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Corona-Hotspot Bösingen: Liegt alles an einer Hochzeit?

Um kaum eine Hochzeit ist wohl je ein solcher Mantel des Schweigens gehüllt worden wie um eine in Bösingen vor rund 14 Tagen. Obwohl alle im Dorf und darüber hinaus über sie reden, nur eben hinter vorgehaltener Hand. Und obwohl so manche Falschinformation im Umlauf ist. Offenbar ist es aber bei jener Hochzeit mit rund 80 Personen zu einem massiven Corona-Ausbruch gekommen. Der soll zudem der eigentliche Grund für die Schließung eines Gasthauses sein. Kein politischer, wie von den Wirtsleuten angegeben. Und es geht auch um einen Todesfall.

Die Bösinger Kirche. Auch ein Ort für die Nachrichtenübermittlung. Foto: nrwz

Bösingen an Allerheiligen. Die Gemeinde kommt in der örtlichen Kirche zusammen. Eine junge Ministrantin fällt dadurch auf, dass sie eine FFP2-Mund-Nasenmaske trägt. Pater Bala macht während des Gottesdienstes eine traurige Mitteilung zu einem verstorbenen Gemeindemitglied. Über diesen Mann, einen älteren Herrn, wird es später heißen, er sei einem Herzleiden erlegen. Nicht wenige im Ort bringen seinen Tod aber in Zusammenhang mit Corona. Seine Beisetzung hat nach Informationen der NRWZ bis heute nicht stattgefunden. Auch auf Nachfrage sagt das damit beauftragte Bestattungsinstitut noch vergangene Woche, man könne keinen Termin nennen.

Bösingen, eine gute Woche zuvor. Es findet eine große Hochzeit statt in einem Gasthaus in Herrenzimmern. Sagen Quellen der NRWZ. Rund 80 Menschen seien da zusammengekommen, hätten gefeiert. Die Gerüchte über diese Veranstaltung schießen ins Kraut, angeblich soll Andrea Berg gegen Mitternacht aufgetreten sein, weil über die Braut mit der feiernden Familie bekannt. Aber Berg war den Angaben ihres Umfelds zufolge auf Sylt. Fotos auf einer Social-Media-Plattform belegen dies.

Ein hartnäckigeres Gerücht: Diese Hochzeit war ein Corona-Hotspot. Tage später sagt eine im Ort gut bekannte und gut informierte Bürgerin: Die Hochzeitsgäste der feiernden „Großfamilie“ seien ihrer Kenntnis nach „alle in Quarantäne“. Deswegen könne auch die Beisetzung des Verstorbenen aktuell nicht stattfinden. Bei ihm handelt es sich nach Informationen der NRWZ um den Vater des Bräutigams.

In den Tagen danach bricht Corona aus. „Nach aktuellem Stand sind dem Gesundheitsamt in Bösingen insgesamt 111 Infizierte bekannt, die sich auch in Quarantäne befinden“, so eine Sprecherin des Landratsamts Rottweil auf Nachfrage. Das war am gestrigen Dienstag, inzwischen ist die Zahl leicht gesunken. Um sich das aber mal verdeutlichen: Rein rechnerisch entspricht das einer Inzidenz von mehr als 3000. Dem Ort werden an jenem Tag rund ein Siebtel der gesamten Infektionen im Landkreis zugerechnet. „Im Rahmen privater Kontakte ergaben sich auch Einzeleinträge in weitere Gemeinden“, so die Frau vom Landratsamt. Die Corona-Welle schwappte also über die Dorfgrenzen hinaus.

Nach seiner Datenlage schließt das Landratsamt, dass sich seit Beginn der vierten Welle die überwiegende Zahl an Infektionen  im privaten Umfeld ereignen und hier insbesondere ungeimpfte Personen betreffen  („Pandemie der Ungeimpften“).

Die Sprecherin der Behörde erklärt darüber hinaus ganz vorsichtig: „Wir können Ihnen bestätigen, dass in Bösingen eine private Familienfeier stattgefunden hat, welche nach der aktuellen Corona-Verordnung auch in dieser Form zulässig war. Wir wissen von zwischenzeitlich infizierten Personen, welche möglicherweise im Zusammenhang zu dieser Feier stehen könnten.“

Genauer meint das eine Frau zu wissen, die wie fast alle Informanten zum Thema ungenannt bleiben will. Die Frau berichtet: Bei der Hochzeit seien „sehr viele der Gäste und auch das Personal“ infiziert worden. Daher resultierten auch die hohen Infektionszahlen in der Gemeinde Bösingen, glaubt sie zu wissen. Sie selbst habe sich mit Corona angesteckt.

