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    Frau getötet: Prozess gegen mutmaßlichen Mörder beginnt mit Hindernissen

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    Vor einigen Zuschauern hat am Dienstagmorgen vor dem Landgericht Rottweil der Prozess gegen einen 36-Jährigen begonnen, der im Januar 2021 in Wellendingen seine Partnerin mit einem Messer getötet haben soll. Weil diese sich von ihm trennen wollte, schon aus dem gemeinsamen Haus geflüchtet war, ein letztes klärendes Gespräch nicht zur Zufriedenheit des mutmaßlichen Täters verlief. Ein zweisprachiger Prozess mit Hindernissen. Zwischenzeitlich wird die Verhandlungsfähigkeit des mutmaßlichen Mörders geprüft.

    Schmächtig, glatzköpfig, verängstigter, verunsicherter Blick, des Deutschen offenbar nicht mächtig – so sitzt der mutmaßliche Mörder auf der Anklagebank. Der Prozess wird zweisprachig geführt, auf Deutsch und Ungarisch. Viele Beteiligte tragen ein Headset, Dolmetscherinnen versuchen, zwischen den Welten zu vermitteln. Einfache Hinweise des Vorsitzenden Richters etwa zur Maskenpflicht versteht der Angeklagte, O., nicht.

    Seine drei Kinder leben nun bei der Mutter der Getöteten. Sie ist deren gesetzliche Vertreterin. Sie und die Schwester der Ermordeten sitzen im Saal. In Schwarz gekleidet, von den Ereignissen sichtlich gezeichnet. Sie werden von einem örtlichen Anwalt vertreten, als Nebenklägerinnen. Sie wurden am Eingang von Justizangestellten auf Waffen durchsucht.

    Der Mann heißt Ondrej O., er wurde 1984 in der damaligen Tschechoslowakischen Republik geboren. Spricht Ungarisch, bezeichnet sich als Slowaken. Ohne abgeschlossene Ausbildung, ungelernt. Nennt als aktuelle Wohnadresse die Straße in Wellendingen, in der es im Januar passierte. Er sitzt zurzeit im Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg in Untersuchungshaft.

    So sieht die Anklage die Tat: Mehrfach sei es in den Monaten zuvor zu Übergriffen auf seine Partnerin, Monika L., gekommen. Nach mehreren dieser Angriffe sei sie, Monika L., geflüchtet, zu ihrer Schwester in die Schweiz. Am Vortag des Tattags kam sie nochmals zurück, um ein paar Sachen zu holen. Sie übernachtete im Haus. Am Morgen der Tat soll er noch einmal das Gespräch mit ihr gesucht haben. Sie habe erklärt, dass sie sich trennen wolle. Dass es bei ihrem Entschluss bleibe. Das habe O. so wütend gemacht, dass er Monika L. getötet habe. Am 25. Januar zwischen 7.15 und 7.36 Uhr, die Anklage kann das nicht genau beziffern. Die Kinder seien nach und nach dazu gekommen, weil sie ihre Mutter „Stich mich nicht ab!“ hätten schreien gehört. Sie wurden Tatzeugen.

    Tödlich war ein Stich ins Herz.

    Nach der Tat habe der Mann sich selbst noch drei Schnitte beigebracht. Das DRK versorgte ihn später.

    Verhandlungsunfähig? Der Angeklagte zu Prozessbeginn. Foto: g

    Am Prozesstag nun: „Ein Beginn mit Hindernissen“, so etwas mag der Vorsitzende nicht. Zunächst steht der psychiatrische Sachverständige im Stau, verzögert sich der Prozessbeginn um eine halbe Stunde. Dann funktionieren die Headsets nicht, träumt der Angeklagte schon weg. Schließlich gibt es Abstimmungsbedarf seitens seines Pflichtverteidigers – doch, er solle Angaben zur Sache machen, will dieser ihm ins Gewissen reden. Während einer weiteren, zehnminütigen Verzögerung.

    Es bleibt dabei. Sein Mandant mache geltend, nicht in der Verfassung zu sein, dem Prozess mental zu folgen. Es gehe ihm schlecht. Er sehe sich nicht in der Lage, auszusagen. „Er will und kann keine Angaben machen“, so der Anwalt. Das habe O. ihm gegenüber erklärt. Er habe dabei geweint und gezittert.

    Die Folge: Die Verhandlungsfähigkeit wird vom psychiatrischen Sachverständigen abgeklärt. Eine halbe Stunde hat er sich hierfür ausbedungen.

