Zuletzt war Klaus Schmidt schon morgens um vier auf. Um dann doch wieder leer auszugehen. Wer bei solchen Geschichten an so begehrte Dinge wie Rammstein-Konzerttickets oder Apple-iPhones denkt, lag vor 2021 richtig. Heute aber absolut angesagt, der letzte heiße Schei…, wie’s im Fachjargon heißt: der Corona-Impftermin für Mutti oder Vati. Schmidt aus Zimmern ist bisher damit gescheitert. Er hat sich unter anderem beim CDU-Bundestagsabgeordneten Stefan Teufel beschwert. Wie dieser beschwichtigte, lesen Sie hier.
„Ich kämpfe seit Tagen“, sagt Klaus Schmidt. Er will für seine Mutter einen Impftermin im Kreisimpfzentrum organisieren. Die Frau ist 84, mehrfach erkrankt, gehört damit in die erste Reihe, das sollte doch so schwer nicht sein. Dachte sich Schmidt – und wurde bitter enttäuscht. Heute, an diesem Freitag, hat er es unter www.116117.de schon um 4 Uhr versucht. Um dann doch wieder leer auszugehen.
Prozedere nervt total
Zunächst sieht das online ja ganz einfach aus. Nach ein paar Klicks ist man beim Impfterminservice für Baden-Württemberg. Das Rottweiler Kreisimpfzentrum, das heute den Betrieb aufgenommen hat, ist auswählbar. Und Schmidts Mutter, die alleine in Villingendorf wohnt, gehört zu den Personen, die mit höchster Priorität Anspruch auf die Corona-Schutzimpfung haben. Nun braucht Oma noch eine E-Mail-Adresse und eine Mobilnummer für den flotten SMS-Verifizierungsservice – und deretwegen wachsen Klaus Schmidt sozusagen bereits Locken. „Sie bekommen einen Code für Ihre Telefonnummer und E-Mail-Adresse“, bestätigt er, den hatte er schon bekommen. Wenn er dann aber keinen Termin erhält – dann verfällt dieser Code. Man muss das Prozedere laut dem Zimmerner dann von vorne beginnen. „Das wird bald 83 Millionen Bundesbürgern so gehen“, vermutet er. Es nerve total.
Schmidt holt im Gespräch mit der NRWZ ein wenig aus, er hat ja Zeit, heute wird er keinen Impftermin mehr bekommen. „Man sagt überall, ‚Haben Sie Geduld‘“, sagt er. Ob er denn so auch auf einen Brief vom Finanzamt antworten dürfe? Dass der Staat bitteschön auch Geduld mit ihm haben solle, so wie er aktuell mit dem Staat? „Nein, da gibt es auch keine Gnade.“ Und dann der Dilettantismus, mit dem die EU den Impfstart verbaselt habe: „Wenn ich als Unternehmer so handeln würde, wäre ich längst pleite. Die EU-Bürokraten normen für uns Glühbirnen und Bananen, wenn es um Leben und Tod geht, dann scheitern sie.“
Es gibt für den Landkreis Rottweil nur 150 Impfdosen pro Woche oder knapp 40 am Tag – bei knapp 140.000 Einwohnern. Das ist, was Schmidt verzweifeln lässt.
„Versuchen Sie es immer wieder“, heiße es nach einer gescheiterten Terminbuchung das sei doch fern jeder Realität. Er, Schmidt, arbeite in der Industrie, habe also tagsüber eigentlich alle Hände voll zu tun. Es müsse doch möglich sein, zu erfahren, wann die Termine bereitgestellt werden, damit er sich dann wieder für seine Mutter an den Computer setzt, um einen zu buchen. Das könne ihm aber keiner sagen, er habe es schon überall telefonisch versucht, sagt Schmidt. Bei der Stadtverwaltung, beim Gesundheitsamt („da ist gar niemand rangegangen“). Allerdings hatte das Landratsamt schon verlauten lassen:
Das Landratsamt hat damit keinerlei Einflussmöglichkeit auf die Terminvergaben. Ein Anruf bei oder eine Mail an das Landratsamt beziehungsweise das Gesundheitsamt hilft daher leider nicht weiter.
Landratsamt Rottweil in einer Pressemitteilung
Schmidt, einmal in Rage, hat auch dem Wahlkreisabgeordneten der CDU, Stefan Teufel, geschrieben. Hat seinen Frust abgeladen, dessen Level schon das höchste Niveau erreicht habe, wie Schmidt es ausdrückt. Der Landtagsabgeordnete habe ihm am Morgen tatsächlich zurückgerufen. Die NRWZ wollte deshalb von Teufel selbst wissen, was er Schmidt gesagt hat.
„Geduld der Menschen strapaziert“
„Sicher haben Sie Verständnis, dass ich zu individuellen Bürgergesprächen keine Angaben machen kann“, so Teufel. „Ich kann Ihnen aber bestätigen, dass bei den vielen Gesprächen, die ich in den letzten Tagen und Wochen geführt habe, die Durchführung von Corona-Tests in Pflegeeinrichtungen und die Umsetzung der Impfstrategie großen Raum eingenommen haben.“ Diese beiden Themen seien auch Gegenstand der gestrigen Sonderplenarsitzung des Landtags gewesen. „Die CDU hat hier nachdrücklich Verbesserungen bei der Impfterminvergabe und den Impfinformationen für die Bürgerinnen und Bürger angemahnt“, so Teufel. Zudem fordere seine Partei von der Landesregierung eine Unterstützung der älteren Bevölkerung hinsichtlich Anreise zu den Impfzentren.
„Das alles kann allerdings nicht darüber hinweghelfen, dass die aktuelle Problematik in erster Linie aus Lieferverzögerungen beim Impfstoff resultiert“, sagt der Landtagsabgeordnete weiter. Hier erwarte das Land zwar in den nächsten Tagen neue Lieferungen. „Diese werden jedoch geringer ausfallen als ursprünglich zugesagt, weil Biontech/Pfizer das Werk in Belgien, das den Impfstoff für Europa herstellt, umbaut, um langfristig die dortigen Produktionskapazitäten zu erhöhen.“ Dadurch erhalte Baden-Württemberg vorübergehend bis zu 42 Prozent weniger Impfstoff als geplant.
„Auch wenn das durch eine erhöhte Produktion ab Mitte Februar wieder aufgeholt werden kann und bis Ende März alle bis dahin zugesagten Lieferungen in Deutschland ankommen werden, bringt es aktuell für die Umsetzung der Impfstrategie große Probleme mit sich“, erklärt Teufel. Er verstehe, „dass das die Geduld der Menschen strapaziert, sie verunsichert und verärgert. Umso wichtiger ist mir der Hinweis, dass die Verabreichung aller Zweitimpfungen gesichert ist und wir bis Ende März allen Menschen in Baden-Württemberg, die zu höchsten Prioritätsgruppe gehören und geimpft werden wollen, ein entsprechendes Angebot werden machen können.“
Gute Nachrichten gebe es immerhin hinsichtlich der Durchführung von Corona-Schnelltests in den stationären Pflegeeinrichtungen: Um das dortige Personal zu entlasten, werden die Heime durch die Bundeswehr und freiwillige Helfer bei der Testdurchführung unterstützt. „Das ist neben der Impfung, die leider ihre Wirkung nur sukzessive ihre Wirkung entfalten kann, eine der zentralen Maßnahmen zum Schutz der besonders durch die Pandemie gefährdeten Menschen“, so der Landtagsabgeordnete abschließend.