„Wir sind insgesamt sehr zufrieden, wie’s läuft“: Dr. Torsten Hub, Vizepräsident des Landgerichts Rottweil, zog eine positive Bilanz des abgelaufenen Jahres („kein spektakuläres Jahr“).
Rottweil – Die Suche nach einem Nachfolger des im März in den Ruhestand getretenen Präsidenten Dr. Dietmar Foth ist wohl auch schon auf der Zielgeraden“, berichtete er beim Jahres-Pressegespräch seiner Behörde. „Wenn’s glatt läuft, in der zweiten Junihälfte“, schätzte er ein, bis wann die Stelle wieder besetzt werden könne. Weil das eine hervorgehobene Position ist, sind auch höhere Instanzen damit befasst – bis hinauf zum Ministerpräsidenten, der die Ernennungsurkunde des Präsidenten oder der Präsidentin unterschreiben muss. Neu besetzt werden muss auch die Stelle von Richterin Dr. Gundula Schäfer-Vogel, die im Januar zur Bürgermeisterin in Tübingen ernannt wurde.
Die große Welle an Klagen im zivilrechtlichen Bereich, die im Zusammenhang mit der Diesel-Affäre hier erhoben wurden, sei vorbei. Da waren noch 1700 zivilrechtliche Klagen eingegangen, im vorigen Jahr noch 1200. Im Jahr 2023 weise die Statistik eine Überdeckung an Richterstellen von 115 Prozent aus. So konnten auch Rückstände aufgearbeitet werden. Inzwischen wurden die zusätzlichen Richterstellen sukzessive wieder abgebaut.
So sind derzeit im Landgerichtsbezirk 43 Richterinnen und Richter mit 39 „Arbeitskraftanteilen“, wie es hier heißt, tätig, davon 17 am Landgericht (LG), die anderen in den Amtsgerichten Rottweil, Oberndorf, Tuttlingen, Spaichingen, Freudenstadt und Horb. In fünf dieser Gerichte habe es Änderungen an der Spitze gegeben, lediglich in Rottweil gab es keinen Wechsel: Petra Wagner ist schon seit 15 Jahren Direktorin.
Im Berichtsjahr 2023 gingen am Landgericht 29 neue erstinstanzliche Strafverfahren ein, etwas weniger als in den Jahren zuvor. „Im ersten Halbjahr standen wir extrem unter Druck“, berichtete Richterin Corinne Schweizer. Erledigt wurden 39 Verfahren in 103 Verhandlungstagen, „ein Spitzenwert der letzten Jahre“, freute sich Hub.
Digitalisierung
In Zivil- und verwandten Sachen werden am LG und den dazugehörigen Amtsgerichten elektronische Akten geführt – also kein Papier mehr, außer bei alten Verfahren. In Strafsachen kommt die elektronische Akte am 1. Januar 2026, so sei es jedenfalls vorgesehen, berichtete Hub. Ein „beachtlicher Anteil“ (Hub) der Verhandlungen in Zivilprozessen wird per Videokonferenz geführt: Die Richter sind im Sitzungssaal, die Parteien (Kläger und Beklagte) und ihre Rechtsvertreter werden per Videokonferenz zugeschaltet. Technisch funktioniere das gut. Das gehe aber nur dann, wenn der Richter bei der Entscheidungsfindung keinen persönlichen Eindruck von den Parteien brauche, „was in der überwiegenden Anzahl der Verfahren aber der Fall ist.“
Fälle
Richterin Schweizer berichtete von Partnerschafts-Gewalttaten und hob dabei die Tötung der Ehefrau durch ihren Gatten im Dezember 2022 hervor, aber auch den Fall in Sulgen, als eine betrunkene Frau ihren ebenfalls alkoholisierten Mann erstochen habe (wir berichteten). Dieses Urteil sei noch nicht rechtskräftig, weil die Angeklagte Revision eingelegt habe.
„Besonders medienträchtig“ waren die (Zivil-)Klagen wegen Impfschäden, berichtete Hub. Fünf davon gingen 2023 beim LG Rottweil ein, drei wurden abgewiesen (wir berichteten über die Verfahren). „In allen drei Fällen wurde Berufung eingelegt“, berichtet Hub. Ein Fall wird im September verhandelt, ein weiterer ruht gerade – der Klägervertreter hat die Zivilkammer unter Hubs Vorsitz wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Grund laut Hub: Er habe bereits drei solcher Klagen abgelehnt. Und die Richter der Kammer weigerten sich, ihren Impfstatus anzugeben.
Einen ganz aktuellen Fall erwähnte Hub: Ein zu Hilfe gerufener Notarzt habe befunden, dass die Beschwerden der 60-jährigen Patientin keinen Notarzteinsatz bräuchten, sondern ein Bereitschaftsarzt zuständig sei. Bis dieser eintraf, seien bei der Frau irreparable gesundheitliche Schäden entstanden, so dass sie zum Pflegefall wurde. Hier liefen Verhandlungen, die wohl auf eine 80-prozentige Übernahme der Kosten durch die Versicherung des Rettungsdienstes hinauslaufen könnten.
Ganz aktuell: Ein Jugendlicher wurde am Dienstag dieser Woche wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen verurteilt. Er hatte im Oktober 2022 in Tuttlingen in einer Gruppe Jugendlicher einen anderen Jugendlichen mit einem „Highkick“ malträtiert, worauf dieser stürzte und sich lebensgefährlich verletzte. Das Opfer überlebte, trug aber dauerhafte Verletzungen davon.