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    Heckler-und-Koch-Urteil: Zwiespältige Reaktionen

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    Richter Frank Maurer scheint es schon geahnt zu haben: In seiner Urteilsbegründung warnte er vor „populistischen Sprüchen von wegen ‚Die Kleinen hängt man…‘“ und erntete prompt den Zwischen ruf aus dem Publikum „Doch genau so ist es …“

    Wie berichtet, hatte das Landgericht Stuttgart im Verfahren um illegale Waffenexporte der Firma Heckler und Koch eine Sachbearbeiterin und einen Vertriebsleiter zu Haftstrafen auf Bewährung,  drei ehemalige Manager, darunter den früheren Präsidenten des Landgerichts Rottweil Peter B. freigesprochen. „Es gibt keinen Beweis als Grundlage für die Vorwürfe gegen die Drei, so Maurer.

    Die Pfaffs im Zug nach Stuttgart, einige Reihen weiter sass Peter B. Video und Fotos: him

    Entsprechend enttäuscht waren etliche der Zuhörer im Saal 1 des Landgerichts, die  vor Prozessbeginn schon bei einer Mahnwache gegen Rüstungsexporte im Allgemeinen und insbesondere der G 36-Lieferungen nach Mexiko protestiert hatten. Aus Oberndorf waren Renate und Ulrich Pfaff angereist. Die beiden seit Jahrzehnten in der Friedensbewegung engagierten saßen – wie der Zufall es so wollte – nur wenige Plätze von Peter B. im selben Waggon.  Auch die Pfaffs hielten ein Plakat in die Höhe, auf dem sie das Verbot des Exports von Kleinwaffen forderten.

    Medienandrang im Gerichtssaal.

    Den Gerichtssaal durften  die Zuschauer  nur nach ausgiebiger Leibesvisitation betreten. Zwei Justizbeamte machten nochmals lautstark klar: „Keine Transparente, keine Trillerpfeifen, keine Sprechchöre.“ Den Fotoreportern und Fernsehteams hatte Maurer ebenso strenge Regeln für ihre Aufnahmen gegeben: Keine Großaufnahmen, die Angeklagten nur anonymisiert, keine Publikumsbilder.

    Jan van Aken kommentiert das Urteil

    Nach der Urteilsverkündung, die eine große Schar an Journalisten und etwa zehn Kamerateams verfolgten, gaben Jan van Aken, Holger Rothbauer und Jürgen Grässlin Stellungnahmen ab.

    Der ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete van Aken hatte den gesamten Prozess beobachten lassen. Er betonte, das „alte System der Exportkontrolle ist kaputt“. Die Endverbleibserklärungen seien nichts wert, das habe der Prozess gezeigt. Rechtsanwalt Rothbauer, der gemeinsam mit Grässlin  2010 die Anzeige gegen Heckler und Koch erstattet hatte, war besonders über den Freispruch für Peter B.  und darüber empört, dass kein einziger Behördenvertreter auf der Anklagebank saß: „Warum fährt B. wöchentlich nach Berlin ins Wirtschaftsministerium und ins Außenministerium? Es wussten alle, dass in die vier Bundestaaten nicht geliefert werden durfte“, poltert Rothbauer in die Kameras.

    Mahnwache

    Auch für Grässlin ist der eigentliche Skandal, dass von ursprünglich 15 Beschuldigten nur fünf auf der Anklagebank saßen.  Beim Urteil sprach er von  „Zwei-Klassen-Justiz“. Die Freisprüche seien für ihn „nicht nachvollziehbar“. Er plädiert für eine schärfere Rüstungsexportkontrolle (siehe Video). Andererseits sei „erstmals in der Firmengeschichte von Heckler und Koch das Unternehmen wegen illegalen Waffenhandels schuldig gesprochen“ worden. Dass das Unternehmen die gesamten 3,7 Millionen Euro Erlös abtreten muss, sei „wesentlich mehr als wir erwartet haben“.

    Die 3,7 Millionen werde das Unternehmen angesichts seiner „desaströsen Finanzlage“ erheblich treffen. Grässlin, der das Verfahren vor bald einem Jahrzehnt ins Rollen brachte, ist insgesamt zufrieden: „Alles in allem ist dieser Strafprozess gegen Heckler & Koch ein immenser Erfolg für die Friedens-, Entwicklungs- und Menschenrechtsbewegung. Die positive Signalwirkung dieses Prozesses ist: Illegaler Waffenhandel wird von uns aufgedeckt und von Gerichten sanktioniert.“

    Richter Maurer hatte in seiner Urteilsbegründung die Mahnwache indirekt angesprochen. „Gegenstand des Verfahrens waren ausschließlich die Waffenexporte, nicht was mit den Waffen in Mexiko geschah.“ Das empfanden die Vertreter von Opfern in Mexiko „verwerflich und erschreckend“. Während des gesamten Verfahrens und auch bei der Urteilsverkündung hätten „die Opfer in Mexiko in keiner Weise eine Rolle gespielt“, so Carola Hausotter von der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko. 

