Edmund Heckler nur ein „Rädchen im Getriebe“?

Historikerinnen stellten Studie zur NS-Vergangenheit des HK Mitbegründers vor

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Nach Erkenntnissen von drei Historikerinnen war Edmund Heckler „nicht an Verbrechen in polnischen Werken beteiligt“. Er war aber in Taucha bei Leipzig „als Werkleiter verantwortlich für den Arbeitseinsatz von Fremd- und Zwangsarbeitern“. Am Dienstagnachmittag haben Dr. Stephanie van de Kerkhof, Dr. Andrea Schneider Braunberger und Dr. Rainer Karlsch die Ergebnisse einer dreijährigen Forschungsarbeit zu einem der Mitbegründer von Heckler und Koch in Oberndorf einem ausgewählten Kreis von Mitarbeitern und Pressevertretern vorgestellt. Die NRWZ war nicht eingeladen. Das Unternehmen hat uns aber die Präsentation der drei Historikerinnen zukommen lassen und einige Frage beantwortet.

Oberndorf. Das Autorenteam hat zunächst verdeutlicht, dass die Quellenlage schwierig war. So gebe es „Fehlbestände im Stadtarchiv Oberndorf aus der NS-Zeit“. Das Archiv des Rüstungskonzerns HASAG, bei dem Heckler als leitender Ingenieur und Werkleiter beschäftigt war, hatte dessen Generaldirektor Paul Budin im April 1945 gesprengt.

Spurensuche

Von Heckler selbst seien keine persönlichen Unterlagen („Ego-Dokumente“) vorhanden und auch im Archiv von Heckler und Koch gebe es nur wenige Überlieferungen. Dennoch führen die Historikerinnen eine lange Liste von Quellen an, in denen sie geforscht haben: Vom Bundesarchiv bis zur Württembergischen Landesbibliothek. Aber auch in Archiven in Washington, Madrid und in Frankreich haben sie geforscht.

Zunächst hat van de Kerkhof die beide Mitgründer Theodor Koch und Alexius Seidel und ihre Rolle in der NS-Zeit beleuchtet. Beide seien nicht in der NSDAP, aber in Untergliederungen wie der NS-Wohlfahrt oder dem NS Bund Deutscher Techniker gewesen. Koch habe die SS finanziell unterstützt.

Unauffällige Karriere bei HASAG

Ausführlicher ging Karlsch laut Präsentation auf Edmund Heckler ein: „Die unauffällige Karriere eines Ingenieurs beim Rüstungskonzern HASAG“, lautete sein Thema. Nach seiner Ausbildung und Tätigkeit für Mauser sei er 1934 als leitender Angestellter bei der HASAG eingestiegen und dort bis 1945 auch geblieben. Die HASAG hatte gegen Ende des zweiten Weltkriegs die Panzerfaust entwickelt und in großen Stückzahlen produziert.

Die Produktion der Panzerfaust fand auch im Zweigwerk Taucha statt, allerdings, so Karlsch, sei die Panzerfaust nicht von Heckler, sondern von Dr. Heinrich Langweiler entwickelt worden. Hecker sei „nicht an den Entwicklungsarbeiten für die Panzerfaust beteiligt“ gewesen, stellt das GUG-Team fest. Er gehörte nicht zur Abteilung von Langweiler. „In keinem einzigen Dokument zur Entwicklung dieser Waffe taucht sein Name auf.“

Zwei HASAG-Werke in Taucha – von einem Bahngleis getrennt

Auch habe es in Taucha zwei Werke gegeben. Während Heckler in Werk 1 als Werkleiter arbeitete, sei die Panzerfaust im Werk 2 hergestellt worden. Dieses Werk habe Friedrich Tanzen geleitet.

Die beiden Werke in Taucha. Aus der GUG-Präsentation

„Er (Tanzen) erhielt am 7. November 1944 Prokura. Wie schon im Stammwerk in Leipzig sollten vorwiegend weibliche Häftlinge für den Zusammenbau von Panzerfäusten eingesetzt werden. Tanzen trug damit auch die Verantwortung für den Arbeitseinsatz der Konzentrationslagerhäftlinge. Heckler blieb dagegen Betriebsleiter im Werk I“, heißt es dazu im GUG-Abschlussbericht.

Die beiden Werke, links arbeiteten auch KZ-Häftlinge unter Werkleiter Tanzen, rechts auch Zwangsarbeiter und Werkleiter Heckler. Dazwischen verläuft eine Bahnstrecke.

Die beiden Werke waren allerdings nur durch eine Bahnlinie getrennt. Heute befinden sich auf den Geländen ein Netto- und ein Kaufland-Markt.

Taucha mit dem Geländen der beiden HASAG Werke heute. Foto: Geoportal Sachsen

„Hölle von Kamienna“ ohne Edmund Heckler

Den Historikerinnen der GUG ist es wichtig, das mit der Panzerfaust und den beiden Werken zu betonen, denn die HASAG setzte für die Herstellung der Panzerfäuste KZ-Häftlinge ein. Und: Diese Panzerfäuste ließ die HASAG auch in polnischen Zweigwerken herstellen, die direkt an KZ angegliedert waren.

