüber seinem neuen Opfer legitimieren. Frisch rasiert, sitzt der echte Schulze da, schaut etwas übermüdet aus, der Personalausweis ist in Großaufnahmen dabei (Unkenntlichmachung von uns).

    Nun bricht der Kontakt ab – Anzeige bleibt aber online

    Der Reporter hat genug gesehen und will dem Betrüger nicht auch noch 100 Euro überweisen. Also gibt er sich zu erkennen, schreibt: „Ich bin Journalist und ich kenne Jürgen Heinz Schulze persönlich. Er hat keine Tickets zu verkaufen, sondern ist von Ihnen betrogen worden, sagt er. Er hat Karten für Freiburg gegen Gladbach von Ihnen kaufen wollen und sie nie bekommen. Und nun nutzen Sie seine Identität. Herr Schulze hat bereits die Polizei eingeschaltet und einen Anwalt kontaktiert. Was sagen Sie zu den Vorwürfen?“

    Die WhatsApp-Version von „SCHULZE“ antwortet nicht mehr. Eine Nachfrage des Reporters wird schon blockiert, nicht mehr gelesen.

    Doch hat der Mensch offenbar keine Angst, aufzufliegen. Seine Anzeige bleibt online, ist auch einen Tag später abrufbar. Er hat allenfalls zwischenzeitlich gezweifelt, sie für ein paar Stunden offline genommen.

    Ärger statt Fußballtickets

    Davon erfahren, dass der Betrüger nun seine Identität nutzt, hat der echte Schulze vergangene Woche. „An die zehn Personen haben mich übers Internet ausfindig gemacht und den Kontakt gesucht.“ Sie alle hätten sich beschwert, Tickets bei ihm gekauft und dann nicht zugesandt bekommen zu haben. Er sei aus allen Wolken gefallen. Ihm wurde klar: Er wurde nicht nur um 100 Euro erleichtert, sondern ist auch noch Identitätsmissbrauch zum Opfer gefallen.

    Die Masche ist verbreitet, die Meldungen darüber sind offenkundig neu. So wird am 31. März 2022 davor gewarnt, auf Ebay-Kleinanzeigen einer Julia M. J. einzugehen. Es würden darin Tickets für Fußballspiele angeboten, die weitere Kontaktaufnahme erfolge dann über WhatsApp. Wie im Fall des Zimmerners. Ein Opfer schreibt auf der Plattform „Betrugsalarm„: „Eine Frechheit …benutzt Bilder von sich oder der Frau – Personalausweis und Foto um Glaubhaftigkeit zu erschleichen. bin leider wegen meiner Gutgläubigkeit drauf reingefallen.“

    Ende 2021 berichtet der „Spiegel“ online: „Kriminelle geben sich auf Ebay Kleinanzeigen mit Ausweisfotos als jemand anderes aus. Wer ihnen Geld überweist, hat kaum Chancen, es zurückzubekommen.“ Oft fragten die Täter nach der Handynummer eines Interessenten, „um die Verhandlungen auf WhatsApp fortzusetzen“, so der Spiegel „Werden die gehackten Accounts gesperrt, weil die eigentlichen Besitzer merken, dass jemand Kleinanzeigen in ihrem Namen veröffentlicht, bekommen die Interessenten das möglicherweise schon nicht mehr mit, weil sie auf eine andere Plattform gelockt wurden.“

    Ebay warnt und gibt Tipps

    Ebay Kleinanzeigen ruft in seinen Sicherheitshinweisen dazu auf, persönliche Informationen zu schützen. „Die sogenannte Cyberkriminalität nimmt immer mehr zu. Schütze daher unbedingt deine persönlichen Daten.“ Niemals übermitteln solle man, Zitat:

    • Kopie des Personalausweis oder andere persönliche Dokumente: die Person kann sich nun im Internet für andere Käufer oder Verkäufer als dich ausgeben und diese betrügen
    • Genaue Adresse, voller Name und Geburtsdatum: wenn ihr euch zur Übergabe des Artikels treffen wollt, reicht eine ungefähre Angabe bzw. ein neutraler Ort. Die Person kann über deine näheren Angaben, Rechnungen auf dich ausstellen lassen.
    • Persönliche Fotos, Videos: auch hier ist ein Missbrauch nicht ausgeschlossen, beispielsweise durch die Nutzung deiner Bilder für einen Fakeaccount in einem sozialen Netzwerk

    Auch rät Ebay dazu, seine Funktion „sicher bezahlen“ zu nutzen. Hier greift ein Treuhanddienst, der die Zahlungen der Käufer erst freigibt, wenn diese den Erhalt der Ware bestätigt haben.

    Die Rolle der smarten Online-Bank

    Zum Geldfluss: Dem Zimmerner und dem NRWZ-Reporter ist zur Bezahlung der vermeintlichen Fußballtickets eine IBAN der N26 Bank Berlin angegeben worden. Das ließ sich über einen IBAN-Prüfer herausfinden. Ein Institut, das sich selbst „Neobank“ nennt, und das über sich schreibt:

    Dein N26 Bankkonto erleichtert dir den Alltag. Dank Banking in Echtzeit und innovativen Features verlierst du nie den Überblick und kannst ganz einfach mehr aus deinem Geld machen. Mit wenigen Klicks, direkt in deinem Smartphone. Eröffne dein Konto in weniger als 8 Minuten. Einfach, sicher, 100 % mobil.

