Der Vorzeige-Landwirt mit dem Schweinestall des Grauens

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Er ist ein Aushängeschild der konventionellen Landwirtschaft. Ein Freund der Politik mit mächtigen Unterstützern. Sein Betrieb gilt als modellhaft und beim Kampf um den Erhalt althergebrachter landwirtschaftlicher Strukturen war er immer vorne dabei. Jetzt hat die Fassade Risse bekommen. Mehr noch: Sie ist zusammengebrochen. Denn Manfred Haas, Obmann des Rottweiler Kreisbauernverbands, hat einen Schweinestall des Grauens geführt.

Hinweis: In diesem Beitrag sind Bilder aus diesem Stall zu sehen, die laut einer Tierschutzorganisation authentisch sind. Die Bilder, wir haben die harmloseren verwendet, sind schwer erträglich.

„Landwirtschaft und Artenschutz sind vereinbar“, verkündete das Regierungspräsidium Freiburg noch im vergangenen Juli. Regierungspräsidentin Schäfer habe neue Modellbetriebe in Königsfeld und Zimmern besucht und herausgefunden, dass diese „vorbildlich“ zeigten, „wie sich moderne Landwirtschaft mit dem Artenschutz vereinbaren lässt und dies nicht zu wirtschaftlichen Nachteilen führt.“ Der Betrieb in Zimmern ist der von Manfred Haas. Schäfer schaut ihn sich mit Landrat Wolf-Rüdiger Michel an und findet Blühstreifen entlang von Mais- und Getreidefeldern sowie Feldlerchenfenster. Die Regierungspräsidentin vergisst nicht, zu erwähnen, für wie wichtig sie die Versorgung der Bevölkerung mit regional produzierten Lebensmitteln hält.

Werbung pur für Haas.

Ein halbes Jahr zuvor: Die Bundesregierung hat Mitte September 2019 ihr Agrarpaket beschlossen. Mehr Tierschutz, mehr Insekten, mehr Bioproduktion sollen damit erreicht werden. Doch die Landwirte gehen dagegen auf die Barrikaden. Ganz vorne auf der Barrikade: Manfred Haas. Das Agrarpaket „ist ein weiterer Sargnagel für die kleineren Höfe in Süddeutschland“, sagt er. Die Landwirte arbeiteten mit der Natur, nicht gegen sie. Sein Urgroßvater habe Bäume gepflanzt, die er jetzt nutze, und er pflanze Bäume für seine Urenkel. 

Er wirbt für eine bessere Bezahlung seiner Produkte: „Regionale hochwertige Lebensmittel bedeuten Artenschutz und fruchtbare Böden statt Beton.“

Nun steht Manfred Haas im Dreck und im Blut. Er hatte vor ein paar Wochen Besuch von Tierschützern. Heimlichen Besuch. Sie hatten einen Wink aus der Nachbarschaft des Bauernhofs bekommen, dass dort schlimme Zustände herrschten, man die Schweine schreien hören könne. Die Tierschützer, sie treten bundesweit als „SOKO Tierschutz“ auf, schauten nach. Sie fanden nach eigenen Worten einen „Albtraumstall“. Zitat:

Hunderte, verletzte Tiere, viele mit schwersten Verstümmlungen, sowie zahllose, kranke Tiere – ausdrücklich nicht isoliert. Schwache Tiere werden von ihren gestressten Artgenossen bei lebendigem Leib aufgefressen, Kadaver zerfetzt und im Stall stapeln sich die toten Körper der Schweine. Im Bereich der Zuchtsauen lagen Tiere eingezwängt in engen Kastenständen in einer wässrigen Brühe aus Fäkalien. Im Stall befanden sich sterbende und stark abgemagerte Tiere, wie zum Beispiel Ferkel oder eine von Wunden übersäte Zuchtsau, und schwerstverletzte Jungschweine. Der Landwirt misshandelt auf versteckten Kameraaufnahmen Schweine. Er trägt sie an einem Fuß umher, schlägt sie und wirft die Tiere. Der Stall ist verdreckt, voller Fliegen und Kot.

SOKO Tierschutz

Hier ein Video der Tierschützer, gegenüber der NRWZ beschwören Sie die Authentizität. Sie stammten aus Zimmern, aus einem der Haas’schen Ställe. Die Bilder sind furchtbar.