    Nach einer guten halben Stunde steht fest: Der Angeklagte sei übermüdet, nehme seit einigen Tagen keine Medikamente mehr, sei nervös und zittrig. Er könne sich deshalb nicht äußern. Zur Sache wolle er keine Aussage machen, sehe sich dazu nicht in der Lage. „Ich halte ihn für verhandlungsfähig“, so dennoch das Urteil des psychiatrischen Sachverständigen. Er könne aus seinen umfangreichen Gesprächen mit O. Im Vorfeld des Prozesses selbst dessen Lebensgeschichte berichten, so der Psychiater.

    Damit konnte der Prozess fortgesetzt werden. Mit den Aussagen zweier der drei Kinder, aus deren Vernehmung durch einen Ermittlungsrichter. B. und K., 2005 und 2007 geboren, Tochter und Sohn. Es werden Bild- und Ton-Aufnahmen abgespielt, die Kinder müssen nicht selbst anwesend sein und aussagen. Um sie zu schützen.

    Ihr Vater, der Angeklagte, sinkt in sich zusammen. Die Schultern hochgezogen. Die Augen unter einer Hand verborgen. Oder den Kopf weggedreht. Oder gesenkt. Er weint. Frontal ihm gegenüber: Ein Flachbildfernseher zeigt die Aufnahmen seiner Kinder, in denen sie nacheinander schildern, wie sie den Mord an ihrer Mutter miterlebt haben. In der kalten Umgebung eines Richterzimmers.

    Zunächst die Tochter, sie weinte während der Vernehmung ebenfalls. Schildert das Erlebte anfangs mit geschlossenen Augen. Was sie sagt, dessen Übersetzung durch eine Dolmetscherin, ist im Zuschauerraum des Landgerichts-Sitzungssaals nur ansatzweise zu verstehen, weil der Fernseher der Wichtigkeit seiner Aufgabe nicht gewachsen ist, weil er unangemessen dröhnt. Dass sie die Mutter habe schreien gehört, berichtet die Tochter, dass sie davon aufgewacht sei. Die Mutter und den Vater im Hausflur vorgefunden habe. Der Vater mit einem blutigen Messer in der Hand. „Es war alles voller Blut.“

    Dann der Sohn, ein blonder Bub. Bei seinem Anblick beginnt Ondrej O. erneut zu weinen. Er sinkt noch weiter in sich zusammen, reibt sich die Augen. Die Schilderung des Jungen, teils auf Deutsch: detailliert. Obwohl er das nicht muss, erzählt er, wie er den Tattag erlebt hat. Den Tod seiner Mutter. Der Junge erinnert sich: „Sie lag auf dem Boden, hat zu mir aufgeschaut, hat gesagt, wir sollen das Krankenhaus anrufen. ‚Ich sterbe‘.“ Der Junge soll den Tatort zeichnen, zunächst die Vierzimmerwohnung. Macht das gewissenhaft, murmelt kleine Erklärungen dazu. Seine Mutter habe am Ende vor dem Bad gelegen. Auch dies zeichnet er. Durch ihre Schreie aus dem Schlafzimmer sei er an jenem Morgen aufgewacht. Hat dann die blutüberströmte Mutter gesehen. Der Vater habe sich während des Streits ein Glas Wasser bringen lassen.

    Das dritte Kind, ein elfjähriger Sohn, war zum Zeitpunkt der Tat nicht im Haus. Sondern schon in der Schule.

    Ondrej O. Ist in der Südslowakei geboren, an einem Ort an der Grenze zu Ungarn. So schilderte der psychiatrische Sachverständige die Biografie des 36-Jährigen. Früher habe das Dorf zu Ungarn gehört. Dort hat er die Kindheit und Jugend verbracht, war Gelegenheitsarbeiter ohne Ausbildung. Bauhofmitarbeiter und Helfer in einer Fabrik, das für nur vier Wochen. Teils habe er in Deutschland gearbeitet, mit einem Bus seien er und andere hinüber gebracht worden. Er und seine Frau, wie er sie nannte, seien Halb-Roma. Mit ihr sei er nach Deutschland gekommen, sei nach Wellendingen gezogen, vermittelt durch einen Bekannten. Seine Partnerin sei Putzfrau gewesen, er selbst war zumeist arbeitslos, arbeitete jeweils nur für wenige Wochen an der einen oder anderen Stelle. Habe keinen guten Kontakt zur Familie seiner Partnerin gehabt. Die habe gegen ihn intrigiert.

