„Impfungen in Baden-Württemberg nehmen weiter Fahrt auf“. Was Minister Manne Lucha am Montag frohgemut verkündete, wurde tags darauf vor Ort widerlegt: Es stockt weiter im Impfbetrieb. Jedenfalls in Rottweil.
Denn, so berichtete es Nicos Laetsch, der Leiter des Kreisimpfzentrums (KIZ) bei der Medien-Telefonkonferenz des Landratsamts: Ab nächster Woche kommt wieder weniger Impfstoff nach Rottweil. Und zwar, weil der Stoff von Astrazeneca (AZ) ausfällt und dies nicht durch Lieferung eines anderen Impfstoffs ausgeglichen werden kann.
Außerdem muss das KIZ noch rund 50 Impfportionen zurücklegen, weil unter 60-Jährige, die mit Astrazeneca erstgeimpft worden sind, die Wahl zwischen AZ und Biontech haben und daher für die betreffenden Personen beide Impfstoffe bereitgehalten werden sollen, wie Laetsch erklärte.
So werden also in dieser Woche zwar noch 3500 bis 4000 Impfungen in der Woche vorgenommen, aber ab der kommenden Woche dann nur noch 2500, davon die Hälfte Zweitimpfungen. Und das alles bei hohen Ansteckungszahlen und einem um die 60- bis 69-Jährigen erweiterten Kreis der Impfberechtigten. Dazu kommt, dass die Impftermine laut Laetsch nur von Woche zu Woche vergeben werden. Da braucht sich niemand zu wundern, wenn er bei der Vergabe der Impftermine leer ausgeht.
Und wenn es dann doch einen Termin übers Telefon gibt und man geht frohgemut ins Impfzentrum, dann ist es schon vorgekommen, dass dort niemand von dem Termin weiß und man daher wieder weggeschickt wird. Sicher: „Das sind Einzelfälle, aber um so mehr mit Unmut verbunden“, klagte Laetsch. Leider stehe da niemand vom Sozialministerium, merkte Landrat Wolf-Rüdiger Michel an, der könnte sonst sehen, was das System anrichte. Einen Tipp hatte er noch parat: Wer eine Mail mit der Bestätigung bekomme, sei sicher registriert. Aber die gibt’s nicht per Telefon…
27.000 Impfungen
Bis Freitag dieser Woche wurden und werden im Kreis 27.350 Impfungen vorgenommen sein, rund 16.500 mit dem Biontech-Stoff (5700 Zweitimpfungen) und, ebenso gerundet, 10.900 mit AZ. In den Pflegeheimen im Kreis sind noch ein Bewohner und zwei Beschäftigte infiziert. Die Impfungen dort sind abgeschlossen, aber die Heime haben Neuzugänge, und wenn sich in einem Heim mehr als sechs Menschen impfen lassen wollen, kommt auf Anfrage der Mobile Impfdienst für zwei Termine.
Im Gegensatz zu den Impfungen hat die dritte Corona-Welle „erheblich an Fahrt aufgenommen“, wie Landrat Michel sagte. Allein in den ersten 19 Apriltagen gab es 630 Ansteckungen bei insgesamt 6230 seit Beginn der Pandemie, 324 waren es in den letzten sieben Tagen. Dabei ist, wie Gesundheitsamts-Chef Dr. Heinz-Joachim Adam berichtete, die britische Virus-Variante B 117 mit 80 Prozent der Ansteckungen die „Standardvariante“.
Keiner weiß Bescheid
Völlig unsicher ist Landrat Michel auch, was die Maßnahmen gegen Corona betrifft. „Ich bin gespannt, was die rechtlichen Neuerungen auf Bundesebene mit sich bringen werden“, sagte er. „Click and meet“ in Läden bis zur Inzidenz von 150 erlaubt, Schulen werden schon ab 165 geschlossen, Ausgangsbeschränkung erst ab 22 Uhr und Einzelspaziergänge bis 24 Uhr erlaubt, so fasste er den Stand der Beratungen in Berlin zusammen. Ob im Land die strengeren Vorschriften gelten, das müsse noch geklärt werden. „Das Land will bei stärkerer Beschränkung bleiben“, ergänzte Thomas Seeger, der Leiter des Kreis-Ordnungsamts.
Ansteckungen in Schulen und Kindergärten
Die Corona-Ansteckungen, so berichtete Dr. Adam von den Kontakt-Nachfragen, finden hauptsächlich im Familienumfeld statt, aber auch in Schulen und Kindergärten. „Vergleichsweise wenig im beruflichen Umfeld“, sagte er: Rund sechs Prozent. Und so ist er froh, dass Schulen und Kindergärten schließen. Zumal in Dunningen im Zusammenhang mit zwei Kindergärten 31 Ansteckungen erfolgt sind, das Umfeld einbezogen, wie Stephan Vilgis vom Gesundheitsamt sagte. Neun Angesteckte seien noch aktiv. Aktuell ist auch ein Ausbruch in der Rottweiler Flüchtlingsunterkunft mit 15 Infizierten, von denen einer im Krankenhaus sei, wie Adam sagte. Die Bewohner wurden per Allgemeinverfügung der Stadt unter Quarantäne gestellt.
Das ist jetzt natürlich wieder ganz großes „Kommunikations Kino“. Der Bundesminister spricht von dramatischen Steigerungen bei den Impfstoff Lieferungen ab Mitte April, bzw. dem 2. Quartal, die Presse vom „Zünden des Impf-Turbo“, der Sozialminister nimmt gar „Fahrt auf“ beim „Impf-Express“ und wenn die mit diesen Wohltaten zu Segnenden, einen der schwer zu ergatternden Termine erstreiten können, dann kommt plötzlich kein Nachschub mehr, bzw. von dem bislang wenigen, noch weniger. Natürlich ohne jede Erklärung. Wenn ich unbedingt erreichen möchte, dass auch noch der Verträglichste auf die Palme geht, weil er sich zu recht „verarscht“ fühlt, dann muss man es genau so machen. Ich glaube langsam, das Politik und Verwaltung den Bürger für vollständig dumm hält, weil nur gegenüber Jemandem, den man nicht im geringsten mehr ernst nimmt und wertschätzt, kann man sich so dilettantisch aufführen, ohne das man selbst irgendwann mal ins Grübeln kommt. Aber was soll man von Entscheidern halten, die sich weder auf 150, noch auf 200 einigen können, obwohl sie ja immer mit 35 und 50 argumentiert haben und am Ende 165 als einen für alle Seiten akzeptablen Kompromiss verkaufen.