Im September haben drei Historikerinnen und Historiker eine Studie zur NS-Vergangenheit der drei Gründer der Oberndorfer Waffenfabrik Heckler und Koch vorgestellt. Diese Studie hatte das Unternehmen in Auftrag gegeben. Die Kommission war zum Ergebnis gekommen, dass Edmund Heckler „nicht an Verbrechen“ beteiligt gewesen sei. Nun hat der Leipziger Historiker Martin Clemens Winter in einem Interview mit der Leipziger Zeitschrift „Kreuzer“ die Bewertung der Kommission von Heckler als „Rädchen im Getriebe“ kritisiert.
Leipzig/ Oberndorf. Als die Historikergruppe der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte GUG im September die Ergebnisse ihrer Studie in Oberndorf vorstellten, war die Geschäftsführung von HK froh, dass man nun „volle Transparenz und unabhängig erarbeitete Forschungsergebnisse“ habe. Es sei erwiesen, dass “Heckler weder in Polen noch im Panzerfaustwerk der HASAG tätig war”.
Der Leipziger Historiker Winter beschäftigt sich seit Jahren mit der Rüstungsfirma HASAG. Edmund Heckler leitete das Werk 1 der HASG-Zweigwerke in Taucha. Im Interview mit dem „Kreuzer“ sagt der Historiker, der an der Uni Leipzig forscht, er halte den Begriff „Mitläufer“ für problematisch.
In der GUG-Studie werde er historisch richtig als Mitläufer bezeichnet, da er diese Einstufung vom Entnazifizierungsausschuss erhalten habe. „Problematisch ist aber, dass die Presseberichterstattung den Begriff – auch durch die Unternehmenskommunikation geprägt – als Ergebnisse der Studie wiedergibt.“
„Auch zivile Zwangsarbeit war ein Verbrechen“
Auf der Homepage von Heckler und Koch könne man lesen, dass es eine große Erleichterung über die Ergebnisse dieser Studie gebe, weil Heckler in Taucha „nur“ in einem Werk gearbeitet habe, in dem es keine KZ-Häftlinge gab, sondern zivile Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter. „Doch auch zivile Zwangsarbeit war ein NS-Verbrechen“, hält Winter im Interview mit dem Leipziger Stadtmagazin fest. Die Studie selbst hält er für wissenschaftlich korrekt.
Allerdings gehe es um die Interpretationen. Die GUG-Wissenschaftler hatten darauf hingewiesen, dass es sehr viele Lücken gibt, weil es von Heckler keine persönlichen Aufzeichnungen, auch keine Prozessakten und nur wenig andere Quellen gebe.
Es sei dann eben die Frage, wie man mit fehlenden Quellen umgeht: „Also, sagt man: ‚Es gibt keine Quellen, also gab es auch keine Verbrechen‘ oder sagt man: ‚Es gibt keine Quellen, aber es gibt einen Gesamtzusammenhang, den man trotzdem problematisieren kann.‘“
NS-Karriere auch für „Mitläufer“
Für Winter ist klar, dass es nicht um eine juristische, sondern um eine moralische Bewertung gehe. Er halte die Begrifflichkeiten vom „Rädchen im Getriebe“ oder „Mitläufer“ für „fatal, weil uns das um Jahrzehnte zurückwirft. Das sind Täterbilder aus den fünfziger, sechziger Jahren, teilweise auch aus der unmittelbaren Nachkriegszeit.“
Das Beispiel Heckler zeige, dass man kein überzeugter Nazi sein musste, „um in der Rüstungsproduktion unter Ausnutzung von Zwangsarbeit Karriere zu machen“. Das sei eigentlich ein viel interessanterer Schluss „als solche altbackenen Kategorien wie ‚Mitläufer‘ oder ‚Rädchen im Getriebe‘ zu kolportieren.“
Nicht Abschluss sondern Auftakt
Winter kritisiert abschließend, er habe den Eindruck, das Unternehmen Heckler und Koch betrachte die Studie als Schlusspunkt, in dem Sinne, mit der Studie und einer Presseerklärung sei die “Sache auch mal durch“. Winter dagegen sieht in der Studie vielmehr den „Auftakt für eine kritische Auseinandersetzung“.