    Zur Tat – „die hat er mir gegenüber eingeräumt“, so der Sachverständige. Allerdings habe er deren Ablauf nicht schildern können. Er erinnere sich noch, dass seine Schwester in die Schweiz gefahren sei. Dass er dann noch mal Dogen, Amphetamine, genommen, kurz vor der Tat nichts mehr. Als die Frau Sonntagabend zurückgekommen sei, habe er Salami und Brot aufgetischt. In der Nacht habe er nicht schlafen können.

    Die Streitereien hätten sich immer um seinen Drogenkonsum, um Geldsorgen, um die Tatsache gedreht, dass er nicht arbeite. So eben auch an jenem Montagmorgen. Ob er sich ein Messer besorgt habe aus der Küche? Das wisse er nicht mehr. Aber, dass er sie im Schlafzimmer niedergestochen habe. Dass er ihr zunächst in die Flanke gestochen habe, dann in den Hals. „Jetzt müssen wir sterben“, habe er gerufen, daran könne er sich erinnern. Und dass er sich selbst drei Stiche zugefügt habe.

    Die Kriminalhauptkommissarin, 30 Jahre alt, schildert, was sie am Tattag in Wellendingen vorgefunden hat. Die Polizei sei in die Ledergasse gerufen worden, dort sei es zu einem Streit gekommen, eine Frau würde mit einem Messer in der Brust auf dem Boden liegen. Der Notarzt, zuerst vor Ort, sei zunächst reingegangen. Um das Opfer eventuell retten zu können. Er kam aber bereits zu spät, „da der Tod schon eingetreten war“, so die Polizistin. Ondrej O. sei festgenommen worden, er habe darum gebeten, sich um die Kinder zu kümmern. Mit nicht lebensgefährlichen, teils oberflächlichen Verletzungen wurde er ins Krankenhaus Tuttlingen gebracht.

    Seiner Partnerin, Monika L., habe er drei Stiche beigebracht. „Mit ziemlicher Wucht.“

    Zur Tatzeit, das hätten Tests ergeben, habe er nicht unter Drogen gestanden. Schlafmittel sei später festgestellt worden, mehr nicht.

    Seit 2005 seien die beiden zusammen gewesen. 2017 die erste Trennung – sie habe das Sorgerecht für die Kinder beantragt, sollte Unterhalt bezahlen. Was er aber wohl nie getan habe. Das Jobcenter habe ihm Vorschläge für Arbeitsstellen gemacht, die er aber nicht oder nicht dauerhaft wahrgenommen habe. Schließlich seien ihm die Leistungen gekürzt worden. Und am Ende gab es kein Geld mehr vom Amt.

    Während der Vernehmung der Kriminalpolizistin kommt Bewegung in den Angeklagten. Dass es Aussagen gebe, dass Ondrej O. homosexuelle Dienste gegen Geld geleistet hätte, sagt der Vorsitzende Richter. Etwa für einen Pfarrer namens Franz aus dem Raum Balingen. Ob sie etwas dazu sagen könne. O., der ohnehin nicht das Wort hat, sagt dazu nichts. Aber er schüttelt vehement den Kopf, grinst. Die Polizistin habe recherchiert, die Angaben aber nicht bestätigen können, trotz Nachfragen bei Pfarrämtern, sagt sie.

    Kurz darauf brechen Mutter und Schwester der Getöteten fast zusammen. Ein Wimmern ist zu hören. Bilder des Opfers werden gezeigt. Zunächst Passbilder, die die Lebende zeigen, eine hübsche junge Frau mit strahlend blauen Augen. Später Bilder der Leiche. Diese nicht mehr für die Prozessbesucher einsehbar.

    O. schaut sich die Bilder nicht an. Er verdeckt die Augen mit seinen Händen.

    Ein Schutzpolizist, Kriminalhauptkommissar, 43 Jahre alt, übernahm mit seiner Kollegin den Einsatz. „Wir kamen aus Hausen, haben versucht, beschleunigt anzufahren, haben aber eine Weile gebraucht“, das Wetter sei schlecht gewesen, Schnee und Eis hätten die Fahrt behindert.

    Vor Ort dann: Das DRK war schon im Gebäude. Nachbarn hätten ihm gleich erklärt, dass die Frau bereits tot sei, der Täter auch bald, die Rettungskräfte versorgten diesen gerade, brachten ihn zu einem Rettungswagen. Er sei zunächst allein in die Wohnung, so der Polizist, um nach den Kindern zu suchen. Die Räume seien dunkel gewesen, die Rollläden unten. Die Leiche habe im Bad gelegen, ihr Kopf im Flur. Er habe sie unangetastet, um nichts zu verändern. Später übergab der Beamte den Tatort an die zwischenzeitlich eingetroffenen Kriminalpolizisten.