    An die Opfer in Mexiko erinnert

    Mutmaßlich auch mit G 36-Gewehren waren vor etwa vier Jahren 43 Studenten von der mexikanischen Polizei massakriert worden. „Wir hoffen, dass dieses Urteil dazu beitragen wird, dass es künftig keine deutschen Rüstungsexporte in Länder wie Mexiko und andere Krisenregionen geben wird, denn sie verursachen unendliches Leid“, erklärte Leonel Gutiérrez in einem Brief. Leonel ist der  Bruder von Aldo Gutiérrez, der beim Polizeieinsatz mit G-36 Sturmgewehren schwer verletzt wurde und seitdem im Koma liegt.

    Bei Heckler und Koch herrscht Unverständnis über das Urteil. Die Einziehung der gesamten 3,7 Millionen Euro aus dem Mexikogeschäft und nicht nur des Gewinns, sei „ nicht nachvollziehbar“,  „obwohl sich kein Mitglied der Geschäftsleitung strafbar gemacht hat“. teilt die Pressestelle mit. Man werde das Urteil sorgfältig  prüfen. Das Gericht hätte doch auch berücksichtigen können, das das Unternehmen „das Verfahren und damit die aktive Aufklärung von Beginn an unterstützt und mit der Staatsanwaltschaft ohne Wenn und Aber kooperiert hat“.

    Da irrt die Pressestelle allerdings:  Am 2. Februar 2011 hatte der Hauptgesellschafter von HK, Andreas Heeschen noch alle Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Mexiko-Deal dementiert: „Das ist  völliger Irrsinn.“  Die Unterlagen, die jetzt im Strafprozess eine wichtige Rolle gespielt haben, waren erst bei einer Razzia im Oktober 2011 in Oberndorf und in den Räumen von Peter B. in die Hände der Behörden geraten. Das Unternehmen hatte die Vorwürfe jahrelang bestritten. Erst im April 2013 hatte das Unternehmen mit  Axel H. der inzwischen verstorben ist und der jetzt verurteilten Sachbearbeiterin zwei „Schuldige“ präsentiert und fristlos entlassen.

    3,7 Millionen Euro belasten Heckler und Koch

    Heckle…. da gehen zum Teil schon die Lichter aus: Firmeneingang in Oberndorf am Tag der Urteilsverkündung.

    Die 3,7 Millionen Euro sind kein Pappenstiel. Zwar hatte die heutige Geschäftsleitung vorsorglich eine Rücklage von drei Millionen Euro gebildet. Angesichts der zahlreichen Qualitätsprobleme, die immer weder aufpoppen und der nach wie vor enorm hohen Schuldenlast trifft die Einziehung der 3,7 Millionen Euro das Unternehmen hart. Richter Maurer kannte da aber keine Gnade: Wenn Gelder aus einer Straftat stammen, dann werden sie eingezogen. Und zwar brutto: „Die Erlöse für die 4219 G-36 Gewehre sowie Maschinenpistolen und Magazine betrugen 3.730.044 Euro. Dieser Betrag ist einzuziehen.“ Die Waffen stammten aus dem Warenlager von Heckler und Koch, die verurteilten Täter waren dort angestellt. Punkt.

    Finanzexperten sehen das Unternehmen nun in Bedrängnis: Zwar gebe es ein Umsatzplus in den ersten neun Monaten 2018, gleichzeitig habe sich das operative Ergebnis von 22 Millionen im selben Zeitraum 2017 auf 9,5 Millionen mehr als halbiert, berichtet „Finance“. Die Kosten seien gleichzeitig von gut 84 Millionen Euro auf 121 Millionen gestiegen. Und schließlich laufe ein zinsloser Überbrückungskredit  über 30 Millionen Euro im August aus. Ungewisse Zeiten für die derzeit etwa 800 Mitarbeiter. Nicht nur die Rüstungsgegner hoffen, dass Heckler und Koch die Luft ausgeht. Auch viele Unternehmen, die händeringend nach Facharbeitern suchen, hätten nichts dagegen, spekuliert so mancher in Oberndorf.

