Sie sind die Ersthelfer aus der dörflichen Nachbarschaft. Sie sind am Einsatzort, um Verunglückten oder Verletzten zu helfen, während Rettungswagen und möglicherweise auch Notarzt noch auf Anfahrt sind. Und nun könnten sie für ihre aufreibende ehrenamtliche Tätigkeit Geld bekommen: Die Gemeinde Dunningen plant, die sogenannten Helfer-vor-Ort des Ortsvereins für ihre vielen Einsätze zu entschädigen. Nicht direkt, allerdings, das Geld soll der Ortsverein bekommen.
Dunningen – Peter Schumacher ist einer von ihnen. Der Bürgermeister von Dunningen ist einer von neun Ersthelfern in der Gemeinde. Diese werden Helfer-vor-Ort oder auch First Responder genannt. „Ihre Aufgabe ist es, im Ernstfall die therapiefreie Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes oder Rettungsdienstes zu überbrücken. Damit übernehmen die Helfer-vor-Ort, die ausschließlich ehrenamtlich arbeiten, eine wichtige Funktion in der Rettungskette“, erklärt der DRK Landesverband Baden-Württemberg. Sie sind in Einsatzszenarien in und um ihre Gemeinde oft als erste Retter am Einsatzort. Sie springen in ihren Privat-Pkw und düsen direkt zur Einsatzstelle, ohne Umweg über ein Gerätehaus oder eine Wache.
Ersthelfer Schumacher sieht sich als befangen
Um das vorauszuschicken: Nicht, weil Bürgermeister Schumacher selbst einer dieser rettungsdienstlich ausgebildeten Ersthelfer ist, gerät das Thema jetzt auf den Gemeinderatstisch in Dunningen. Eher im Gegenteil. „Bei der anstehenden Beratung im Gemeinderat erkläre ich mich als befangen“, sagt Schumacher auf Nachfrage der NRWZ. Den Vorsitz bei diesem Tagesordnungspunkt in der anstehenden Sitzung werde seine Stellvertreterin Inge Erath führen. „Ich persönlich habe dieses Thema bislang aufgrund meiner Befangenheit nie forciert“, sagt Schumacher weiter. „Der Impuls kam aus der Mitte des Gemeinderats.“
Die Helfer-vor-Ort decken das gesamte notfallmedizinische Spektrum ab, angefangen bei Herzkreislauferkrankungen über chirurgische Notfälle bis zu Verkehrsunfällen, erklärt das Dunninger Gemeindeoberhaupt aus eigener Erfahrung. „Eine Aufzählung ist schwierig bis unmöglich“, sagt Schumacher auf Nachfrage. „In Erscheinung treten die Helfer-vor-Ort überwiegend bei gemeinsamen Einsätzen mit der Feuerwehr. Der weitaus größere Teil bleibt aus Gründen der Schweigepflicht und des Datenschutzes für die Bevölkerung jedoch unbemerkt.“ Nähere Angaben macht er aus den genannten Gründen dazu nicht.
240 Einsätze als Helfer-vor-Ort im Jahr 2023 – oft unbezahlt
Die Notwendigkeit dieser Ersthelfer in einer Gemeinde, die zwischen zwei rund 13 Minuten entfernten Rettungswachen in Rottweil und Schramberg liegt, zeigen die Zahlen: In der 6300-Seelen-Gemeinde Dunningen wurden die Helfer-vor-Ort von der Leitstelle im Jahr 2023 zu insgesamt 240 Einsätzen gerufen. Im laufenden Jahr waren es Stand 1. Juli bereits 124 Einsätze. Immerhin gehen die Einsätze schnell vorüber, weil die Ersthelfer medizinisch oft „nur“ die Zeit bis zum Eintreffen der hauptamtlichen Retter überbrücken müssen (und dabei auch um das Überleben eines Patienten kämpfen).