    Ein Rettungssanitäter, 33 Jahre alt, aus Bösingen. Er fuhr den Einsatz in Wellendingen, zusammen mit einer Kollegin im Rettungswagen. Er habe auf Anfahrt erfahren, dass es sich um eine Familienstreitigkeit handle, dass der Mann mit einem Messer auf seine Frau losgegangen sei. Sie sollten zunächst vor dem Haus warten, auf Eigenschutz achten. Von draußen konnten die Retter das Gebäude nicht einsehen, hielten sich zunächst wie angewiesen etwa 80 Meter entfernt auf. Die Nachbarn seien schon auf sie zugekommen. Er sei ausgestiegen, so der Sanitäter. In der Wohnung lägen zwei Menschen, blutüberströmt. Parallel traf der Notarzt ein. Dieser nahm sich ein Herz und ist mit einem Zeugen rein. Der Sanitäter auch. Alles noch ohne Polizei.

    Im zweiten OG dann die blutige Szenerie. Eine jüngere Dame am Boden, „augenscheinlich schon tot. Blass und ausgeblutet.“ Nach ihr habe der Notarzt geschaut. Zudem ein Mann, ebenfalls auf dem Rücken in einer Blutlache liegend, zunächst scheinbar tot, wortlos. Zu dessen Füßen ein größeres Küchenmesser. „Das habe ich sicherheitshalber weggetreten.“ Dann sei klar geworden, dass der Mann noch lebt. Der Notarzt habe darauf gedrängt, den Tatort zu verlassen. Man habe eine „zügige Rettung“ vorgenommen und „den Patienten“ dann in den Rettungswagen gebracht. Es seien keine schwereren Verletzungen an ihm festzustellen gewesen. Er kam ins Krankenhaus. „Ein stabiler Patient, auf der Fahrt keine nennenswerte Veränderung, leicht verletzt.“

    Soweit die Tat und wie sie die Kinder des Paares, die Retter und Ermittler wahrgenommen haben. Der Angeklagte schweigt zu den Vorwürfen, folgt der Verhandlung mit gesenktem Kopf. Ob er im Verlauf des Prozesses selbst noch das Wort ergreift, ein Geständnis ablegt, sich an einer Begründung versucht – unklar. Wichtig für Strafe und Strafmaß wird die Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen sein. Das Urteil soll Anfang November gesprochen werden.

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    Peter Arnegger (gg)
    Peter Arnegger (gg)
    … ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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    Tödlich war ein Stich ins Herz.

    Nach der Tat habe der Mann sich selbst noch drei Schnitte beigebracht. Das DRK versorgte ihn später.

    Verhandlungsunfähig? Der Angeklagte zu Prozessbeginn. Foto: g

    Am Prozesstag nun: „Ein Beginn mit Hindernissen“, so etwas mag der Vorsitzende nicht. Zunächst steht der psychiatrische Sachverständige im Stau, verzögert sich der Prozessbeginn um eine halbe Stunde. Dann funktionieren die Headsets nicht, träumt der Angeklagte schon weg. Schließlich gibt es Abstimmungsbedarf seitens seines Pflichtverteidigers – doch, er solle Angaben zur Sache machen, will dieser ihm ins Gewissen reden. Während einer weiteren, zehnminütigen Verzögerung.

    Es bleibt dabei. Sein Mandant mache geltend, nicht in der Verfassung zu sein, dem Prozess mental zu folgen. Es gehe ihm schlecht. Er sehe sich nicht in der Lage, auszusagen. „Er will und kann keine Angaben machen“, so der Anwalt. Das habe O. ihm gegenüber erklärt. Er habe dabei geweint und gezittert.

    Die Folge: Die Verhandlungsfähigkeit wird vom psychiatrischen Sachverständigen abgeklärt. Eine halbe Stunde hat er sich hierfür ausbedungen.

    Nach einer guten halben Stunde steht fest: Der Angeklagte sei übermüdet, nehme seit einigen Tagen keine Medikamente mehr, sei nervös und zittrig. Er könne sich deshalb nicht äußern. Zur Sache wolle er keine Aussage machen, sehe sich dazu nicht in der Lage. „Ich halte ihn für verhandlungsfähig“, so dennoch das Urteil des psychiatrischen Sachverständigen. Er könne aus seinen umfangreichen Gesprächen mit O. Im Vorfeld des Prozesses selbst dessen Lebensgeschichte berichten, so der Psychiater.

