Klare Worte an ihre Bürger: Eine kämpferische Zimmerner Bürgermeisterin Carmen Merz hat in einer überaus gut besuchten Gemeinderatssitzung am Dienstagabend dafür geworben, die Emotionen aus dem Thema INKOM-Zweckverband mit Rottweil heraus zu nehmen. Es gehe nicht um eine Eingemeindung. Der künftigen Satzung stimmte der Gemeinderat mehrheitlich zu. Sie wird in zwei Schritten umgesetzt. Merz nannte sie einen Kompromiss mit Rottweil. Einer – ohnehin bisher nicht vereinbarten – Erhöhung der Gewerbesteuer erteilte der Rat einstimmig eine Absage. Am Mittwoch entscheidet Rottweil.
Merz zeigte sich eingangs bestürzt darüber, welche Folgen ein Pressebericht der vergangenen Woche gehabt habe. Und sie stellte klar: „Kein Beschluss ohne die Gemeinde“, also Zimmern. Da vor allem diese nie einer Gewerbesteuererhöhung, wie Rottweil sie gewünscht hat, zugestimmt habe, habe es auch keinen Grund für die Unruhe gegeben. Diesen Punkt klammerte Merz zudem aus, ließ ihn extra beraten. Ein „Nein sagen“ müsse man sich leisten können, sagte sie. Angesichts der kommunalen Aufgaben täten die möglichen Mehreinnahmen Zimmern gut.
Irgend etwas ist in Zimmern mächtig schief gelaufen. Die Bürger fühlen sich überrumpelt. Den Sitzungssaal bevölkern an diesem Dienstag Abend rund hundert Zuschauer, die informiert sein wollen zu einem an sich trockenen Thema: Der Änderung einer Verbandssatzung. Aber es geht um so viel mehr: Es geht um die vermeintliche Einflussnahme des Nachbarn Rottweil. Um eine angeblich drohende Eingemeindung.
Die Diskussion
Und offenbar auch darum, dass einzelne Zimmerner Gemeinderäte die Emotionen noch angeheizt hätten. Das jedenfalls glaubt der Flözlinger Vertreter Thomas Michael Bausch. Er richtete einen Gruß an Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß, offenbar um Ausgleich bemüht. Und er warb für die Zustimmung für die Satzungsänderung.
Dagegen erklärte Winfried Praglowski, Rottweil sei mit Maximalforderungen angetreten. Und verkaufe den Teilverzicht darauf nun als großzügiges Entgegenkommen. Und sie mache Zimmern bei der Gewerbeansiedlung abhängig. Rottweil habe eigene Alternativflächen, Zimmern nicht. Rottweil könne ein Unternehmen auch auf exklusiv eigener Gemarkung ansiedeln. Er bat darum, der Satzungsänderung nicht zuzustimmen.
Bausch erhielt Applaus von Gemeinderatskollegen, Praglowski aus dem Zuschauerrund.
Guntram Ober gab zudem zu bedenken, dass, wenn die INKOM-Erweiterung nun nicht käme, die Gemeinde andere Flächen anbieten würde. Das würde dann zu einem Aufschrei führen, wenn es etwa um die Flächen zwischen Zimmern und Rottweil gehe.Voraussetzung für die Erweiterung ist die Einigung mit Rottweil über die neue Satzung. Er erinnerte daran, dass es eine neue Halle und eine neue Kindertagesstätte nicht aus der Portokasse gebe.
Ingrid Balke erinnerte daran, dass Zimmern 19 Jahre lang Gewerbeflächen eingebracht habe. Nun gehe es darum, dass auch Rottweil Flächen stellen solle. Und plötzlich wüchsen dort die Ansprüche. „Irgendein Hintergedanke ist da dabei.“ Eingemeindung? Das alte, uralte Schreckgespenst. Die Gemeinderätin ließ das offen. Kollege Ober antwortete: „Auch wir denken uns doch etwas bei Verhandlungen.“ Das sei ja wohl selbstverständlich. Und die Flächen seien keine Zimmerner, Gemeindeeigenen Flächen. Sondern die von Privatleuten.
