Wer kürzlich in Epfendorf oder auf dem Rötenberg unterwegs war, hat möglicherweise die Menschen gesehen, die geduldig weiße Fahnen durch Wald und Wiesen geschwenkt haben. Ihre Mission: Zecken sammeln, um Infektionsherde für die gefährliche FSME genauer lokalisieren zu können. Das teilt das Landratsamt mit.
Kreis Rottweil – FSME ist die Abkürzung für Frühsommer-Meningoenzephalitis, jene Infektionskrankheit, die von Zecken übertragen wird. Das FS im Namen ist dabei eher verwirrend, denn die Erkrankung kommt zu jeder Jahreszeit vor – und damit auch das ganzjährige Risiko einer Ansteckung. Wieso die Infektionskrankheit dennoch den Frühsommer in der Bezeichnung trägt, erklärt der Parasitologe Rainer Oehme aus dem Landesgesundheitsamt, im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration: „Die Zecken sind im Frühjahr deutlich aktiver, deshalb ist die Ansteckungsgefahr einfach höher.“
Karte mit Suchorten
Zusammen mit Nina Neißner und Martin Fischer vom Gesundheitsamt Rottweil ist Oehme in Sachen Zeckensuche im Landkreis unterwegs. Nina Neißner erklärt die Vorgehensweise: „Wir haben uns im Gesundheitsamt Rottweil alle FSME-Fälle der letzten zehn Jahre angeschaut, mit den Erkrankten gesprochen und uns genau beschreiben lassen, wo sie sich die Zecke vermutlich geholt hatten“. Aus diesen Erkenntnissen wurde eine Karte mit „Suchorten“ generiert, an denen die drei Experten nun auf gezielte Zeckensuche gehen.
Vom Tuch übers Röhrchen ins Labor
Die Aktion beginnt am Morgen. Ausgerüstet mit langen Stangen, an denen weiße Tücher befestigt sind, gehen Oehme, Neißner und Fischer durch das hohe Gras und die dichten Wälder. Die Tücher sind eine einfache, aber höchst effektive Methode, um Zecken von den Pflanzen zu sammeln, an denen sie sich festhalten. Nach einigen Metern werden die Tücher auf dem Boden ausgebreitet. Finden sich Zecken, wandern diese in spezielle Röhrchen, die Laborleiter Rainer Oehme später mit ins Labor des Landesgesundheitsamtes nehmen wird.
Grundlage für gezielte Empfehlungen
„Die Untersuchung der Zeckenproben hat für uns eine große Bedeutung. So können wir nicht nur feststellen, wie verbreitet das FSME-Virus in unserer Region tatsächlich ist, sondern auch, an welchen Stellen die Infektionsgefahr besonders hoch ist“ erklärt Nina Neißner. Das heißt allerdings nicht, dass für alle anderen Gebiete Entwarnung gilt. Neißner: „Unser Landkreis gilt ohnehin als Risikogebiet, die Impfung ist also oberstes Gebot“. Doch mit den Laborergebnissen aus den eingesammelten Zecken kann das Gesundheitsamt ganz gezielt weitere Empfehlungen zur Prävention aussprechen und mögliche „Naturherde“ ausweisen, in denen die Ansteckungsgefahr noch höher ist.
Gesundheitsrisiken bewerten und bekämpfen
Nach dem Einsammeln – im Frühjahr findet man pro „Durchgang“ schon mal 200 Zecken pro Sammler, jetzt, im heißen Sommer, sind es weniger – beginnt die Arbeit für Rainer Oehme. Die Zecken werden in Zellkulturmedium mit mechanischen Verfahren aufgelöst und auf das Vorhandensein des FSME-Virus mit Hilfe der PCR untersucht. Im positiven Fall wird versucht, das FSME-Virus in Zellkultur anzuzüchten, um das Virus genauer zu untersuchen.
Das LGA ist ein wichtiger Partner in diesem Prozess, da es über die notwendige Expertise verfügt, um genaue Ergebnisse zu liefern. „Diese Art der Zusammenarbeit ist entscheidend für die öffentliche Gesundheit,“ betonte Rainer Oehme, Leiter der Molekularbiologie des LGA. „Nur durch solche gemeinsamen Aktionen können wir die Gesundheitsrisiken effektiv bewerten und bekämpfen.“