    Damit konnte der Prozess fortgesetzt werden. Mit den Aussagen zweier der drei Kinder, aus deren Vernehmung durch einen Ermittlungsrichter. B. und K., 2005 und 2007 geboren, Tochter und Sohn. Es werden Bild- und Ton-Aufnahmen abgespielt, die Kinder müssen nicht selbst anwesend sein und aussagen. Um sie zu schützen.

    Ihr Vater, der Angeklagte, sinkt in sich zusammen. Die Schultern hochgezogen. Die Augen unter einer Hand verborgen. Oder den Kopf weggedreht. Oder gesenkt. Er weint. Frontal ihm gegenüber: Ein Flachbildfernseher zeigt die Aufnahmen seiner Kinder, in denen sie nacheinander schildern, wie sie den Mord an ihrer Mutter miterlebt haben. In der kalten Umgebung eines Richterzimmers.

    Zunächst die Tochter, sie weinte während der Vernehmung ebenfalls. Schildert das Erlebte anfangs mit geschlossenen Augen. Was sie sagt, dessen Übersetzung durch eine Dolmetscherin, ist im Zuschauerraum des Landgerichts-Sitzungssaals nur ansatzweise zu verstehen, weil der Fernseher der Wichtigkeit seiner Aufgabe nicht gewachsen ist, weil er unangemessen dröhnt. Dass sie die Mutter habe schreien gehört, berichtet die Tochter, dass sie davon aufgewacht sei. Die Mutter und den Vater im Hausflur vorgefunden habe. Der Vater mit einem blutigen Messer in der Hand. „Es war alles voller Blut.“

    Dann der Sohn, ein blonder Bub. Bei seinem Anblick beginnt Ondrej O. erneut zu weinen. Er sinkt noch weiter in sich zusammen, reibt sich die Augen. Die Schilderung des Jungen, teils auf Deutsch: detailliert. Obwohl er das nicht muss, erzählt er, wie er den Tattag erlebt hat. Den Tod seiner Mutter. Der Junge erinnert sich: „Sie lag auf dem Boden, hat zu mir aufgeschaut, hat gesagt, wir sollen das Krankenhaus anrufen. ‚Ich sterbe‘.“ Der Junge soll den Tatort zeichnen, zunächst die Vierzimmerwohnung. Macht das gewissenhaft, murmelt kleine Erklärungen dazu. Seine Mutter habe am Ende vor dem Bad gelegen. Auch dies zeichnet er. Durch ihre Schreie aus dem Schlafzimmer sei er an jenem Morgen aufgewacht. Hat dann die blutüberströmte Mutter gesehen. Der Vater habe sich während des Streits ein Glas Wasser bringen lassen.

    Das dritte Kind, ein elfjähriger Sohn, war zum Zeitpunkt der Tat nicht im Haus. Sondern schon in der Schule.

    Ondrej O. Ist in der Südslowakei geboren, an einem Ort an der Grenze zu Ungarn. So schilderte der psychiatrische Sachverständige die Biografie des 36-Jährigen. Früher habe das Dorf zu Ungarn gehört. Dort hat er die Kindheit und Jugend verbracht, war Gelegenheitsarbeiter ohne Ausbildung. Bauhofmitarbeiter und Helfer in einer Fabrik, das für nur vier Wochen. Teils habe er in Deutschland gearbeitet, mit einem Bus seien er und andere hinüber gebracht worden. Er und seine Frau, wie er sie nannte, seien Halb-Roma. Mit ihr sei er nach Deutschland gekommen, sei nach Wellendingen gezogen, vermittelt durch einen Bekannten. Seine Partnerin sei Putzfrau gewesen, er selbst war zumeist arbeitslos, arbeitete jeweils nur für wenige Wochen an der einen oder anderen Stelle. Habe keinen guten Kontakt zur Familie seiner Partnerin gehabt. Die habe gegen ihn intrigiert.

    Zur Tat – „die hat er mir gegenüber eingeräumt“, so der Sachverständige. Allerdings habe er deren Ablauf nicht schildern können. Er erinnere sich noch, dass seine Schwester in die Schweiz gefahren sei. Dass er dann noch mal Dogen, Amphetamine, genommen, kurz vor der Tat nichts mehr. Als die Frau Sonntagabend zurückgekommen sei, habe er Salami und Brot aufgetischt. In der Nacht habe er nicht schlafen können.

