Oberndorf – Darf man den Landrat in einer E-Mail ungestraft einen „Behördenhalunken“ nennen, die Leiterin der Kommunalaufsicht auffordern, ihren „dicken Hintern“ in Bewegung zu setzen, eine Amtstierärztin darauf hinweisen, sie werde zur „Witzfigur“. Nein, darf man nicht, so das Amtsgericht Oberndorf. Auch muss sich ein Hauptamtsleiter nicht gefallen lassen, als „lächelnder Fettsack“ tituliert zu werden. Und schon gar nicht darf man der Leiterin der Staatsanwaltschaft unterstellen, sie lasse ihre Leute nicht sauber arbeiten, weil sie „ein Verhältnis“ zum Bürgermeister habe. Die Quittung für einen ehemaligen leitenden Mitarbeiter im Oberndorfer Rathaus: Eine Geldstrafe von 110 Tagessätze zu je 25 Euro.
Nach einem langen Verhandlungstag entschied die Amtsrichterin, den 59-Jährigen zu dieser Strafe zu verurteilen, weil er in sechs Fällen Personen beleidigt, die Staatsanwältin zudem verleumdet habe. Hinzu kommen noch die unerlaubte Veröffentlichung von Prozessakten. In einem Fall sprach ihn die Richterin frei.
„Gerechtigkeitsfanatiker“
Der Staatsanwalt hatte 180 Tagessätze gefordert, der Pflichtverteidiger auf Freispruch plädiert. Der Angeklagte überzieht seit Jahren Behörden, Politiker und Medien mit einer Flut von E-Mails, Anzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden. In seinem Plädoyer in eigener Sache sagte er: „Ich sehe mich als Querulant. Ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker.“
In der ausführlichen Urteilsbegründung erklärte die Richterin, der Angeklagte habe alle Taten eingeräumt, es gehe nur darum, sie rechtlich zu würdigen. Bei der Weitergabe von Mitteilungen aus laufenden Gerichtsverfahren sei es eben verboten, sie „im Wortlaut“ mitzuteilen. „Nicht verboten ist es, dem Inhalt nach zu berichten.“
Entscheidend ist, wie kommt es an
Zu den Beleidigungen erklärte die Richterin in der mündlichen Urteilsbegründung, der Angeklagte habe selbst eingeräumt, er überlege ganz genau, wie er formuliere. „Manchmal muss ich einen raushauen, damit die Leute es auch lesen“, hatte er zu seinem Blog gesagt, in dem er die Mails auch immer veröffentlicht.
Auch habe er erklärt, er könne nachvollziehen, dass die Betroffenen das „nicht toll“ fänden, so die Richterin. „Sie haben in Kauf genommen, dass die Betroffenen sich beleidigt fühlen.“ Und nur darauf komme es an. Nicht, dass die Worte in eine Frage gekleidet seien. Dass die Betroffenen beleidigt waren, zeige auch, dass sie Anzeige erstattet hatte. Beleidigung ist ein Delikt, das immer nur nach einer Anzeige verfolgt wird. Ein Antragsdelikt.
Meinungsfreiheit vs. Persönlichkeitsrechte
Das Gericht habe abwägen müssen zwischen Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und dem Persönlichkeitsrecht und der Verletzung der Menschenwürde der Betroffenen andererseits. Wenn gar kein Bezug zum Vorgang bestehe, wie beim „lächelnden Fettsack“, dann gehe es primär um die Herabwürdigung des anderen.
Bei den anderen Äußerungen sei trotz eines gewissen Bezugs doch das allgemeine Persönlichkeitsrecht wichtiger. Der Angeklagte hätte seine Kritik an Maßnahmen auch anders vorbringen können. Verschärfend komme hinzu, dass der Angeklagte die Beleidigungen schriftlich vorgebracht hatte. Da sei „ein höheres Maß an Zurückhaltung“ erforderlich, als wenn man in der Aufregung im Gespräch eine unbedachte Äußerung mache. „Sie sind übers Ziel hinausgeschossen.“
Der Angeklagte, der selbst während der Urteilsverkündung immer wieder die Richterin unterbrach, kündigte an, Rechtsmittel einzulegen.
Fortsetzung folgt.