Einen extremen Fall von Tierhortung haben die Behörden jetzt in Rottweil und in Zimmern-Stetten (Kreis Rottweil) aufgedeckt. Schafe, Ziegen, Hasen sowie alleine mehr als 100 Katzen sind dem jeweiligen Eigentümer weggenommen und in die Tierheime Rottweil, Oberndorf und Sulz gebracht worden. Das bestätigen Polizei und Veterinäramt der NRWZ. Die Tierheime quellen jetzt über, deren Betreiber suchen händeringend vor allem nach Katzenfreunden.
Allein das Rottweiler Tierheim hat nach eigenen Angaben jetzt 25 neue Katzen hinzu bekommen. Sie stammen aus Wohnungen im Kreis Rottweil, in der Rottweiler Königsstraße und in der Alemannenstraße im Zimmerner Teilort Stetten. So seien „zahlreiche Tiere – Schafe, Ziegen, Hasen sowie ‚zig Katzen – unter nicht artgerechten Umständen gehalten“ worden, berichtet etwa Polizeisprecher Michael Aschenbrenner vom Präsidium Tuttlingen auf Nachfrage der NRWZ. Offenbar hängen die beiden Fälle zusammen, handelt es sich um eine Familie.
Laut dem Präsidiumssprecher hat die Polizei dem Veterinäramt des Landratsamtes Rottweil Amtshilfe geleistet bei der Durchsetzung von Tierhalteverboten. Bei der Maßnahmen seien erhebliche tierschutzrechtliche Verstöße festgestellt worden.
„Man könnte es auch so ausdrücken: Die Zustände waren ekelhaft“, ergänzt der Polizist.
Dr. Jörg Hauser vom Veterinär- und Verbraucherschutzamt im Landratsamt Rottweil bestätigt das. Die gefunden Katzen seien überwiegend an die Tierheime Rottweil, Oberndorf und Sulz abgegeben worden. „Bitte teilen Sie Ihren Lesern mit, dass deshalb derzeit viele schöne Katzen über die hiesigen Tierschutzvereine vermittelt werden können“, ergänzt der Amtsleiter.
Laut Hauser beruhen die Kontrolle in Rottweil und Zimmern jeweils auf einem richterlichen Beschluss. „Die Tierhaltung war zum Teil, aber nicht deren Ausmaß dem Veterinäramt bekannt“, so der Chef der Behörde. Offenbar wurden die meisten der Tiere in den Wohnungen gehalten, denn die Situation sei „weitestgehend nicht einsehbar“ gewesen. Außerdem hätten Hinweise aus der Bevölkerung gefehlt.
Der Behörde sei es nicht ermöglicht worden, sich ein Bild vor Ort zu machen. Hauser: „Die Kontrollen (konnten) wegen permanenter Verschlossenheit und fehlender Kontaktaufnahme nicht durchgeführt werden.“
Nach den Maßnahmen, die nach Informationen der NRWZ Mittwoch und Donnerstag stattgefunden haben, ist Veterinäramtsleiter Hauser erleichtert. Und mehr: „Wir sind stolz, mit Hilfe der Tierschutzvereine so schnell alle Tiere untergebracht bekommen zu haben, das war nicht einfach. Hier musste im Hintergrund viel an Logistik, Kommunikation und Transport geleistet werden.“ Fast alle Mitarbeiter des Veterinäramts seien deshalb in die Aktion eingebunden gewesen.
Die Polizei sicherte die Maßnahme ab „und trug“, so Hauser weiter, „natürlich ebenfalls zum Gelingen bei.“
Die Mitarbeiter der Tierheime mussten schnell freie Räume schaffen, was offenbar ebenfalls geklappt hat. Die Ziegen wurden bereits über den Tierschutzverein Schramberg vermittelt.
Update – ergänzend schreibt ein Leser auf unserer Facebookseite: „(Der) Tierschutzverein Schramberg hat auch dabei geholfen und ca. 90 Tier (Schafe, Ziegen, Enten, Hühner, Wachteln, Hasen, Katzen) aufgenommen.“
Hintergund: „Animal Hoarding – Die Sucht, Tiere zu horten“
Animal Hoarding kann mit Tiersammel-Sucht oder Tierhorten übersetzt werden. Es beschreibt ein Krankheitsbild, bei dem Menschen Tiere in einer großen Anzahl halten, sie aber nicht mehr angemessen versorgen. Es fehlt an Futter, Wasser, Hygiene, Pflege und tierärztlicher Betreuung. Die Halter erkennen nicht, dass es den Tieren in ihrer Obhut schlecht geht.
Woran erkenne ich Tierhorter?
Es gibt Anzeichen, die dabei helfen, dieses Krankheitsbild zu erkennen. Wenn die folgenden drei Kriterien erfüllt sind, handelt sich um einen beginnenden Fall von Tiersammel-Sucht:
- es werden mehr Tiere gehalten, als in Deutschland im Durchschnitt üblich, also mehr als etwa drei Hunde, drei bis vier Katzen, circa fünf Nager usw.
- auf dem vorhandenen Gelände bzw. in den vorhandenen Räumlichkeiten leben zu viele Tiere (nach Einschätzung des Amtsveterinärs auf Grundlage von Minimalanforderungen, die wissenschaftlich ermittelt und publiziert wurden)
- der/die Halter/in zeigt trotz überdurchschnittlich hoher Tierzahl und zu geringem Raumangebot keine Einsicht, dass der Tierbestand reduziert werden muss
In Fällen von Animal Hoarding brauchen sowohl die Tiere als auch die Menschen dringend Hilfe. Doch hierzulande ist die Krankheit noch wenig bekannt.
Deshalb hat der Deutsche Tierschutzbund gemeinsam mit Amtstierärzten und Psychologen eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe gegründet, um diejenigen, die sich beruflich mit diesem Krankheitsbild auseinandersetzen müssen – wie Amtstierärzte, Tierheimmitarbeiter, Staatsanwälte, Mitarbeiter im sozialpsychologischen Dienst, – umfassend zu informieren.
Quelle: Tierschutzbund Deutschland