Das alles geschieht in Dunningen überwiegend ehrenamtlich: Bislang erhalte der DRK-Ortsverein lediglich bei gemeinsamen Einsätzen mit der Feuerwehr eine Entschädigung auf Grundlage des Feuerwehrgesetzes entsprechend der Feuerwehrentschädigungssatzung der Gemeinde, berichtet Bürgermeister Schumacher. „Dies bildet aber den geringsten Teil der Helfer-vor-Ort-Einsätze ab“, sagt er. „Für den größten Teil der Einsätze erhält der DRK-Ortsverein bislang keine Entschädigung.“
Ortsverein soll das Geld erhalten
Das soll sich jetzt ändern. Nach einer Initiative eines Gemeinderats schlägt die Gemeinde vor, künftig dem DRK-Ortsverein Dunningen eine finanzielle Zuwendung zukommen zu lassen. Diese Zahlung solle sich an der Höhe der Entschädigung der ehrenamtlich tätigen Angehörigen der Gemeindefeuerwehr orientieren – wo der Durchschnittssatz sich nach Darstellung der Gemeinde auf 15 Euro pro Stunde beläuft.
„Ob diese Zuwendung dann an die Helferinnen und Helfer ausbezahlt wird oder beim Verein verbleibt, soll in das Ermessen des DRK-Ortsvereins gelegt werden“, erklärt die Gemeinde in ihrer Vorlage für die anstehende Gemeinderatssitzung. Der Verein solle jedenfalls darauf hingewiesen werden, dass die steuerrechtliche Beurteilung im Falle einer Auszahlung an die Helferinnen und Helfer Sache der Empfängerin beziehungsweise des Empfängers sei. Die Gemeinde könne dazu keine Auskunft erteilen.
Die Gemeinde rechnet dabei mit einer üblichen zeitlichen Inanspruchnahme der Helfer-vor-Ort von weniger als einer Stunde bei durchschnittlich zwei bis drei Einsatzkräften pro Einsatz.
Lob für Arbeitgeber – und für die Retter
Übrigens: Die Helfer-vor-Ort rücken mit derselben Eile aus wie die Leute von der Feuerwehr. Das bedeutet: Alle diese Retter flitzen im Einsatzfall weg von ihrem Arbeitsplatz, die Menschenrettung im Sinn. Da müssen die Arbeitgeber mitmachen. Bürgermeister Schumacher weiß dies zu schätzen: „Ein funktionierendes Helfer-vor-Ort-System ist ganz generell darauf angewiesen, dass die Arbeitgeber die Helferinnen und Helfer freiwillig freistellen“, sagt er. Anders als bei der Feuerwehr gebe es jedoch keine gesetzliche Verpflichtung für die Arbeitgeber. „Insofern begrüße ich es ausdrücklich, wenn Arbeitgeber dieses System unterstützen, und bin hierfür sehr dankbar“, erklärt Schumacher. Denn: „Feuerwehr und DRK üben ihren Dienst nicht des eigenen Vorteils wegen aus, sondern sind für andere da, wenn diese in größter Not sind.“
Zum Hintergrund: Die ehrenamtlichen Lebensretter legen laut DRK-Landesverband einen Erste-Hilfe-Kurs mit acht Doppelstunden sowie eine Sanitätsausbildung mit 64 Stunden ab. Außerdem erhalten sie eine Schulung in der Herz-Lungen-Wiederbelebung und eine Einweisung in die Frühdefibrillation. „Während ihrer Ausbildung sammeln die Helfer-vor-Ort praktische Erfahrungen im Rettungswagen, auch danach bilden sie sich stets fort“, so das Landes-DRK. Die Helfer-vor-Ort sind Mitglieder der Bereitschaften und werden von diesen gestellt. Material sowie Fahrzeuge werden durch den jeweiligen Ortsverein getragen. Insofern hatten die Retter wenigstens keine Ausbildungskosten. Schumacher: „Private Ausgaben hatten die Helfer bislang nicht zu verzeichnen. Kosten für Ausbildung und Ausrüstung trägt das DRK.“