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    Martin Himmelheber (him)
    Martin Himmelheber (him)
    ... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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    Richter Frank Maurer scheint es schon geahnt zu haben: In seiner Urteilsbegründung warnte er vor „populistischen Sprüchen von wegen ‚Die Kleinen hängt man…‘“ und erntete prompt den Zwischen ruf aus dem Publikum „Doch genau so ist es …“

    Wie berichtet, hatte das Landgericht Stuttgart im Verfahren um illegale Waffenexporte der Firma Heckler und Koch eine Sachbearbeiterin und einen Vertriebsleiter zu Haftstrafen auf Bewährung,  drei ehemalige Manager, darunter den früheren Präsidenten des Landgerichts Rottweil Peter B. freigesprochen. „Es gibt keinen Beweis als Grundlage für die Vorwürfe gegen die Drei, so Maurer.

    Die Pfaffs im Zug nach Stuttgart, einige Reihen weiter sass Peter B. Video und Fotos: him

    Entsprechend enttäuscht waren etliche der Zuhörer im Saal 1 des Landgerichts, die  vor Prozessbeginn schon bei einer Mahnwache gegen Rüstungsexporte im Allgemeinen und insbesondere der G 36-Lieferungen nach Mexiko protestiert hatten. Aus Oberndorf waren Renate und Ulrich Pfaff angereist. Die beiden seit Jahrzehnten in der Friedensbewegung engagierten saßen – wie der Zufall es so wollte – nur wenige Plätze von Peter B. im selben Waggon.  Auch die Pfaffs hielten ein Plakat in die Höhe, auf dem sie das Verbot des Exports von Kleinwaffen forderten.

    Medienandrang im Gerichtssaal.

    Den Gerichtssaal durften  die Zuschauer  nur nach ausgiebiger Leibesvisitation betreten. Zwei Justizbeamte machten nochmals lautstark klar: „Keine Transparente, keine Trillerpfeifen, keine Sprechchöre.“ Den Fotoreportern und Fernsehteams hatte Maurer ebenso strenge Regeln für ihre Aufnahmen gegeben: Keine Großaufnahmen, die Angeklagten nur anonymisiert, keine Publikumsbilder.

    Jan van Aken kommentiert das Urteil

    Nach der Urteilsverkündung, die eine große Schar an Journalisten und etwa zehn Kamerateams verfolgten, gaben Jan van Aken, Holger Rothbauer und Jürgen Grässlin Stellungnahmen ab.

    Der ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete van Aken hatte den gesamten Prozess beobachten lassen. Er betonte, das „alte System der Exportkontrolle ist kaputt“. Die Endverbleibserklärungen seien nichts wert, das habe der Prozess gezeigt. Rechtsanwalt Rothbauer, der gemeinsam mit Grässlin  2010 die Anzeige gegen Heckler und Koch erstattet hatte, war besonders über den Freispruch für Peter B.  und darüber empört, dass kein einziger Behördenvertreter auf der Anklagebank saß: „Warum fährt B. wöchentlich nach Berlin ins Wirtschaftsministerium und ins Außenministerium? Es wussten alle, dass in die vier Bundestaaten nicht geliefert werden durfte“, poltert Rothbauer in die Kameras.

    Mahnwache

    Auch für Grässlin ist der eigentliche Skandal, dass von ursprünglich 15 Beschuldigten nur fünf auf der Anklagebank saßen.  Beim Urteil sprach er von  „Zwei-Klassen-Justiz“. Die Freisprüche seien für ihn „nicht nachvollziehbar“. Er plädiert für eine schärfere Rüstungsexportkontrolle (siehe Video). Andererseits sei „erstmals in der Firmengeschichte von Heckler und Koch das Unternehmen wegen illegalen Waffenhandels schuldig gesprochen“ worden. Dass das Unternehmen die gesamten 3,7 Millionen Euro Erlös abtreten muss, sei „wesentlich mehr als wir erwartet haben“.

    Die 3,7 Millionen werde das Unternehmen angesichts seiner „desaströsen Finanzlage“ erheblich treffen. Grässlin, der das Verfahren vor bald einem Jahrzehnt ins Rollen brachte, ist insgesamt zufrieden: „Alles in allem ist dieser Strafprozess gegen Heckler & Koch ein immenser Erfolg für die Friedens-, Entwicklungs- und Menschenrechtsbewegung. Die positive Signalwirkung dieses Prozesses ist: Illegaler Waffenhandel wird von uns aufgedeckt und von Gerichten sanktioniert.“

    Richter Maurer hatte in seiner Urteilsbegründung die Mahnwache indirekt angesprochen. „Gegenstand des Verfahrens waren ausschließlich die Waffenexporte, nicht was mit den Waffen in Mexiko geschah.“ Das empfanden die Vertreter von Opfern in Mexiko „verwerflich und erschreckend“. Während des gesamten Verfahrens und auch bei der Urteilsverkündung hätten „die Opfer in Mexiko in keiner Weise eine Rolle gespielt“, so Carola Hausotter von der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko. 

