Maskenpflicht im Kreis Rottweil: „Die bestehenden Regelungen haben nicht ausgereicht“

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Das Landratsamt Rottweil (LRA) hat am Freitag, wie berichtet, eine Allgemeinverfügung zur Maskenpflicht bei Ansammlungen erlassen. Laut Begründung vor allem wegen der „Spaziergänger“. Wir haben zu verschiedenen Aspekten der Verfügung nachgefragt.

NRWZ: Das LRA hat mit einer Allgemeinverfügung (AV) die Maskenpflicht im Freien angeordnet, wenn mehr als zehn Personen zusammen sind. Eine Maskenpflicht besteht aber schon per Verordnung des Landes. Was ist bei der AV anders

Landratsamt: Nach § 3 CoronaVO (Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg, Anm. der Red.) gilt eine Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske im Freien nur dann, wenn der Abstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann. Vorliegend treten jedoch immer häufiger Ansammlungen auf, die sich gezielt gegen die bestehenden Coronamaßnahmen richten. Dabei werden die Abstandspflicht sowie das Tragen einer Maske teils bewusst unterlassen. Angesichts der zunehmenden Verschärfung des Infektionsgeschehens und der Verbreitung der Omikronvariante im Landkreis Rottweil geht aus der Gefahrenabschätzung des Gesundheitsamtes Rottweil hervor, dass eine weitergehende Maskenpflicht geboten ist. Die Erfahrung zeigt, dass schon bei mehr als zehn Personen nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass diese das Abstandsgebot einhalten, vor allem dann nicht, wenn aktiv gegen die bestehenden Maßnahmen protestiert wird und damit die Einhaltung der Regelungen als nicht elementar erscheint. Die bestehenden Regelungen haben nicht ausgereicht, um der Infektionsgefahr entgegenzuwirken.

Wie soll die AV bei den sogenannten Spaziergängen durchgesetzt werden, wenn schon die geltende Verordnung nicht durchgesetzt werden kann

Bei den sog. Spaziergängen, an denen mehr als zehn Personen beteiligt sind, gilt laut AV eine generelle Maskenpflicht, unabhängig vom Mindestabstand. Intention und ausschlaggebend für die Allgemeinverfügung ist das aktuelle Infektionsgeschehen im Landkreis Rottweil. Insbesondere die im Landkreis Rottweil stattfindenden sog. Spaziergänge haben aufgezeigt, dass die einfachen Hygieneregeln „Masken tragen“ und „Abstände einhalten“ bewusst nicht eingehalten werden. Die sich hieraus ergebende Infektionsgefahr soll durch die Maskenpflicht verhindert werden. Aus der Erfahrung der letzten Wochen hat sich gezeigt, dass die Durchsetzung der Maskenpflicht des § 3 CoronaVO nicht zu verfolgen war, da die sog. Spaziergänger hier entweder kurzfristig bei der Annäherung eines Polizisten die Abstände eingehalten haben oder sich darauf berufen haben, dass die umliegenden Personen demselben Haushalt angehören, sodass eine Durchsetzung/Verfolgung in der Praxis nicht umzusetzen war.
An der Durchsetzung der Maskenpflicht sind unterschiedliche Behörden beteiligt. Die Polizei wird im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Kräfte die Maskenpflicht durchsetzen. Dabei gilt es aber auch die Sondersituation zu beachten, dass die sog. Spaziergänge im ganzen Land Baden-Württemberg nahezu zeitgleich stattfinden und so Ressourcen binden.

Wie ist eine „Ansammlung“ überhaupt definiert?

Ansammlungen sind Zusammenkünfte von Menschen aus einem äußeren Anlass heraus, ohne einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. Ansammlungen setzen keinen Veranstalter voraus.

Ist es denn schon eine Ansammlung, wenn beispielsweise elf Menschen an einem Marktstand anstehen und dabei den vorgeschriebenen Abstand einhalten?

Ansammlungen sind Zusammenkünfte von Menschen aus einem äußeren Anlass heraus, ohne einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. In diesem Fall liegt der äußere Anlass in dem Marktstand begründet, sodass auch hier die Maskenpflicht gilt. Das Anstehen an Marktständen ist auch durch ein dynamisches Geschehen geprägt. Durch das ständige Hinzukommen oder Vorbeilaufen von Marktbesuchern kann auch bei bewusstem Einhalten des Mindestabstands nach vorne, dieser nicht zu allen Seiten dauerhaft gewährleistet werden. Im Übrigen ist auf vielen, insbesondere kundenintensiven Märkten die Maskenpflicht bereits durch die Kommune angeordnet (z.B. Wochenmarkt Rottweil).

Besteht nicht die Gefahr, dass die Allgemeinverfügung auf wirklich zufällige Begegnungen angewandt wird, während die eigentlichen Adressaten, die Teilnehmer an „Spaziergängen“, nicht behelligt werden?

Die verfügte Maskenpflicht gilt generell für Ansammlungen von mehr als zehn Personen. Der Zweck der Allgemeinverfügung ist die Eindämmung des Infektionsgeschehens und Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems. Gemessen an diesem Rahmen und auch der Tatsache, wie viele Einsatzkräfte vor Ort sind, sowie des stets zu beachtenden Eigenschutzes der Einsatzkräfte ist sie auf die Ansammlungen jedweder Art anzuwenden.

Ein Bürger hat mitgeteilt, dass er Widerspruch gegen die AV eingelegt hat. Ist ein solcher eingegangen? Von einem oder von mehreren Menschen?

Es ist richtig, dass ein Widerspruch eines einzelnen Bürgers per E-Mail eingegangen ist. Erforderlich ist ein schriftlicher Widerspruch nach § 70 VwGO. Hierfür reicht die Erhebung per E-Mail nicht. Der schriftliche Eingang wurde angekündigt, steht im Moment aber noch aus.

Wer entscheidet über den Widerspruch? Und wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?

Nach schriftlichem Eingang des Widerspruchs wird zunächst im Rahmen einer Abhilfeprüfung geprüft, ob dem Widerspruch abgeholfen werden kann. Kann dem Widerspruch jedoch nicht abgeholfen werden, wird dieser an die zuständige Widerspruchsbehörde zur Entscheidung weitergeleitet. Zuständige Widerspruchsbehörde ist das Regierungspräsidium Freiburg, weshalb seitens des Landratsamtes keine Einschätzung abgegeben werden kann, wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist.

 

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Wolf-Dieter Bojus
Wolf-Dieter Bojus
... war 2004 Mitbegründer der NRWZ und deren erster Redakteur. Mehr über ihn auf unserer Autoren-Seite.

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