    N26

    Diese acht Minuten, die wird auch die WhatsApp-Variante von Schulze gerne aufgewendet haben. Er verfügt nun über ein „Girokonto, das sich deinem Lifestyle anpasst“, so die Eigenwerbung der Bank.

    N26 – dieses Kürzel taucht zuletzt öfter im Zusammenhang mit betrügerischen Ebay Kleinanzeigen auf. Es scheint sich um die Bank der Wahl für Abzocker zu handeln. Das „Manager Magazin“ schrieb im August 2021, N26 habe „ein massives Problem mit Fake-Konten.“ Es folgte im November eine Anordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die die N26 dazu verdonnerte, „Maßnahmen zu ergreifen, um wieder eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation herzustellen und Risiken für die operationelle Resilienz einzudämmen.“ Ein von der BaFin bestellter Sonderbeauftragter werde die Umsetzung der angeordneten Maßnahmen überwachen.

    Das mögliche Ausmaß bezifferte das „Handelsblatt“ ebenfalls im August 2021: „Betrüger könnten mehr als 1000 Konten von N26 genutzt haben“, hieß es in einem Bericht. Die Smartphonebank kämpfe nach wie vor mit großen Schwierigkeiten bei der Abwehr von Kriminellen. Dem Blatt liege eine Liste von „beinahe 1600 Konten der Neobank vor, die zwischen Mai 2019 und Juli 2021 eröffnet wurden und die anscheinend im Internet für Fakeshops oder betrügerische Ebay-Konten eingesetzt wurden. Allein in diesem Jahr wurden mehr als 1000 solcher Kontonummern bekannt.“

    N26 betreibt allerdings einen Online-Blog, widmet sich dort auch Sicherheitsthemen. Gleich die aktuelle Meldung betrifft Ebay Kleinanzeigen – hier aber, wie man sich als Verkäufer schützt.

    Doch erst vor wenigen Tagen erschien dort der Beitrag „Warum blockiert N26 einige Konten?„. Zitat: „Das Blockieren und Schließen von Konten ist ein wichtiger Bestandteil der Maßnahmen, die N26 als Bank ergreifen muss, um gezielt gegen Finanzkriminalität vorzugehen.“ Hier scheint die Bank teilweise selbst zu weit zu gehen, wie sie zugibt: „Von Zeit zu Zeit kann es vorkommen, dass wir eine:n seriöse:n Kund:in fälschlicherweise als potenzielle:n Betrüger:in identifizieren, da die von unserem Anti-Finanzkriminalität-Team gefundenen Beweise möglicherweise nicht zweifelsfrei sind.“

    IBAN reicht, Banken müssen Zahlung nicht prüfen

    Schulzes Geld ist jedenfalls weg. „Die Banken und Sparkassen brauchen nicht zu prüfen, ob Name und Kontodaten des Empfängers in sich stimmig sind. Es zählt allein die Kundenkennung, also die IBAN“, erklären Verbraucherschützer. Und: „Der Kunde kann von seinem kontoführenden Institut verlangen, an seinem Versuch mitzuwirken, das Geld zurückzuerhalten. Eine Zahlungsgarantie ist damit aber nicht verbunden. Weigert sich der Empfänger, das Geld zu erstatten, so müssen die Banken und Sparkassen seine Daten an den Zahler weitergeben, damit er notfalls gerichtliche Schritte einleiten kann. Eine Verletzung des Bankgeheimnisses ist damit nicht verbunden. Die Geldinstitute dürfen sich ihre Hilfe bezahlen lassen. Dies sehen die gesetzlichen Regelungen vor.“

    Ebay-Kleinanzeige bleibt online

    Schulze empfindet es derweil als „peinlich und ärgerlich“, so hereingelegt worden zu sein. Hatte überlegt, zunächst unter vollem Namen an die Öffentlichkeit zu gehen, um potenzielle Käufer der Tickets, die er laut der weiteren Kleinanzeigen vermeintlich anbot, zu warnen. Dass, wer seinen Namen und den Wohnort im Internet recherchiert, auf einen Beitrag stößt à la „Schulze: „Ich verkaufe keine Fußball-Tickets!“ Damit habe er sein „wuchtiges Eigentor“ ausbügeln wollen, das er geschossen habe.

    Er hat sich anders entschieden. Sein Umfeld habe ihm geraten, sich zurückzuhalten. Er versucht nun, den Weg über Ebay zu gehen, um die betrügerischen Anzeigen in seinem Namen zu stoppen. Doch auf die laut dem Zimmerner mehrfach erfolgten Meldungen, dass es sich um Fakeanzeigen handelte, hat Ebay offenbar bislang nicht reagiert. Der falsche „SCHULZE“ ist weiterhin als Nutzer von Ebay Kleinanzeigen aktiv. Und bietet an diesem Montagmorgen Tickets für eine weitere Partie an.

    Wieder mit Verweis auf die Handynummer. Unter dieser meldet er sich nicht. Reagiert ebensowenig auf weitere WhatsApp-Nachrichten der NRWZ.

    Die Katze aus seinem WhatsApp-Profil, die hat er inzwischen gelöscht. Warum auch immer.

    Der echte Schulze hat sich einen Anwalt genommen.

    Linktipp zum Thema: „So erkennen Sie Betrugsversuche bei ebay Kleinanzeigen

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