Bürgermeisterin Merz erinnerte daran, dass die Gemeinde alleine, ohne den größeren Partner Rottweil, nichts mit den freien Flächen auf ihrer Gemarkung hätte anfangen können. „INKOM hätte es ohne Rottweil nicht gegeben“, sagte sie.
Prof. Wolfgang Schmutz sagte, er „schäme sich“ dafür, dass einzelne Gemeinderäte Details in die Öffentlichkeit getragen hätten. Das sei „nicht gut“ gewesen, es ärgere ihn. Und er warb für eine Zustimmung. „Ohne Flächen von Rottweil kommen wir nicht weiter. Dann ist der Stillstand vorprogrammiert. Dann ist Ende.“ Rottweil habe schlicht eine Angleichung „gewünscht.“ Zimmern habe zugesagt, eine Angleichung „wohlwollend prüfen“ zu wollen. Die Unternehmer im INKOM brauchten Planbarkeit und Nachhaltigkeit, und dass sich eine Gemeinde an ihre Zusagen halte. Es sei zudem falsch, „Schaffenkraft“ einzubremsen. Und sich mit Rottweil zu einigen, um den Fortschritt zu sichern. Alles andere sei eine Kapitulation.
Der Sitzungsverlauf
Rückblende, Sitzungsbeginn. Zimmerns Bürgermeisterin Carmen Merz ging ihre Aufgabe souverän an. Sichtlich aufgeregt, angespannt, aber souverän. Und Zimmerns Gemeinderäte: cool. Immerhin haben sie ja den Deal mit Rottweil in einer nicht-öffentlichen Klausurtagung ausgehandelt, der jetzt so sehr in der Kritik steht. Die Bürgervertreter sind vollzählig erschienen, wie Merz bemerkt. „Der Wichtigkeit der Tagesordnung angemessen“, wie sie ergänzt. Der Rat arbeitet Bauanträge ab.
Dann geht es los. Die Bürgermeisterin erklärt, dass es schon lange um eine Erweiterung des gemeinsam mit Rottweil betriebenen Industrie- und Gewerbegebiets INKOM geht, dass das schon vor ihrem Amtsantritt Thema gewesen sei, dass ihr Vorgänger, Emil Maser sie eigens deshalb mal zu einer Gemeinderatssitzung eingeladen habe. Noch vor ihrem Amtsantritt.
Und sie macht klar: Die Bestimmungen des Regierungspräsisiums gefallen ihr nicht. Es legt fest, dass Gewerbe dort angesiedelt werden soll, wo sich Infrastruktur befindet. Wo die Schulen und Kindergärten sind. Merz umschreibt da den Grundkonflikt: die Abhängigkeit von Rottweil, wenn das INKOM wachsen soll. Neuansiedlung geht nur mit dem großen Nachbarn. Nicht gegen ihn.
Und dieser große Nachbar stellt durchaus Ansprüche. Mehr Gewerbesteuer, mehr Anteil daran. Und er bietet mehr Kostenübernahme. Die NRWZ hat davon berichtet. Gemeinsam mit Rottweil habe man bei der Klausurtagung nun eine gemeinsame Lösung gesucht. Das sei keine One-Man-Show des Oberbürgermeisters und keine One-Woman-Show der Bürgermeisterin gewesen, so Merz.
„Nach zwei Tagen sind wir mehrheitlich, nicht einstimmig, aber mehrheitlich mit einem Kompromiss auseinander gegangen“, so Merz. Nur mit dem vorgelegten Paket sei eine Erweiterung des Gewerbe- und Industriegebiets möglich, erklärte die Bürgermeisterin weiter. Man habe dann versucht, die Presse einzubinden. „Und die erste Berichterstattung führte zu den ersten Irritationen“, so Merz weiter. Heute wollten sie eigentlich in die Öffentlichkeit gehen. Dazwischen ist einiges passiert.