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Stress im Massenstall – damit begründen die Tierschützer das Drama. Und: „Der Landwirt misshandelt auf versteckten Kameraaufnahmen Schweine. Er trägt sie an einem Fuß umher, schlägt sie und wirft die Tiere. Der Stall ist verdreckt, voller Fliegen und Kot“, berichtet die „SOKO Tierschutz“.

Es brauchte offenbar einen gewissen Anlauf und Durchhaltevermögen, dieses Drama zu beenden. So berichtet ein Zeuge, der unerkannt bleiben will, von seinen Mühen beim Rottweiler Veterinäramt. Mit Verweis auf das gute Netzwerk, über das der Vorzeigelandwirt verfüge, bei Landrat Michel beginnend, sei er bei seiner Anzeige beschwichtigt worden.

Deshalb wendet er sich an die „SOKO Tierschutz“. Die recherchieren vor Ort, wenden sich dann an die Medien, an das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“. Und nach deren Ausstrahlung der Bilder geht alles schnell. Bei einem Schweinehaltungsbetrieb im Landkreis seien im Rahmen einer Überprüfung Ende Juli erhebliche tierschutzrelevante Mängel offengelegt worden, teilte das Rottweiler Landratsamt nun vor wenigen Tagen, Anfang Oktober, mit. Anlass für die Überprüfung sei eine Tierschutzanzeige gewesen. Seitens des Veterinäramtes seien „umfassende Maßnahmen gegenüber dem Betrieb angeordnet“ worden, so die Behörde. Es habe sich dann keine ausreichende Verbesserung der Zustände ergeben, so dass „weitere entschlossene Schritte eingeleitet wurden.“

Das Landratsamt bestätigt die Anfrage von „Report Mainz“. In diesem Zusammenhang habe rasch eine Begehung durch das Veterinäramt beim Landratsamt Rottweil gemeinsam mit Vertretern des Regierungspräsidiums Freiburg, des Landwirtschaftsministeriums sowie der Polizei stattgefunden.

Laut der SOKO Tierschutz gab es dies in dem beanstandeten Schweinestall: eine Tonne mit Tierkadavern. Foto: SOKO Tierschutz

Die Folgen: Sofort holte man rund 200 Ferkel aus dem Betrieb. Und nun geht es für Haas nur noch um „einen kontrollierten Ausstieg aus der Schweinehaltung“, den das Amt ihm auferlegt hat. Um ein Schweinehaltungsverbot. Der Tierbestand solle nun nach und nach tierschutzgerecht aufgelöst werden. Die Auflösung erfolge unter enger Begleitung des örtlichen Veterinäramtes. Es sei gegen Haas zudem Strafanzeige wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz erstattet worden.

Das Landratsamt bestätigt allerdings auch, dass „eine Privatperson“ im Juli Mängel bei dem Schweinehaltungsbetrieb gemeldet habe. Diese seien jedoch „unspezifiziert“ gewesen, der Betrieb in der Vergangenheit unauffällig. Es brauchte erst die Medienanfrage, bis der Skandal aufgedeckt wurde.

Jetzt wenden sich politische Freunde von Manfred Haas ab. Der erste: Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU). „Die Situation auf dem Betrieb erforderte ein unmittelbares Einschreiten der Behörde. Aufgrund der festgestellten Mängel kommt eine Weiterführung der Schweinehaltung aus Sicht der Behörde nicht infrage“, lässt Hauk sich von der Pressestelle seines Ministeriums zitieren. Die Umstände, wie es in dem Betrieb zu solchen Zuständen kommen konnte, müssten schnellstens geklärt werden.

Und Manfred Haas selbst: überfordert.

Er macht die Corona-Pandemie, geschlossene oder schließende Metzgereien und insgesamt eine nachlassende Nachfrage nach Fleisch dafür verantwortlich, dass sein Stall „überbelegt“ gewesen sei. Er habe noch mit den üblichen Mitteln in diesen Fällen gegenzusteuern versucht, berichtet er dem „Schwarzwälder Boten“, mit Spielzeug und Salzlecksteinen für die Tiere. Damit sie diese angehen, nicht ihresgleichen. Es habe aber nicht funktioniert.

Im Juli hatte sich Haas‘ Vater zudem aus dem täglichen Betriebsleben zurückgezogen. Seither ist der Sohn allein verantwortlich.

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Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.

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