    Die Streitereien hätten sich immer um seinen Drogenkonsum, um Geldsorgen, um die Tatsache gedreht, dass er nicht arbeite. So eben auch an jenem Montagmorgen. Ob er sich ein Messer besorgt habe aus der Küche? Das wisse er nicht mehr. Aber, dass er sie im Schlafzimmer niedergestochen habe. Dass er ihr zunächst in die Flanke gestochen habe, dann in den Hals. „Jetzt müssen wir sterben“, habe er gerufen, daran könne er sich erinnern. Und dass er sich selbst drei Stiche zugefügt habe.

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    Seiner Partnerin, Monika L., habe er drei Stiche beigebracht. „Mit ziemlicher Wucht.“

    Zur Tatzeit, das hätten Tests ergeben, habe er nicht unter Drogen gestanden. Schlafmittel sei später festgestellt worden, mehr nicht.

    Seit 2005 seien die beiden zusammen gewesen. 2017 die erste Trennung – sie habe das Sorgerecht für die Kinder beantragt, sollte Unterhalt bezahlen. Was er aber wohl nie getan habe. Das Jobcenter habe ihm Vorschläge für Arbeitsstellen gemacht, die er aber nicht oder nicht dauerhaft wahrgenommen habe. Schließlich seien ihm die Leistungen gekürzt worden. Und am Ende gab es kein Geld mehr vom Amt.

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    O. schaut sich die Bilder nicht an. Er verdeckt die Augen mit seinen Händen.

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    Vor Ort dann: Das DRK war schon im Gebäude. Nachbarn hätten ihm gleich erklärt, dass die Frau bereits tot sei, der Täter auch bald, die Rettungskräfte versorgten diesen gerade, brachten ihn zu einem Rettungswagen. Er sei zunächst allein in die Wohnung, so der Polizist, um nach den Kindern zu suchen. Die Räume seien dunkel gewesen, die Rollläden unten. Die Leiche habe im Bad gelegen, ihr Kopf im Flur. Er habe sie unangetastet, um nichts zu verändern. Später übergab der Beamte den Tatort an die zwischenzeitlich eingetroffenen Kriminalpolizisten.

    Ein Rettungssanitäter, 33 Jahre alt, aus Bösingen. Er fuhr den Einsatz in Wellendingen, zusammen mit einer Kollegin im Rettungswagen. Er habe auf Anfahrt erfahren, dass es sich um eine Familienstreitigkeit handle, dass der Mann mit einem Messer auf seine Frau losgegangen sei. Sie sollten zunächst vor dem Haus warten, auf Eigenschutz achten. Von draußen konnten die Retter das Gebäude nicht einsehen, hielten sich zunächst wie angewiesen etwa 80 Meter entfernt auf. Die Nachbarn seien schon auf sie zugekommen. Er sei ausgestiegen, so der Sanitäter. In der Wohnung lägen zwei Menschen, blutüberströmt. Parallel traf der Notarzt ein. Dieser nahm sich ein Herz und ist mit einem Zeugen rein. Der Sanitäter auch. Alles noch ohne Polizei.

    Im zweiten OG dann die blutige Szenerie. Eine jüngere Dame am Boden, „augenscheinlich schon tot. Blass und ausgeblutet.“ Nach ihr habe der Notarzt geschaut. Zudem ein Mann, ebenfalls auf dem Rücken in einer Blutlache liegend, zunächst scheinbar tot, wortlos. Zu dessen Füßen ein größeres Küchenmesser. „Das habe ich sicherheitshalber weggetreten.“ Dann sei klar geworden, dass der Mann noch lebt. Der Notarzt habe darauf gedrängt, den Tatort zu verlassen. Man habe eine „zügige Rettung“ vorgenommen und „den Patienten“ dann in den Rettungswagen gebracht. Es seien keine schwereren Verletzungen an ihm festzustellen gewesen. Er kam ins Krankenhaus. „Ein stabiler Patient, auf der Fahrt keine nennenswerte Veränderung, leicht verletzt.“

    Soweit die Tat und wie sie die Kinder des Paares, die Retter und Ermittler wahrgenommen haben. Der Angeklagte schweigt zu den Vorwürfen, folgt der Verhandlung mit gesenktem Kopf. Ob er im Verlauf des Prozesses selbst noch das Wort ergreift, ein Geständnis ablegt, sich an einer Begründung versucht – unklar. Wichtig für Strafe und Strafmaß wird die Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen sein. Das Urteil soll Anfang November gesprochen werden.

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