GUG-Fazit: „Edmund Heckler war in die Verbrechen der HASAG in der ‚Hölle von Kamienna‘ nicht verstrickt. Diesen Umstand hatte er der Tatsache zu verdanken, dass er bereits Mitte 1939 mit dem Aufbau eines neuen Zweigwerkes in Taucha beauftragt worden war. Ob Heckler etwas von den mörderischen Verhältnissen in den von der HASAG kontrollierten polnischen Werken erfuhr, ist nicht bekannt. In der Werkzeitung ‚Unsere HASAG‘ war nur von den neuen Sozialbauten für die deutsche Belegschaft in Kamienna zu lesen. Zu den dortigen Direktoren hatte Heckler dienstlich keinen Kontakt. Ob er auf privaten Wegen etwas mitbekam, wissen wir nicht.“

Dort in Kamienna waren 20.000 Häftlinge umgekommen. Der dortige Werkleiter Egon Dalski hatte laut Karlsch 1943 erklärt: „Kranke Juden sind wie Werkzeug zu behandeln, dessen Reparatur sich nicht mehr lohnt.“ Der Werkschutz und HASAG-Mitarbeiter hätten die Selektionen ausgeführt.

In Polen nur auf Inspektionsreise

Heckler habe wahrscheinlich dem „Technischen Kommando 23“ angehört, so die Historikerinnen: „Wir können dies mit einiger Berechtigung schlussfolgern, da er nach dem Krieg im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens angab, 1939 einmal für 14 Tage zum Zweck der ‚industriellen Information‘ in Polen gewesen zu sein.“

Seine Expertise als Waffen- und Munitionsfachmann sei gefragt gewesen. „Auch spricht der von ihm genannte Zeitraum von zwei Wochen für seine Teilnahme an den Inspektionsreisen zu den verschiedenen Standorten der polnischen Munitionsindustrie.“

Hecklers Name taucht nicht in Prozessakten auf

Nach dem Krieg fand in Leipzig ein Prozess gegen 48 HASAG-Leute statt, die in Kamienna-Tschenstochau Verbrechen begangen hatten. Acht wurden zum Tod verurteilt 37 erhielten Freiheitsstrafen. Karlsch weist in seiner Präsentation darauf hin, dass der Name Edmund Heckler „in rund 100 Nachkriegsprozessen“ nicht erwähnt worden sei.

Auch sei er nicht in das US-Programm aufgenommen worden, in dem etwa 1600 deutsche Wissenschaftler in die USA geholt wurden, um sich deren Wissen anzueignen. Heckler hatte gehofft, in dieses Programm aufgenommen zu werden. Stattdessen kehrte er nach Oberndorf zurück. Am 31. Mai 1948 gründete er dort ein Ingenieurbüro, kurz darauf mit Koch und Seidel Heckler und Koch.

Jürgen Grässlin: „Brownwashing“ beenden

Jürgen Grässlin vom Rüstungsinformationsbüro kritisiert die Studie als „Brownwashing“.  Heckler sei „ein wichtiges Zahnrad in der NS-Vernichtungsmaschine“ gewesen. Es habe sich zwar nicht bestätigt, dass Heckler für die Panzerfaustproduktion verantwortlich war und dass er KZ-Häftlinge eingesetzt hat.

Dennoch sei er als Werkleiter mit Prokura „in führender Position bei einer der bedeutendsten NS-Waffenschmieden tätig (gewesen), die massiv in die systematische Vernichtung von Millionen Menschen durch das NS-Regime involviert war“.

Er habe gegenüber den US-Behörden nach dem Krieg verschwiegen, dass in seinem Werk Taucha 1 Zwangsarbeiter beschäftigt waren. Grässlin, seit Jahrzehnten einer der bekannten Kritiker des Oberndorfer Rüstungsunternehmens,  ist überzeugt: „Die Gräueltaten an Hunderten von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter bei der HASAG können dem NS-Schergen und späteren NSDAP-Mitglied Edmund Heckler nicht entgangen sein.“

„GUG verharmlost Hecklers Rolle“

Grässlin wirft den GUG-Historikerinnen vor, sie verharmlosten Hecklers Rolle „als Rädchen in einem brutalen Getriebe“. Denn: „Ohne Opportunisten und Karrieristen wie Heckler wäre der Tod von Millionen Menschen durch das verbrecherische Regime des NS und die damit verbundene industrielle Vernichtung auch von jüdischem Leben in Deutschland nicht möglich gewesen.“

Grässlin fordert vom heutigen Vorstand von Heckler und Koch, man müsse Hecklers Mitschuld beim Massenmorden der Nationalsozialisten unumwunden zugeben, Und: „Wollen der heutige H&K-Vorstand und -Aufsichtsrat in ihrem demokratischen Ansinnen ernst genommen werden, darf der Nazischerge Edmund Heckler nicht länger Namenspatron der Heckler & Koch-Gesellschaften sein.“

 

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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