Engpass beim Grippe-Impfstoff

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Die Leserin hat bei ihrem Arzt einen Termin zur Grippeschutzimpfung vereinbart. Doch die Apotheke ihres Vertrauens meldete: Kein Impfstoff mehr. Und der Arzt sagte den Termin ab, weil auch bei ihm kein Stoff mehr da war. Was ist los? In Arztpraxen und Apotheken in Rottweil geht der Grippe-Impfstoff aus. Das allerdings soll nur ein vorübergehender Engpass sein.

„In der Tat hören wir auch davon, dass die Grippeimpfstoffe in manchen Orten derzeit nicht verfügbar sind. Nach unserer Beobachtung ist das derzeit ein regionales Problem“, schreibt eine Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBaWü). Dort wurde beobachtet, dass sich in diesem Jahr mehr Menschen impfen lassen als im Vorjahr. Damit hatten die Mediziner schon im Vorfeld gerechnet: Im vorigen Jahr wurden insgesamt 16 Millionen Menschen geimpft, für dieses Jahr hatten die Ärzte insgesamt 17 Millionen Impfdosen bestellt, die auch ausgeliefert wurden. Weitere drei Millionen Impfdosen wurden von den Herstellern an Ärzte und Apotheker geliefert. Außerdem gebe es eine nationale Impfstoffreserve von sechs Millionen Dosen, die voraussichtlich Anfang bis Mitte November ausgeliefert werden. Insgesamt könnten bundesweit also 26 Millionen Menschen geimpft werden – zehn Millionen mehr als 2019.

Wie viel Impfstoff eine Arztpraxis bekommt, liegt laut KVBaWü an den Ärzten selber. „Es ist immer eine Abschätzung, die dieses Jahr besonders schwierig war.“ Die Praxen mussten bereits in der ersten Jahreshälfte bestellen, „in einer Zeit also, als noch nicht so richtig klar war, wie es mit der Corona-Pandemie weitergeht“.

26 Millionen Impfdosen bei 80 Millionen Einwohnern – das reicht schon rein rechnerisch nicht für eine Durchimpfung. Wer sollte sich nun vorrangig impfen lassen? Dazu gibt die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut Empfehlungen ab. In diesem Jahr wurden die dort vertretenen Fachleute bedrängt, die Indikation für eine Influenzaimpfung auf die gesamte Bevölkerung auszuweiten. Dafür aber gibt es nicht genügend Impfdosen in diesem Jahr.

Als vordringlich findet es die Kommission, dass Menschen aus Risikogruppen sich häufiger impfen lassen – bei den über 60-Jährigen beispielsweise ließen sich nur 35 Prozent pieksen, bei denen mit chronischen „Grundleiden“ 20 bis 50 Prozent. Oder, wie es in der Stellungnahme der STIKO vom August heißt: „Zusammengefasst ist zum Schutz der Menschen und zur Entlastung des Gesundheitssystems in der kommenden Influenzasaison 2020/21 mit den verfügbaren Impfstoffmengen der größte Effekt erzielbar, wenn die Influenzaimpfquoten entsprechend der STIKO-Empfehlungen vor allem in den Risikogruppen erheblich gesteigert werden.“

Wer bisher noch nicht geimpft wurde, muss jetzt nicht ängstlich werden: Laut KVBaWü ist Oktober/November zwar „eine gute Zeit“ zum Impfen. „Aber auch Dezember ist noch okay, die meisten Grippewellen kommen der Erfahrung nach erst im Januar/Februar.“

Übrigens: Die einen müssen den Impfstoff in der Apotheke holen, die anderen bekommen ihm direkt vom Arzt. Dies erklärt die KVBaWü so: „Das hängt davon ab, wer geimpft wird. Patientinnen, die nach Empfehlung der STIKO geimpft werden sollen, werden als sogenannte „Pflichtleistung“ geimpft. Diesen Impfstoff nimmt der Arzt aus seinem Praxisbestand, aus dem „Sprechstundenbedarf“. Patientinnen, für die keine STIKO-Impfung gilt, werden zwar auch in BW kostenlos geimpft, allerdings wird dies als „Satzungsleistung“ abgerechnet, und dafür muss die Ärztin ein Rezept auf den Namen des Patienten ausstellen. Und der Impfstoff muss aus der Apotheke geholt werden.“

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Wolf-Dieter Bojus
Wolf-Dieter Bojus
... war 2004 Mitbegründer der NRWZ und deren erster Redakteur. Mehr über ihn auf unserer Autoren-Seite.