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Herumstehen in der Clique – macht 178,50 Euro. Pro Person.

Man liest es allenthalben: Gerade auch für Kinder und Jugendliche ist die Corona-Krise keine leichte Zeit. Dann kommt dazu, dass sich jetzt, ganz aktuell, etwa führende Landespolitiker über die richtigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie streiten. Und pro Bundesland, aber teils auch in einzelnen Städten unterschiedliche Verordnungen gelten. Wer soll da durchblicken? Besser jeder – denn ein Verstoß geht richtig ins Geld, wie ein Fall aus Oberndorf zeigt.

Sie haben fahrlässig entgegen der Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung–CoronaVO) über Ansammlungen, Veranstaltungen und Versammlungen zuwidergehandelt.

Landratsamt Rottweil, Bußgeldstelle

So steht es – grammatikalisch nicht ganz einwandfrei, man kann nicht entgegen einer Verordnung zuwiderhandeln – in einem Bußgeldbescheid, der dieser Tage an eine 15-Jährige gegangen ist. Um gleich zu erklären, warum dieser der NRWZ vollständig vorliegt: Es handelt sich um die Tochter des Verfassers dieser Zeilen. Ja, so spielt das Leben.

Bunte Truppe

Das Vergehen der jungen Frau: Sie habe sich mit elf anderen Personen „entgegen § 9 Abs. 1 CoronaVO“ an einer „Örtlichkeit“ aufgehalten. Dabei habe „im Rahmen einer Streifenfahrt beobachtet“ werden können, wie die junge Dame „und die weiteren Personen sich zueinander wandten und miteinander sprachen.“ Und weiter, wieder grammatikalisch nicht ganz einwandfrei: „Zwischen Ihnen und den weiteren Personen bestand weder ein familiäre noch häusliche Gemeinschaft.“

Die zwölf jungen Leute aus elf verschiedenen Haushalten – eine bunte Truppe mit einem Mix internationaler Vornamen, eine richtige Clique – wurden von den Streifenbeamten der Polizei damals hochgenommen. Personalien raus, der Ton sehr barsch, erinnert man sich. Und gut einen Monat später folgte die Quittung: 178,50 Euro für jeden Einzelnen und jede Einzelne. Frisch auf den Tisch zum 1. Advent.

Nach aktueller Sachlage geschah das völlig zu Recht. Ansammlungen von mehr als zehn Personen untersagt die Corona-Verordnung in der ab 19. Oktober 2020 gültigen Fassung. Und am 23. Oktober wurden die jungen Leute erwischt.

Natürlich nervt es, dass am gleichen Wochenende, als der Bußgeldbescheid eintrifft, die AfD einen Parteitag mit hunderten Delegierten abhält. Denen erlaubt es der Gesetzgeber allerdings.

33 Bescheide

Der vorliegende ist auch kein Einzelfall: Allein im November 2020 sind 33 Bescheide mit einer Gesamtsumme von 4950 Euro an Bußgeldern ergangen, erfuhr die NRWZ aus dem Landratsamt Rottweil. Macht 150 Euro pro Bescheid. Plus 25 Euro „Gebühr“ und 3,50 Euro für die Auslagen der Verwaltung summiert sich das auf 178,50 Euro. Damit bewegt sich das Amt im Rahmen des Bußgeldkatalogs, der Strafen bis zu 1000 Euro beim Verstoß gegen das Versammlungsverbot vorsieht, aber eben auch einen Regelsatz von 150 Euro.

„Die Mehrheit der Bußgeldverfahren seit April 2020 wird rechtskräftig und bezahlt“, so eine Sprecherin des Landratsamts auf Nachfrage der NRWZ. Vereinzelt seien Einsprüche eingelegt worden. „Als Begründung wurde regelmäßig Nichtwissen von den Bestimmungen der Corona-Verordnung oder Eingriff in ein grundgesetzliches Freiheitsrecht vorgetragen“, heißt es aus dem Landratsamt weiter. Mit diesen Argumenten hätten die Einsprechenden beim zuständigen Amtsgericht jedoch nicht durchdringen können, weshalb einige Einsprüche im Vorfeld eines Gerichtsentscheids freiwillig zurückgenommen worden seien.

Will heißen: Ob zähneknirschend oder nicht, am Ende bezahlt bislang so ziemlich jeder. Und auch für den vorliegenden Fall macht das Landratsamt unmissverständlich klar: „Sofern gegen den Bußgeldbescheid vom 26.11.2020 nicht innerhalb zwei Wochen nach Zustellung form- und fristgerecht Einspruch eingelegt wird, wird dieser Rechtskraft erlangen.“

Alle Namen drin

Der Bußgeldbescheid irritiert in einem Punkt unabhängig von der Grammatik (die so teils etwa 1:1 aus der Corona-Verordnung des Landes übernommen worden ist, inklusive Fehler): So sind alle elf Namen derjenigen aufgeführt, die sich gemeinsam mit der Adressatin des Bescheids zum fraglichen Zeitpunkt an der, nennen wir sie mal so, Tatörtlichkeit aufgehalten haben. Alle Erziehungsberechtigten erfahren damit, wo und vor allem mit wem der Sohn oder das Töchterlein so abhängt.

Ist das nicht ein Verstoß gegen den Datenschutz? Nein, sagen etwa ein Rechtsanwalt und das Landratsamt. Zunächst der Anwalt: „Der Schutz der Daten dient nur zum Beispiel der Weitergabe an Dritte. Hier ist der gesamte Personenkreis zusammen in Anspruch genommen worden und einer Ordnungswidrigkeit beschuldigt. Zudem würde das auch nichts an der Ordnungswidrigkeit oder der Rechtmäßigkeit des Bescheids ändern.“

Und das Amt, es verwendet ein anderes Deutsch: „Die rechtliche Grundlage für die Nennung aller Beteiligten ist der Tatbestand des § 9 CoronaVO. In Absatz 2 werden die Ausnahmen aufgezählt, unter denen Ansammlungen von mehr als zehn Personen gestattet sind (Personen in gerader Linie verwandt, Geschwister und deren Nachkommen oder höchstens zwei Haushalte, einschließlich deren Ehegatten, Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner oder Partnerinnen oder Partner). Bei Vorliegen dieser Ausnahmen fehlt es an der Tatbestandsmäßigkeit. Da die Nennung der Namen der elf Personen zur Darlegung der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens zwingend erforderlich war, liegt ein Verstoß gegen Vorschriften des Datenschutzes nicht vor.“ So die Antwort des Datenschutzbeauftragten. Es sei geradezu notwendig, den vollständigen Bescheid auch an die Eltern zu schicken: „Gemäß § 67 Abs. 1 OWiG kann der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen. Der gesetzliche Vertreter des Betroffenen kann ebenfalls zu dessen Gunsten selbstständig Einspruch einlegen. Daher erhält der gesetzliche Vertreter eine Mehrfertigung des Bußgeldbescheides.“

Doppelte Kosten

Und so hat offenbar alles seine Richtigkeit. Auch etwa die Höhe des Bußgelds für eine 15-Jährige, die kein eigenes Einkommen hat. Dazu der Anwalt, wie wiederum Anwälte sich ausdrücken: „Das Bußgeld selbst ist altersunabhängig, sondern begründet sich aufgrund des Verstoßes.“

Bedeutet: Die 178,50 Euro sind zu zahlen. Von jedem/r der Versammlungsteilnehmer(innen). Von allen zwölf aus elf Haushalten. Das heißt auch: Eine Familie stellt gleich zwei Leute aus der Clique, was die Kosten verdoppelt. Bitter.

 

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