Den Namen des feiernden Bräutigams nennt die Informantin. Er geht in Bösingen und darüber hinaus herum, die Gerüchteküche brodelt. Die Behörde antwortet dazu offiziell: „Zu Hospitalisierungs- oder Todesfällen bezogen auf einzelne Gemeinden geben wir aus Gründen des Daten-/Persönlichkeitsschutzes keine Auskunft. Hierfür haben Sie sicher Verständnis.“

Ein schwerwiegender Vorwurf der Frau, den die NRWZ ebenfalls nicht verifizieren kann: Anscheinend gab es Absprachen zur Umgehung der COVID-Schutzmaßnahmen, das will sie am Rande mitbekommen haben.

Spannend hierbei dennoch: Die Hochzeit soll in einem Gasthaus in Herrenzimmern stattgefunden haben, so jedenfalls der Sachstand. Jenem Gasthaus, das vor ein paar Tagen für große Schlagzeilen und einen ordentlichen Online-Wirbel gesorgt hat. In Kurzversion: Man habe aus Protest gegen die 2G-Maßnahmen der Politik den Laden geschlossen. Weil die Maßnahmen zu weit gehen würden, wie es in einer Erklärung online heißt. Hier „wollen wir hier nicht mehr mitmachen und gesunde Menschen aus unserer Sonne ausschließen.“ Man wolle „diese Trennung von Geimpften zu Ungeimpften nicht zulassen.“

Dies gerät nun in den direkten Zusammenhang mit einem Corona-Ausbruch. Die öffentliche Weigerung, 2G umzusetzen, mit einer diffusen lokalen Ausbruchslage.

Die NRWZ konfrontiert die Betreiber der Sonne mit dem Vorwurf. Sie sagen dazu nichts. Auf die Fragen: „Gibt es in Ihrem Team Fälle von Corona-Infizierten? Sind Sie selbst als Betreiber betroffen? Könnte dies der eigentliche Grund sein, dass Sie geschlossen haben?“ erklären sie: „Wir als Betreiber sind nicht betroffen und unsere Gründe haben (wir) veröffentlicht. Für die restlichen Fragen können Sie die Betroffenen selbst fragen.“ Was die NRWZ natürlich versucht hat.

Könnte es einen Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz, gegen die Corona-Verordnung gegeben haben? Um das zu klären, wenden wir uns an die Polizei und das Landratsamt. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz erklärt: „Zu diesem Sachverhalt liegen in unseren Systemen keine polizeilichen Vorkommnisse ein. Auch zu den genannten Personen nicht.“ Man wolle die Situation in Bösingen allerdings im Blick behalten und werde auf Anforderung aus der Gemeinde, vom Ordnungsamt, etwa, natürlich bei Bedarf tätig. Und die Sprecherin des Landratsamts sagt, „dass das Gesundheitsamt keine entsprechenden Erkenntnisse hat.“

Zusammenfassend: Die NRWZ hat es in den vergangenen Tagen intensiv versucht, an den unterschiedlichsten Stellen: Wir bekommen keine belastbaren, vor allem offiziellen Stellungnahmen, ob und wie viele Menschen sich bei dieser Hochzeit infiziert haben. Wie viele erkrankt sind. Das Landratsamt dazu: „Da das Land das Konzept zur Kontaktpersonennachverfolgung überarbeitet hat und im Falle einer Quarantäne die Möglichkeit des vorzeitigen Freitestens besteht und die entsprechenden Testergebnisse dabei dem Gesundheitsamt aber nicht vorgelegt werden müssen, kann zur Anzahl der Kontaktpersonen keine Angabe gemacht werden.“ Alle weiteren Informanten: „Ja, wir haben von der Hochzeit gehört, ja, da war wohl ein Corona-Ausbruch. Aber zitieren Sie mich bloß nicht.“

Der Bürgermeister von Bösingen, Johannes Blepp, versucht derweil zu beschwichtigen. Spricht gegenüber Journalisten von mehreren Feiern in seiner Gemeinde, die Ausgangspunkt der Corona-Ausbreitung gewesen sein könnten. Will sich nicht auf die eine Feier festlegen lassen. Sagte Tage nach der Hochzeit seinen Gemeinderäten offenbar auch, dass der Ausbruch nichts mit jener einen Hochzeit zu tun gehabt habe. Und er wird ungehalten, wenn man ihm die aktuellen Corona-Zahlen seiner Gemeinde vorhält.

Das Landratsamt Rottweil hat jedenfalls einen klaren, stetigen Appell, auch im privaten Bereich Schutzmaßnahmen bei Zusammenkünften einzuhalten und sich impfen zu lassen. „Erfreulicherweise“, sagt die Behördensprecherin, „sind unter den geimpften Personen keine schweren Verläufe bekannt.“

Anm. der Red.: In einer früheren Version war sehr prominent ein Name genannt, dem wir die Hochzeitsfeier zuordnen. Diesen haben wir aus eigenem Antrieb und auf Anstoß einiger Leser herausgenommen, die Geschichte funktioniert aus unserer Sicht auch so.

 

https://www.nrwz.de/kreis-rottweil/corona-hotspot-boesingen-liegt-alles-an-einer-hochzeit/328803