    An die Opfer in Mexiko erinnert

    Mutmaßlich auch mit G 36-Gewehren waren vor etwa vier Jahren 43 Studenten von der mexikanischen Polizei massakriert worden. „Wir hoffen, dass dieses Urteil dazu beitragen wird, dass es künftig keine deutschen Rüstungsexporte in Länder wie Mexiko und andere Krisenregionen geben wird, denn sie verursachen unendliches Leid“, erklärte Leonel Gutiérrez in einem Brief. Leonel ist der  Bruder von Aldo Gutiérrez, der beim Polizeieinsatz mit G-36 Sturmgewehren schwer verletzt wurde und seitdem im Koma liegt.

    Bei Heckler und Koch herrscht Unverständnis über das Urteil. Die Einziehung der gesamten 3,7 Millionen Euro aus dem Mexikogeschäft und nicht nur des Gewinns, sei „ nicht nachvollziehbar“,  „obwohl sich kein Mitglied der Geschäftsleitung strafbar gemacht hat“. teilt die Pressestelle mit. Man werde das Urteil sorgfältig  prüfen. Das Gericht hätte doch auch berücksichtigen können, das das Unternehmen „das Verfahren und damit die aktive Aufklärung von Beginn an unterstützt und mit der Staatsanwaltschaft ohne Wenn und Aber kooperiert hat“.

    Da irrt die Pressestelle allerdings:  Am 2. Februar 2011 hatte der Hauptgesellschafter von HK, Andreas Heeschen noch alle Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Mexiko-Deal dementiert: „Das ist  völliger Irrsinn.“  Die Unterlagen, die jetzt im Strafprozess eine wichtige Rolle gespielt haben, waren erst bei einer Razzia im Oktober 2011 in Oberndorf und in den Räumen von Peter B. in die Hände der Behörden geraten. Das Unternehmen hatte die Vorwürfe jahrelang bestritten. Erst im April 2013 hatte das Unternehmen mit  Axel H. der inzwischen verstorben ist und der jetzt verurteilten Sachbearbeiterin zwei „Schuldige“ präsentiert und fristlos entlassen.

    3,7 Millionen Euro belasten Heckler und Koch

    Heckle…. da gehen zum Teil schon die Lichter aus: Firmeneingang in Oberndorf am Tag der Urteilsverkündung.

    Die 3,7 Millionen Euro sind kein Pappenstiel. Zwar hatte die heutige Geschäftsleitung vorsorglich eine Rücklage von drei Millionen Euro gebildet. Angesichts der zahlreichen Qualitätsprobleme, die immer weder aufpoppen und der nach wie vor enorm hohen Schuldenlast trifft die Einziehung der 3,7 Millionen Euro das Unternehmen hart. Richter Maurer kannte da aber keine Gnade: Wenn Gelder aus einer Straftat stammen, dann werden sie eingezogen. Und zwar brutto: „Die Erlöse für die 4219 G-36 Gewehre sowie Maschinenpistolen und Magazine betrugen 3.730.044 Euro. Dieser Betrag ist einzuziehen.“ Die Waffen stammten aus dem Warenlager von Heckler und Koch, die verurteilten Täter waren dort angestellt. Punkt.

    Finanzexperten sehen das Unternehmen nun in Bedrängnis: Zwar gebe es ein Umsatzplus in den ersten neun Monaten 2018, gleichzeitig habe sich das operative Ergebnis von 22 Millionen im selben Zeitraum 2017 auf 9,5 Millionen mehr als halbiert, berichtet „Finance“. Die Kosten seien gleichzeitig von gut 84 Millionen Euro auf 121 Millionen gestiegen. Und schließlich laufe ein zinsloser Überbrückungskredit  über 30 Millionen Euro im August aus. Ungewisse Zeiten für die derzeit etwa 800 Mitarbeiter. Nicht nur die Rüstungsgegner hoffen, dass Heckler und Koch die Luft ausgeht. Auch viele Unternehmen, die händeringend nach Facharbeitern suchen, hätten nichts dagegen, spekuliert so mancher in Oberndorf.

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