Der in der Klausurtagung erreichte Kompromiss biete immerhin auch die Chance, so Merz weiter, einen 25-prozentigen Wirtschaftsförderer für Zimmern selbst zu gewinnen. „Hier können Synergieeffekte genutzt werden“, verspricht Merz.
Aus einem Artikel, der vergangene Woche im „Schwarzwälder Boten“ veröffentlicht worden ist, sei hervor gegangen, dass alles schon besprochen sei. Sie sei bestürzt darüber, so Merz, dass zwischenzeitlich aus nicht-öffentlicher Sitzung geplaudert wurde und starke Geschütze aufgefahren worden seien.
„Nicht mehr Fakten, sondern Emotionen zählen. Von Über-den-Tisch-ziehen ist die Rede, sogar von Eingemeindung. Bisher hat die Eingemeindung nicht stattgefunden, ich gehe davon aus, dass diese auch weiterhin nicht stattfinden wird.“ Sagt Bürgermeisterin Merz. Klare Worte.
Dann der „Gegenwind aus Gosheim„, die Ankündigung der Firma Hermle, weitere Investitionen in Zimmern infrage zu stellen. Die Investoren könnten auch rechnen, sagt Merz, sie verstehen, wenn wir ihnen erklären, warum uns eine INKOM-Erweiterung gut tut.
„Eine Erhöhung der Gewerbesteuer ist niemals von unserem Gremium zugesagt worden“, so Merz. Darauf hatte die NRWZ eineinhalb Stunden vor der Sitzung hingewiesen.
Andererseits gebe es einige Punkte in der bisherigen Verbandssatzung, die zu überarbeiten seien. Und eine überarbeitete Satzung könne zu mehr Gleichgewicht unter den beiden Kommunen führen. Merz verweist auch darauf, dass die Kosten künftig zu 60 Prozent von Rottweil getragen werden sollen – bisher teilt man sich diese. Daraus resultiere auch, dass Rottweil 60 Prozent der Gewerbesteuer erhalte. Und Zimmern andererseits die gesamte Grundsteuer.
Merz: „Darauf haben wir uns in den Verhandlungen geeinigt.“ Sie erinnert daran, dass zudem 60.000 Euro vom Zweckverband als Mittel für die neue Zimmerner Ortsmittel ausgehandelt worden seien.
Kämmerer Martin Weiss zeigte die rechnerischen Effekte für Zimmern. Es sei schwierig, in die Zukunft zu schauen, aber man habe fiktive Berechnungen angestellt. Rund die Hälfte der Gewerbesteuer der Gemeinde, zuletzt vier Millionen Euro, komme bereits aus dem INKOM. Die Veränderung: quasi gleich Null für Zimmern. Durch den Finanzausgleich, der einer Gemeinde, die mehr Gewerbesteuer einnimmt, auch mehr wieder abnimmt, bleiben die Einnahmen auch mit einem neuen Verteilschlüssel nahezu gleich.
Aber: Weiss prognostizierte auch, dass eine Erweiterung des INKOM eine Steigerung von 15 Prozent an Gewerbesteuer plus der höheren, weil kompletten Grundsteuer bedeutete. In einer Zahl: rund 160.000 Euro im Jahr, wenn der neue Verteilschlüssel schon 2016 eingeführt worden wäre.
Das solle den Gemeinderäten als Entscheidungsgrundlage dienen, so Weiss. „Wir reden von keiner Million. Aber wir leben von den Einnahmen und hoffen, dass es weiter nach oben geht“, so Weiss.
Er erinnerte zudem daran, dass ein so großes Gewerbegebiet, 60 Hektar, mit den daraus resultierenden Einnahmen nur gemeinsam mit Rottweil hatte entstehen können. Alleine, aber auch im Verbund etwa mit Dunningen, hätte es das INKOM nicht gegeben.